Macht - Karen Duve - Buch und Hörbuch

  • Zitat

    Original von Lumos
    Ich hatte für mich entschieden die Handlung um Sebastian als (gesellschafts-)satirisch zu betrachten. Sozusagen als Rahmen für ihre Botschaften.


    Als Satire funktioniert es für mich gar nicht. Dafür ist der Sebastian-Erzählstrang nicht überspitzt genug. Denn leider ist es nun mal Realität, dass es Menschen wie ihn, ob nun in männlicher oder weiblicher Variante, viel zu viele, auch in unserer Gesellschaft und in früheren Gesellschaften gab und gibt. Menschen mit geringer moralischer Hemmschwelle. Menschen, die die Demütigung anderer mit Macht gleichsetzen.
    :gruebelWofür, glaubst Du, braucht sie diesen Rahmen? Und was will sie damit ausdrücken? Momentan sehe ich noch keine Botschaft, die eine solche Handlung als Rahmen bräuchte.
    Ich werde jetzt gleich mal weiterlesen. Vielleicht beantworten sich im Lauf der nächsten Stunden ja einige meiner großen Fragezeichen... :grin

  • Auf der Buchmesse in Leipzig erzählte Karen Duve, dass ihre ursprüngliche Idee war, ein Buch aus der Perspektive eines Menschen wie Fritzl zu schreiben. Aus dem Kopf von jemanden, der einen anderen Menschen im Keller gefangenhält und auch missbraucht. Die Geschichte von Fritzl habe sie lange sehr beschäftigt.


    Irgendwie stellte sie fest, dass ihre Geschichte besser in einer nicht allzu fernen Zukunft spielen solle und so ergab sich der Rest. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ging es ihr hauptsächlich um die Figur von Sebastian, wie jemand so wird, denkt usw. Die anderen Handlungselemente sind vermutlich so krass dargestellt, weil sie unbedingt ihre Botschaften rüberbringen will - was ich persönlich auch nicht gerade für den besten Weg halte.


    Der Titel zeigt meiner Meinung nach auch, dass es hauptsächlich um Sebastian geht und die veränderen Machtstrukturen in dieser Gesellschaft, sowie deren Auswirkungen. Ich denke auch, dass ihr gut ausgearbeitete Figuren nicht so wichtig waren - außere Sebastian und seiner Frau.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Gut beschrieben, ottifanta.
    In einerm Interview hat sie Fritzl auch erwähnt.
    Der Titel "Macht" deutet ja auch darauf hin, dass es ihr darum geht: zu zeigen, was Macht aus Menschen machen kann.
    Ich habe auch schon öfters über Personen gedacht: der oder die sollte keine Macht erhalten. Denn da würde nichts Gutes dabei rauskommen............

  • ...ein Buch aus der Perspektive eines Menschen wie Fritzl zu schreiben... - eben das ist ihr, meiner Meinung nach, total misslungen. Auch nach 130 Buchseiten sind ihre Protagonisten farblos und konturlos. Ich glaube, es liegt daran, dass ihr der Mumm fehlte, sich wirklich darauf einzulassen. Sie mag ihre eigenen Figuren nicht, weder Sebastian noch Christine, und deshalb klickt es nicht. Das hat sie wohl selbst gemerkt und hielt es dann für nötig, diese Gesellschaftskritik-Parabel einzustricken, eine Methode, die ich, wie bereits in meinem ersten Post erwähnt, einfach nur plump finde. Sie hat ein cat's cradle gebastelt, aber anstatt die Fäden in der Hand zu behalten sich selbst hoffnungslos darin verheddert. Natürlich ist mir klar, dass Menschen wie Sebastian tatsächlich farblos wirken können in der Realität. Aber als Roman funktioniert es so nun mal nicht. Und wird noch weniger glaubwürdig durch diese merkwürdige Rechtfertigungsmasche, die Duve für Sebastian benutzt, denn im Grunde sagt sie doch, dass wir alle als Menschen ohne Moral und Integrität enden werden. Zu einfach, zu sehr schwarz-weiß-Malerei. Und dabei können solche Psychopathen-Geschichten wirklich gut funktionieren. Leuchtendes Beispiel dafür ist Stephen Kings Misery: ein total überzogener Plot und überzeichnete Figuren – und trotzdem läuft die Geschichte wie ein gut geöltes Uhrwerk. Weil King den Mut hat, auch (oder gerade :grin) seine üblen Charaktere zu lieben und in sie einzutauchen. Seine Annie hat Tiefe, sie ist glaubwürdig, King gelang es wirklich, sich in einen solchen Menschen hineinzuversetzen. Frau Duve dagegen zog es vor, zimperlich zu sein und ihren eigenen Protagonisten nur mit Gummihandschuhen und gerümpfter Nase anzufassen...

