Alexander Maksik - Die Gestrandete: Roman

  • Titel: Die Gestrandete: Roman
    Autor: Alexander Maksik
    Originaltitel: A Marker to Measure Drift
    Seitenzahl: 288
    Verlag: Droemer HC
    Erscheinungsdatum: 01. April 2016
    ISBN-10: 3426199742
    ISBN-13: 978-3426199749


    Inhalt:
    Jacqueline ist eine Gestrandete. Heimatlos, sprachlos. Sie ist 23 Jahre alt und aus ihrem afrikanischen Geburtsland geflohen. Nun kämpft sie an einem griechischen Strand ums Überleben. Tagsüber versucht sie, unter den Touristen nicht aufzufallen, nachts wäscht sie sich im Meer. Sie trägt nur ihre Kleidung und Erinnerungen bei sich. Mehr nicht. Doch über das Erlebte kann sie nicht sprechen. Bis ihr eines Tages eine Griechin Essen anbietet. Jacqueline beginnt zu erzählen – von ihrer Familie, ihrem Land, ihrer Flucht. Und davon, dass Erinnerungen, Erlebnisse und Überleben oft keinen Platz für Hoffnung lassen.



    Autor:
    Alexander Maksik wurde bereits für seinen Debütroman "Sein oder Nichtsein", der in sieben Sprachen übersetzt wurde, international gefeiert. Mit "Die Gestrandete" hat er sich einen Platz in der obersten Autorenriege erschrieben. Der Roman, der von der Presse als "Meisterwerk" gefeiert wurde, erschien in elf Ländern. Maksik nahm am renommierten Iowa Writers' Workshop teil und schrieb u.a. für The New York Times Magazine, Harper's Magazine, Tin House, Salon, Harvard Review, Narrative Magazine. Alexander Maksik lebt heute in New York.



    Meine Meinung:
    Die Gestrandete ist ein sehr ruhiger Roman und gerade deswegen ist er so eindrücklich.
    Äußerlich tut sich nicht viel, das meiste spielt sich in Jacquelines Kopf und ihren Gedanken und Erinnerungen ab. Sie ist ganz auf sich allein gestellt, ein Flüchtling aus Liberia und über Spanien nach Griechenland und dort auf die Insel Santorin gekommen. Was in Spanien passiert ist, warum sie dort nicht bleiben konnte, wird nicht erzählt; genausowenig erfährt man, wieso Jacqueline nicht versucht, nach England weiterzureisen, wo sie eine Cousine hat und wo sie auch vor Jahren schon ihren Schulabschluss gemacht hat.
    Stattdessen dreht sich Jacquelines ganzes Denken und Handeln ums nackte Überleben: sie bietet am Strand Massagen an, um ein paar Euro für Essen und Trinken zu verdienen, und baut sich aus Müll und Strandgut eine provisorische Behausung in einer Höhle. Doch dann wird sie von senegalesischen Straßenhändlern bedrängt, bekommt Angst und zieht weiter - immer allein, immer misstrauisch und auf der Hut, selbst wenn es jemand wirklich freundlich mit ihr meint.


    Dazwischen gibt es immer wieder lange Phasen der Passivität, in denen sich Jacqueline irgendwo verkriecht und sich in ihren Erinnerungen verliert. In diesen Phasen wird ihre Familie wieder lebendig für sie, doch wenn sie zwischendurch einschläft, kommen die Alpträume von den Geschehnissen, die sie zu ihrer Flucht veranlasst haben. Die Stimmen ihrer verstorbenen Familie sind Jacquelines ständige Begleiter - sie unterhält sich mit ihnen und v.a. die Stimme der Mutter ist es, die Jacqueline immer wieder antreibt, weiterzumachen und sich nicht aufzugeben.


    So landet Jacqueline schließlich in der Ortschaft Oia, wo sie die Bekanntschaft einer jungen Kellnerin macht, die in der Taverne arbeitet, wo Jacqueline sich regelmäßig einen Kaffee und ab und an sogar ein Frühstück gönnt. Die junge Frau nimmt sich Jacquelines an und lädt sie eines Tages zum Essen ein. An diesem Abend ist es dann soweit - ob es nun am Ouzo, dem guten Essen, der friedlichen Stimmung oder der Gesellschaft der jungen Frau liegt, Jacqueline schafft es, zum ersten Mal über sich und ihre grauenvollen Erlebnisse in ihrer Heimat zu sprechen.


    Auch wenn das Buch ein sehr ruhiges, langsames Erzähltempo hat, hat es mich doch von Anfang an gefesselt. Man wird als Leser regelrecht in Jacquelines Gedankenwelt hineingezogen, wobei ich an manchen Stellen fast den Eindruck hatte, dass Jacqueline vor Hunger und Schwäche in eine Art Delirium abrutscht. Je mehr man erfährt, desto stärker wird die Ahnung, was sich wohl in Jacquelines Elternhaus abgespielt haben muss.
    Viele Dinge werden auch nur angedeutet, vielleicht weil sie für Jacqueline nicht mehr relevant sind oder sie nicht darüber nachdenken mag.


    Das Ende des Buches wird nicht jeden Leser zufriedenstellen, aber ich fand es passend und stimmig. Insgesamt ist Die Gestrandete" keine leichte Lektüre, auch wenn es sich von der Sprache her recht flott lesen lässt. (Die Übersetzung hat ein paar Schwächen, über die man jedoch hinweglesen kann). Der Inhalt jedoch zwingt den Leser zum Nachdenken, gerade weil vieles lange Zeit nur angedeutet wird und man so gezwungen wird, sich seine eigenen Gedanken über die Zusammenhänge zu machen.


