Titel: Letzter Bus nach Coffeeville
Autor: J. Paul Henderson
Originaltitel: Last Bus to Coffeeville
Verlag: Diogenes
Seitenzahl: 528
Erscheinungsdatum: 23. März 2016
ISBN-10: 3257069596
ISBN-13: 978-3257069594
Klappentext:
Drei in jeder Hinsicht ziemlich älteste Freunde reisen in einem klapprigen Tourbus der Beatles quer durch die USA bis nach Mississippi. Gene, ein Arzt im Ruhestand, versucht ein ungewöhnliches Versprechen einzulösen, das die Südstaatlerin Nancy ihm als Student in der ersten Liebesnacht in Pennsylvania abgenommen hat: ihr zu helfen und sie zurück nach Mississippi zu bringen, falls sie dereinst die in ihrer Familie scheinbar erbliche "Krankheit des Vergessens" bekommen sollte. Nach jener Nacht verschwand Nancy spurlos. Vierzig Jahre später ruft sie wieder an.
Die Magical Mystery Tour beginnt. Als Dritter fährt Bob mit, ein Vietnamveteran, der gelernt hat, es mit heimtückischen Gegnern aufzunehmen.
Das Feelgood-Debüt eines sehr menschlichen Erzählers, lebensnah, warm und voller Humor.
Autor:
J. Paul Henderson, geboren 1948 in Bradford, Yorkshire, studierte Amerikanistik und promovierte über Darlington Hoopes (den letzten sozialistischen Präsidentschaftskandidaten der USA). Nach Gelegenheitsjobs als Gießer, Busfahrer und Finanzbuchhalter arbeitete er als Vertriebschef für den New Yorker Sachbuchverlag Wiley-Blackwell. Inzwischen wohnt er wieder in Bradford. Nachdem seine Mutter Alzheimer bekommen hatte und gestorben war, wurde er mit einem unernsten Roman über ein ernstes Thema, ›Letzter Bus nach Coffeeville‹, zum Schriftsteller.
Meine Meinung:
Letzter Bus nach Coffeeville gehört für mich zu den Überraschungs-Highlights des Jahres. Das Buch gliedert sich im zwei Teile: im ersten Teil lernen wir die Mitreisenden kennen, im zweiten geht es um die eigentliche Reise nach Coffeeville.
Jeder Mitreisende (neben Gene, Bob und Nancy fahren auch noch Genes Patensohn Jack und der 13-jährige Tramper Eric mit) bekommt seinen eigenen Abschnitt, der auch jeweils aus der Perspektive der Person erzählt wird, um die es gerade geht. Wir bekommen einen Überblick über das bisherige Leben der Protagonisten, wobei der eine mehr, der andere weniger aufregende Dinge erlebt hat, aber langweilig war es bei keinem. Nebenbei erfährt der Leser auch etliches über die amerikanische Geschichte seit dem 2. Weltkrieg und die Bürgerrechtsbewegung. All das wird sehr unterhaltsam und kurzweilig geschildert und der Autor streut immer wieder Anekdoten aus der Geschichte ein, die den meisten Lesern wohl noch nicht bekannt sein dürften.
Im zweiten Teil geht es dann um die Reise nach Coffeeville. Gene und seine Freunde müssen zunächst Nancy, deren Alzheimer-Erkrankung mittlerweile ziemlich weit fortgeschritten ist, aus ihrem Pflegeheim in Hershey holen. Als das gelungen ist, machen sie sich mit einem Bus, der sich als ehemals gestohlener Tourbus der Beatles entpuppt, auf den langen Weg nach Mississippi, wo Nancy in dem kleinen Dörfchen Coffeeville noch ein abgeschiedenes Ferienhaus besitzt. Dorthin, so war einst ihr Wunsch, sollte ihre letzte Reise gehen, und dort, das musste ihr Gene versprechen, soll er ihrem Leben ein Ende setzen, bevor sie endgültig den Verstand verliert und nur noch im Pflegeheim vor sich hinvegetiert, bis sie endlich eines Tages sterben darf.
Die Reise verläuft sehr turbulent, denn natürlich bleibt Nancys Entführung aus dem Pflegeheim nicht unbemerkt und auch Eric wird mittlerweile gesucht. Dabei kommt es zu einigen sehr skurrilen Szenen, die die fünf Freunde aber alle erfolgreich meistern, bis sie schließlich Nancys Haus in Coffeeville erreichen. Dort angekommen feiern sie ein Abschiedsfest, denn Bob, Jack und Eric machen sich schon kurz danach auf den Heimweg, während Gene und Nancy in Coffeeville zurückbleiben.
Das Ende des Buches ist ein sehr friedliches und versöhnliches - dem Autor gelingt es hier wunderbar, das Buch zu einem runden, passenden Abschluss zu bringen, ohne dabei ins Kitschige oder gar Melodramatische abzudriften.
Letzter Bus nach Coffeeville ist ein wunderbares Buch über die Freundschaft und das Leben, aber auch über Krankheit, das Sterben und den Umgang damit. Man merkt auf jeder Seite, dass der Autor in seinem Roman seine ganz persönliche Erfahrung mit der Alzheimer-Erkrankung und dem Tod seiner Mutter verarbeitet. Manches hat er womöglich genau so selbst erlebt und viele Passagen sind geprägt von einer unterschwelligen Schwermut, doch nimmt das Melancholische nie überhand. Im Gegenteil, Henderson schreibt sehr unterhaltsam, immer gewürzt mit einer Prise Humor, der teilweise auch sehr britisch schwarz sein kann. (Hier habe ich bedauert, das Buch nicht im Original gelesen zu haben, denn ich bin mir sicher, dass einige Wortspiele/Pointen bei der sonst recht annehmbaren Übersetzung verloren gegangen sind.) Seine Charaktere sind sehr lebendig, ohne dabei überzeichnet zu wirken, und man fühlt beim Lesen mit ihnen, freut sich mit ihnen, und manchmal möchte man am liebsten auch mit ihnen weinen.
Zwar ergibt sich eine gewisse Spannung daraus, dass immer die Frage im Raum steht, ob Gene sein Versprechen Nancy gegenüber tatsächlich einlösen wird, doch wurde die Antwort auf diese Frage für mich während des Lesens immer unwichtiger. Für mich war hier tatsächlich der Weg das Ziel und es war ein großes Lesevergnügen, diese fünf so unterschiedichen Menschen auf ihrem Lebensweg und ihrer Reise in den Süden zu begleiten!
Von mir bekommt Letzter Bus nach Coffeeville volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung. Ich würde mir wünschen, dass Mr. Henderson, der ja immerhin Jahrgang 1948 ist, noch mehr so wunderbare Bücher schreibt, ehe er selbst seine letzte große Reise antritt!
LG, Bella