Die 72. Zelle - Orhan Kemal

  • Titel: Die 72. Zelle
    Autor: Orhan Kemal
    Originalsprache: Türkisch
    Originaltitel: 72. Kogus



    Inhaltsangabe:


    Es geht in dieser kurzen Novelle um das Leben in einem Gefaengnis in Istanbul in den Jahren von 1941 bis 1953. In der titelgebenden 72. Zelle wohnen die Gefangenen, die zur untersten Unterschicht gehören und durch ihre bittere Armut in unmenschlichen Zustaenden überleben. Eines Tages bekommt ein Straefling sehr unerwartet eine kleine Summe von Geld von ihrer Mutter, die aber für die dortigen Verhaeltnisse ein Vermögen bedeutet. Dieser Straefling setzt sein Geld wider Erwarten der Mitgefangenen nicht nur für sich ein, sondern für die Mitstraeflinge und die 72. Zelle, was die Verhaeltnisse im Gefaengnis vom Grund auf veraendert. Ob dieser Wohlstand der Armen lange haelt, lesen wir dann im Verlauf der Geschichte.



    Meine Meinung:


    Diese Geschichte ist sehr schlicht geschrieben, liest sich sehr einfach und schnell aber durch die schonungslos realistische Beschreibung der erschreckenden Umstaende ist sie trotzdem erschütternd. Die Dialoge werden sehr geschickt eingesetzt, und obwohl die Charaktere entsprechend ihrem Bildungsniveau sehr plump und einfach sprechen, wird die Erzaehlung dadurch nicht flach.


    Hier geht es nicht um Misshandlung oder Tortur, die man vielleicht mit Gefaengnissen in Verbindung bringt, sondern um Armut, die zum größten Teil dem zweiten Weltkrieg geschuldet ist. Es wird beschrieben, wie diese Gefangenen in der unvorstellbaren Armut ihre Menschlichkeit verlieren und zum Teil wieder gewinnen, die aber nur auf der Oberflaeche bleibt. Man sieht, dass die Moral dort aufhört, wo der Überlebenskampf beginnt.


    Es werden eine Reihe von Charaktere kurz dargestellt, trotz der kurzen Darstellung sind sie sehr gut durchdachte, vielschichtige, echte Persönlichkeiten. Das Schicksal des Protagonisten ist besonders rührend und man kann nach der Beendigung der Lektüre nicht aufhören, darüber nachzudenken.


    Es ist eine kurze, scheinbar schlichte Geschichte mit vielschichtigen Bedeutungen und realistischen Beschreibungen. Mich hat sie sehr begeistert und berührt.