Willkommen in Night Vale - Joseph Fink, Jeffrey Cranor

  • x Autoren: Joseph Fink, Jeffrey Cranor
    x Übersetzer: Wieland Freund, Andrea Wandel
    x Titel: Willkommen in Night Vale
    x Originaltitel: Welcome to Night Vale
    x Genre: Fantasy
    x Erscheinungsdatum: 19. März 2016
    x bei Klett-Cotta
    x 378 Seiten
    x ISBN: 3608961372
    x Erste Sätze: Pfandhäuser in Night Vale funktionieren so: Erstens braucht man einen Gegenstand zum Verpfänden. Um daran zu kommen, muss man viel Zeit hinter sich gebracht, Jahre aufs Leben und Existieren verwendet haben, bis man schließlich restlos davon überzeugt ist, dass es einen selbst gibt und dass es Gegenstände gibt und dass es so etwas wie Eigentum gibt, wobei sich, so unwahrscheinlich das alles auch ist, diese absurden Überzeugungen derart zusammenfügen müssen, dass man am Ende Eigentümer eines Gegenstandes ist.


    Klappentext:


    „Das Schicksal ist schlimmer als der Tod. Das waren die Gesundheitsnachrichten.“


    Night Vale, ein Städtchen in der Wüste. Irgendwo in der Weite des amerikanischen Südwestens. Geister, Engel, Aliens oder ein Haus, das nachdenkt, gehören hier zum Alltag. Night Vale ist völlig anders als alle anderen Städte, die Sie kennen – und doch seltsam vertraut.


    Rezension:


    Gleich zu Anfang möchte ich sagen: Meine Rezension zu „Willkommen in Night Vale“ von Joseph Fink und Jeffrey Cranor stellt die Meinung einer Leserin dar, die vor dem Aufschlagen der ersten Seite noch nie etwas von Night Vale gehört hat. Ich wusste nicht, dass es einen erfolgreichen Podcast dazu gibt, und musste mittlerweile feststellen, dass sogar ein Night Vale-Wiki existiert. Von daher werden eingefleischte Night Vale-Fans, nachdem sie diese Rezension gelesen habe, vermutlich heute Nacht mit Mistgabeln und Fakeln vor meiner Haustür stehen. Geht weg – ich werde nicht öffnen.


    Also, wie gesagt – ich kannte nur den Klappentext und war wirklich sehr gespannt auf Night Vale. Welcher Schreibstil einen im Buch erwartet, spiegelt sich bereits auf der ersten Seite sehr gut wider. Ein schräger Humor, Wortgewandtheit, entweder extrem lange Sätze oder auffallend kurze, dazu Wiederholungen über mehrere Sätze hinweg, die im Endeffekt alle das Gleiche aussagen, aber immer anders formuliert wurden.


    Ganz ehrlich? Mir hat es null Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Nach den ersten 50 Seiten habe ich mich bei allen möglichen Leuten darüber ausgekotzt, weil mich dieser Schreibstil so fertig gemacht hat. Mein gefühlt tausendfach wiederholter Jammer-Satz: „Man könnte dieses verrückte Buch um die Hälfte kürzen, alles wird ständig wiederholt, ich ertrage das nicht!“ Warum ich es trotzdem zu Ende gelesen habe? Ich klammerte mich immer an den Gedanken „Vielleicht wirds ja doch noch besser …“


    Und ab der Mitte wurde die Geschichte auch tatsächlich etwas besser. Ich hatte mich langsam eingefunden und wusste so ungefähr, worum es geht und wie das Buch ‚funktioniert‘. Fakt ist: In Night Vale läuft alles irgendwie verrückt und keiner der Bewohner wundert sich darüber. Die Hauptcharaktere sind die 19-jährige Jackie, die schon seit irgendwie immer 19 ist und ein Pfandhaus führt, in dem jedes Pfand den gleichen Wert hat (egal ob Auto oder Rotzfahne). Dazu kommt Diane, Büroangestellte und alleinerziehende Mutter eines Teenies, der jede Gestalt annehmen kann, die er nur will – und dies auch tut.


    Eines Tages taucht ein komischer Typ in der Stadt auf und gibt mehreren Bewohnern, darunter auch Jackie, einen Zettel mit dem Namen einer anderen Stadt – das Besondere an dem Zettel ist aber, dass man ihn nicht mehr los wird. Egal, was man mit ihm macht, er landet immer wieder in der Hand. Schließlich finden Jackie und Diane irgendwie zusammen und machen sich auf der Suche nach dieser Stadt – blöd nur, dass man Night Vale nicht so einfach verlassen kann.


    Wäre die Geschichte anders geschrieben, hätte sie mir vielleicht sogar gefallen, aber so war es für mich einfach nur ein Krampf das Ding zu lesen. Jetzt, nach meinen Recherchen, wo ich weiß, was es mit dem Podcast usw. auf sich hat, kann ich eine gewisse Genialität nicht abstreiten. Aber ich widme meine Rezension einfach mal den Lesern, die nicht wissen, was „Night Vale“ ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Buch nichts für euch ist.


    Fazit:


    Ganz einfache Ansage: Ohne Hintergrundwissen macht es keinen Spaß, dieses Buch zu lesen.