  • Zitat

    Original von Andromeda
    [I] Sie mag ihre eigenen Figuren nicht, weder Sebastian noch Christine, und deshalb klickt es nicht. .


    So kam das bei mir überhaupt nicht an.


    Es ist echt witzig, die verschiedensten Eindrücke zum Buch hier zu lesen.


    Wobei ich ja immer noch denke, dass die Geschichte bei dem genialen Hörbuch einfach anders beim Leser, in diesem Fall Hörer, ankommt.
    Vielleicht nimmt ja doch noch jemand ottifantas Angebot an? ;-)

  • Heute nacht habe ich das Buch beendet. Zugegeben mit einigen quergelesenen Seiten. Dieses Querlesen zeigt wohl schon: das Buch und ich konnten nicht wirklich zusammenfinden. Für mich ist es nicht rund , sehr flach und sehr unausgereift, Frau Duve will zu viel und gibt zu wenig. Ich kann die Geschichte nicht als Satire betrachten, dafür fehlt mir Eleganz und Esprit. Sie konnte sich meiner Meinung nach nicht entscheiden, ob sie nun eine gesellschaftskritische Dystopie oder eine Charakterstudie schreiben wollte. Deshalb tat sie beides, aber nur halbherzig. Jedoch: aus zwei Hälften, die sich nicht zusammenfügen wollen, kann man nun mal kein Ganzes machen. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass sie ihre Figuren im Grunde nicht mag und sich nicht in sie hineinversetzen konnte. Das wäre vielleicht noch zu retten gewesen, wenn sie nicht ausgerechnet die Ich-Perspektive als Erzählform gewählt hätte – aber dass sie es tat, ohne sich dann wirklich darauf einzulassen macht die Geschichte komplett unglaubwürdig.
    Inzwischen habe ich den Thread hier aufmerksam durchgelesen und kann wenigstens bei einer Sache zustimmen: Männerhass finde auch ich in dem Buch nicht. Frau Duve teilt ja gleichmäßig nach allen Seiten aus, ungeachtet des Geschlechts.


    Vielen lieben Dank nochmals an Lumos für das Wanderbuch. :wave

  • Zitat

    Original von Lumos
    Seltsam, dass in der Regel Männer aus diesem Buch in erster Linie Männerhass herauslesen :gruebel.


    Vermutlich sagt das mehr über die betreffenden (oder sich betroffen fühlenden) Männer aus als über das Buch... :grin

  • Zitat

    Original von Lumos
    ...Würdest du deine Meinung auch noch kurz im Rezi-Thread posten?...


    Mache ich im Lauf des Wochenendes, versprochen, möchte aber lieber nicht einfach nur kopieren, ich werde meine Posts zum Buch zusammenstellen und ein bißchen straffen. :wave

  • Zitat

    Original von Andromeda


    Vermutlich sagt das mehr über die betreffenden (oder sich betroffen fühlenden) Männer aus als über das Buch... :grin


    Und das wäre?

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nun ja, ich nahm aus dem Buch den Eindruck mit, dass Duwe männliche und weibliche Figuren gleichermaßen schlecht aussehen lässt. Warum also sollte man das als Männerhass interpretieren? Das lässt nur einen logischen Schluß zu: diese Männer empfinden es als wichtiger, tragischer, wenn Männer schlecht dastehen. In dem bereits von mir erwähnten Misery ist die schlecht aussehende Figur weiblich. Aber nur deshalb würde mir nicht einfallen, King Frauenfeindlichkeit zu unterstellen.
    Mag ja sein, dass ich die Punkte, die Männerfeindlichkeit bei Duve darstellen, einfach überlesen habe, weil mir das Buch ohnehin nicht gefällt. Wenn Dir dergleichen auffiel, freue ich mich über Hinweise, was Dich zu dem Schluß brachte.