Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume
Elisabeth Åsbrink
Arche Literatur Verlag
Hardcover
Deutsch von Gisela Kosubek
320 Seiten
ISBN 978-3-7160-2710-3
Schwedischer Originaltitel: Och i Wienerwald star träden kwar
Die Autorin (Verlagsangabe)
Elisabeth Åsbrink, geboren 1965, lebt als Schriftstellerin, Journalistin, Fernsehproduzentin und Autorin in Stockholm. Sie arbeitet außerdem für Schwedens populärstes Radioprogramm Sommar in P1, wo sie u. a. Sendungen für das frühere ABBA-Mitglied Björn Ulvaeus produziert hat. ›Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume‹ ist ihr drittes Buch, für das sie 2011 mit dem August-Preis für das beste Sachbuch des Jahres ausgezeichnet wurde.
Inhalt und meine Meinung
Es ist schwierig, dieses Buch einem Genre zuzuordnen. Ein dokumentarischer Roman oder ein erzählendes Sachbuch könnte passen. Die Autorin hat für dieses Buch gründlich recherchiert. Sie stützt sich auf die erhaltenen Briefe aus dem Nachlass von Otto Ullmann, Zeitdokumente und mehrere Interviews, unter anderem mit Ingvar Kamprad.
Erzählt wird die Geschichte von Otto Ullmann und seiner Familie. Otto ist am 20. Juli 1925 in Wien geboren. Er ist das einzige Kind seiner Eltern Josef und Elise. Josef liebt seinen Beruf als Sportredakteur einer Wiener Zeitung und der begabte Junge Otto erlebt eine glückliche Kindheit. Bis zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938.
Die Ullmanns sind eine jüdische Familie und so leiden sie zunehmend unter den immer heftigeren Repressionen. Nach der Progromnacht 1938 sucht die Familie nach einer Möglichkeit, wenigstens den Sohn in Sicherheit zu bringen.
Dies erweist sich als schwierig, weil kaum ein Land Deutsche oder Österreicher aufnehmen will. Und Juden schon überhaupt nicht. Am Beispiel Schwedens und der Schweiz wird gezeigt, wie die Regierungen ihre Länder gegen den unerwünschten Zuzug abgeschottet haben.
Obwohl durchaus bekannt ist, welches Schicksal jüdischen Bürgern im Reich und den Anschlussgebieten droht. Berichte von schwedischen Korrespondenten und Schreiben des britischen Generalkonsuls sprechen eine deutliche Sprache.
In Wien betreibt die schwedische protestantische Kirche eine Missionsstation und deren Pastor Hedenquist ist entschlossen, möglichst viele Menschen in Sicherheit zu bringen und setzt sich sowohl mit den schwedischen Behörden als auch mit Adolf Eichmann, Chef des Sicherheitsdienstes in Wien auseinander.
Er erhält nach langem Ringen die Genehmigung, ca 100 Kinder und Jugendliche für einen vorübergehenden Aufenthalt nach Schweden zu bringen. Die Eltern dürfen auf keinen Fall mitkommen.
Otto wird ausgewählt und reist nach Schweden. Ohne seine Eltern.
Otto lebt zunächst in einem Kinderheim und muss sich dann jahrelang als Hilfskraft in der Landwirtschaft durchschlagen. Seine gesamte Familie wird ermordet.
Gleichzeitig schildert die Autorin das Erstarken der nazistischen Bewegung in Schweden. Sie zitiert Schreiben und Zeitungsartikel, in denen gegen die geplante Einwanderung von zehn(!) jüdischen Ärzten und Apothekern gehetzt wird. Andere Berufsgruppen sind genauso wenig willkommen.
Und wir lernen Ingvar Kamprad und seine Familie kennen, auf deren Hof Otto eine Zeitlang arbeitet und mit Ingvar Freundschaft schließt. Obwohl Ingvar sich früh den schwedischen Nationalsozialisten anschließt. Ingvar Kamprad gründet mit 17 Jahren die Möbelfirma IKEA.
Viele Informationen in diesem Buch waren für mich neu und ich fand es über weite Strecken sehr interessant. Allerdings blieb mir Otto und seine Familie in all ihrem Leid immer fremd und weit weg. Das mag einmal daran liegen, dass die Autorin großen Wert darauf legt, die Ereignisse zu dokumentieren. Für mich bedeutsamer war, dass nur aus den letztlich immer gleichen Briefen der Familie an den Sohn zitiert werden konnte. Die Briefe Ottos sind nicht erhalten geblieben.
So ist eine wirkliche emotionale Nähe zu den Ereignissen bei mir nicht aufgekommen.
Empfehlenswert ist das Buch - auch aufgrund der aktuellen Probleme von Geflüchteten in aller Welt - als Dokumentation über das Schicksal des Flüchtlingsjungen Otto.