    Bewertung:


    4 von 10 Sternen

  • Willkommen in Night Vale. Der Stadt in der das Unmögliche möglich und nichts unmöglich ist. Oder auch genau umgekehrt. Wie auch immer.


    Wer sich nun über die verwirrte Wortwahl wundert, der sollte wissen, ich bin infiziert. Möglicherweise unheilbar, obwohl ich denke, dass eine Chance auf Besserung möglich ist. Angesteckt habe ich mich bei Joseph Fink und Jeffrey Cranor, die den Virus in ihrem Roman „Willkommen in Night Vale“ ausgesetzt haben. Symptome: Verwirrung, Halluzinationen, Glaubenskrisen, Gefühlschaos.


    Noch nie ist es mir so schwer gefallen die passenden Worte zu einem Roman zu finden bzw. Inhalt, eigene Reaktionen und handwerkliches Können der Autoren in eine Rezension zu packen. Grund dafür ist die Besonderheit von „Willkommen in Night Vale“. Einem Buch wie diesem bin ich zuvor noch nicht begegnet.


    „Jede Information war eine wichtige Information, selbst wenn die Gründe dafür nicht sofort ersichtlich waren. Der Grund für irgendetwas war selten sofort oder auch nur irgendwann ersichtlich, aber es gab ihn, irgendwo, so wie einen Mond war, sondern ein Stück Irgendwas, das im Nichts trudelte.“


    Ganz kurz zum Inhalt (so weit möglich): Pfandhausbetreiberin Jackie bekommt einen Zettel zugesteckt auf dem das Wort „King City“ steht. Kurz nachdem der Kunde den Laden verlässt, ist er auch schon wieder aus Jackies Gedächtnis verschwunden. Nur „King City“ bleibt in ihrem Kopf, ohne, dass sie weiß, was es bedeutet und in welchem Zusammenhang es dort gelandet ist.


    Auch Kellnerin Diane und der Gestaltwandler-Teenager Josh fühlen sich von King City angezogen. Und so kommt es, dass sich die Wege der drei genannten Protagonisten immer und immer wieder kreuzen auf der Suche nach dem geheimnisvollen King City.


    „Willkommen in Night Vale“ zu lesen ist wie eine Seefahrt bei starkem Sturm. Ein Wellengang mit etlichen Auf's und Ab's. Kein Roman hat bei mir bisher mit nur wenigen Sätzen so viele unterschiedliche Meinungen und Gefühle dazu ausgelöst.


    Es war schwer in die Welt von Night Vale hineinzukommen. Am Anfang bin ich fast verzweifelt, habe das Buch deshalb in Etappen gelesen und immer wieder zur Seite gelegt. Jedes Mal, wenn ich schon kurz davor stand aufzugeben, erfasste mich plötzlich der Sog, der die Gegenseite des schwierigen Zurechtfindens bildet. Fink und Cranor gelingt es immer wieder den Leser zu packen und mit kleinen Appetithäppchen neugierig zu machen. Nutzen die Faszination des Unerklärlichen, des Unbegreiflichen, dem Wunsch danach einer Auflösung der Geheimnisse näher zu kommen.


    An „Willkommen in Night Vale“ mochte ich besonders dieses Spiel mit Wahrnehmung, Illusion, Realität und Täuschung. Fink und Cranor zeigen, was Literatur, was fantastische Literatur kann. Alles ist erlaubt. Ein Autor kann machen, was er will, kann seiner Fantasie freien Lauf lassen. In der Fantasy dürfen Engel mit vier Beinen, die Erika heißen oder Kellnerinnen, denen Zweige mit Früchten aus dem Körper wachsen, kreiert werden. In der fantastischen Literatur gibt es (fast) keine Grenzen und das nutzen Fink und Cranor aus.


    „Damals war alles einfacher. Weil ich nicht so viele Erinnerungen hatte und die Welt deshalb nicht so überlagert war. Alles war klarer, und außerdem war ich jünger. Also, die Welt war einfacher.“


    Dass sie sich schon lange in der Welt von „Willkommen in Night Vale“ bewegen, ist deutlich zu spüren. Die Beschreibungen ihrer eigens kreierten Welt und deren abgefahrenen, skurrilen Bewohner sind detailliert und genau. Seit einigen Jahren schon arbeiten die Autoren zusammen und veröffentlichen Podcasts mit Geschichten aus der Welt von Night Vale.


    Die Schreibe der beiden Autoren ist mir zum Teil etwas abgedreht, verdeutlicht aber dieses von mir angesprochene Spiel mit Illusionen und der Realität, in das nicht nur die Protagonisten verstrickt werden, sondern auch die Leser. Im Roman gibt es etliche versteckte Anspielungen zu verschiedensten Themen, die ich definitiv nicht alle ausfindig gemacht habe.


    Anspielungen, mit denen die Autoren vielleicht auch ein bisschen provozieren wollen. „Willkommen in Night Vale“ ist ein Buch, das polarisiert. Das viele Fans finden wird, aber auch einige Leser, denen es einfach zu drüber ist. Mir hat es trotz Höhen und Tiefen als Gesamtpaket gefallen, denn ich finde es gut, dass die Autoren aus den Vollen ihrer Fantasie geschöpft und einen Roman geschrieben haben, wie er mir zuvor noch nicht begegnet ist.