    8 Eulenpunkte von mir.


    LG, Bella

  • Die Gestrandete von Alexander Maksik, was für ein trauriger Roman.
    Er erinnert mich etwas an „“Das Mädchen mit dem Fingerhut“ von Michael Köhlmeier.


    Jaqueline, die Gestrandete stammt aus Liberia und musste wegen dem Krieg und weil ihr Vater ein Regierungsbeamter war flüchten. Wir begleiten sie eine kleine Weile bei ihrem Überlebenskamp.


    Sie landet in Griechenland auf der Insel Santorin. Sie ist 23 Jahre alt und kämpft ums Überleben und den Hunger. Die Sprache spricht sie nicht. Bei den Touristen versucht sie mit Fußmassagen etwas Geld zu verdienen. Sie versucht nicht aufzufallen.


    Aber leider langt es nicht für Essen und trinken und ihr Schlafplatz ist teilweise in einer Höhle oder in Abruchhäusern. Man spürt richtig ihren Hunger und die Not in der sie steckt.
    In ihren Gedanken spricht sie am Meisten mit der Mutter, aber auch mit der Schwester und dem Vater. Die Mutter kommt dabei dominant rüber, sie sagt ihr das sie aufpassen soll, lieber nicht zuviel preisgeben. Das Erlebte ist für sie ein Trauma, das sie stets beschäftigt.


    Der Roman ist ruhig, man erfährt nur das Nötigste. Trotzdem ist die Geschichte nicht langweilig. Ich war gefangen und litt mit Jaqueline, obwohl sie kein Mitleid wollte.
    Der Autor hat die Geschichte glaubhaft und realistisch erzählt.

  • Die Gestrandete - Alexander Maksik


    Mein Eindruck:
    Ich kann mich meinen Vorschreibern nur voll anschließen. Es ist ein gutes Buch, dass den Leser nicht kalt lässt, zudem in einer beeindruckenden lyrischen Sprache, die mich sofort gefangen nimmt.


    Alexander Maksik beschreibt die unmittelbaren Erfahrungen einer jungen Frau, sie ist Flüchtling aus Liberia und befindet sich jetzt am Strand einer griechischen Insel Der Zeitpunkt ist vermutlich ungefähr Anfang der Nuller-Jahre.


    Von dem westafrikanischen Staat Liberia weiß ich nicht viel, aber vom schrecklichen Bürgerkrieg voller Grausamkeiten hat man gehört, auch von dem Warlord und Präsidenten Charles Taylor, der Verantwortlich für viele Kriegsgräuel war, die viele Menschen ins Exil zwang. Kriegsverbrechen auch von der Gegenseite, darunter der Einsatz von Kindersoldaten.


    Der Autor zeigt ein Einzelschicksal, dass sich von den Vorstellungen eines überfüllten Flüchtlingscamp wie Idomeni drastisch unterscheidet, denn Jacqueline ist ganz allein und mittellos.


    Auch wenn Jacqueline sich am idyllischen Strand befindet, durchziehen ebenfalls ihre Erinnerungen das Buch und lassen die Ereignisse in Liberia gegenwärtig sein.


    Es ist ein stilles Buch, aber gerade die langsame Erzählweise entspricht Jacquelines traumatisierten Zustand.


    Mir bleibt nur noch, für diesen anspruchsvollen Roman eine klare Leseempfehlung zu geben.

  • Ich durfte das Buch hier im Forum als Wanderbuch lesen und möchte mich dafür noch einmal ganz herzlich bedanken.
    Mich hat das Buch vom Thema her erst nicht besonders zum Lesen gereizt. Nach den guten Rezis hier bin ich aber dann doch neugierig geworden und ich habe es auch nicht bereut.
    Für mich ist dieser Roman bis jetzt mein Überraschungs-Lesehighlight des Jahres. Die Geschichte hat mich von den ersten Worten an gefangen genommen und tief berührt und bewegt.


    Am Anfang weiß man gar nichts von der jungen Frau: woher sie kommt, warum sie geflohen ist, wohin sie will, wer sie eigentlich ist. Nach und nach werden durch ihre Erinnerungen und ihre imaginären Selbstgespräche mit den Mitgliedern ihrer Familie immer mehr Stückchen ihrer Geschichte bekannt und das Ende, als man dann noch mehr über ihr Schicksal erfährt, hat mich fast umgehauen. Ich konnte es nur in kurzen Abschnitten lesen so intensiv hat es mich berührt und mitfühlen lassen.


    Den Erzählstil des Autors fand ich wahnsinnig schön, ruhig und intensiv mit vielen lyrischen und anschaulichen Bildern.
    Die ganze Geschichte ist aus der Perspektive der jungen Frau geschildert, man erfährt nur was in ihrem Kopf vorgeht und hat Teil an ihren Gedanken und Erinnerungen. Auch wenn sich dabei manches wiederholt und man nicht wirklich viel aus ihrem Leben erfährt war es zu keinem Zeitpunkt uninteressant oder langweilig. Im Gegenteil: ich fand es absolut fesselnd und bewegend.Und ich war während des Lesens tief beeindruckt von dieser Frau und ihrem ständigen Bemühen ihre Würde und ihren Stolz jederzeit zu wahren.


    Ich kann das Buch nur absolut weiterempfehlen, ein wirkliches Lesehighlight und natürlich bekommt es von mir 10 Eulenpunkte.