Klappentext
Der biblische Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde, ist vom Menschen geschaffen. Nach dem eigenen Bild und den eigenen Bedürfnissen. Wie sich diese im Lauf der Zeit wandelten, so hat sich auch Gott gewandelt. Immer wieder und radikal. Mit umfassender Kenntnis erläutert Walter Wippersberg, wie zwei große Religionen entstanden, die jüdische und die christliche. Er räumt Mystifikationen und Dogmen-Schutt beiseite und öffnet den Blick auf eine nachvollziehbare historische Entwicklung. Die Existenz von Gott Jahwe und Jesus verleugnet er keineswegs. Es gibt sie: in den heiligen Büchern als literarische Gestalten. Sie existieren in den Köpfen ihrer Anhängerschaft - und von dort wirken sie in die Welt hinaus. In seinem Essay zeigt Walter Wippersberg religionsgeschichtliche Zusammenhänge auf, die sich sonst nur dem erschließen, der eine unüberschaubare Menge an Fachliteratur zu studieren bereit ist. Für manche ist das Ergebnis eine Provokation. Aber vor allem ist dieses Buch für jene, die lieber verstehen wollen, anstatt einfach zu glauben.
Wie es mir gefallen hat
Walter Wippersberg denkt nach über einen Gott, an den er nicht glaubt, und das Ergebnis dieser Betrachtungen ist ein ausgesprochen lesenswertes und informatives Buch. Der Autor behandelt den "lieben Gott" als literarische Figur, und so bleibt er auch an dieses Medium gebunden. Schon der alttestamentarische Gott beginnt seine "Karriere" nicht als Schöpfergott, wie man aus der Genesis schließen könnte, sondern als Gott der Patriarchen. Damals, etwa 1800 Jahre vor unserer Zeitrechnung, war er noch relativ milde, doch musste er sich mit den Bedürfnissen seiner Menschen verändern, bis schließlich der blutrünstige und kriegerische Gott Jahwe aus ihm geworden war, ehe er im Christentum vollends in unerreichbare Fernen entrückt wurde. Die philosophischen Betrachtungen über den "lieben Gott", bei denen ihn der Autor selbst zu Wort kommen läßt, haben mir zwar nicht so gut gefallen, aber sie lockern die sehr wissenschaftliche Atmosphäre doch etwas auf.
Walter Wippersberg befasst sich aber nicht nur mit dem alttestamentarischen Gott, sondern zeigt auch, wie weit der Weg des Christentums zu einer Weltreligion war, der durchaus nicht geradlinig verlief. Es kann keine Rede sein von einer Religion wie aus einem Guss, wie das die Amtskirche gerne darstellt, und oft entschied auch nur der Zufall (bzw. die Politik) über die Machtentfaltung des Christentums. Der Autor beschäftigt sich in seinem Buch aber auch mit der Geschichte des jüdischen Volkes, die er anhand der alttestamentarischen Texte aufrollte, den Jenseitsvorstellungen der Christen, mit dem Auftauchen von Teufel, Hölle und Fegefeuer und nicht zuletzt mit der extremen, oft schon pathologisch anmutenden Einstellung mancher Kirchenväter zur Sexualität. Schließlich kommen noch einige Philosophen mit ihren Aussagen zum Christentum zu Wort, ehe sich der "liebe Gott" noch einmal Gedanken über seine eigene Zukunft machen darf. Sicher spielt bei der lesbaren Aufbereitung dieser jahrelangen Recherchen auch das erzählerische Talent des Autors eine wichtige Rolle, sodass es trotz der ernsten Thematik immer wieder auch humorvolle Betrachtungsweisen gibt.
Mir persönlich hat sehr gut gefallen, wie umsichtig Walter Wippersberg an ein relativ heikles Thema herangeht, gläubigen Lesern würde ich aber nicht unbedingt zu dieser Lektüre raten wollen.