Alex Perry: In Afrika. Reise in die Zukunft
Verlag: S. FISCHER 2016. 544 Seiten
ISBN-13: 978-3100001931. 24,99€
Originaltitel: The Rift
Übersetzer: Michael Bischoff
Verlagstext
Der vielfach ausgezeichnete Journalist Alex Perry reiste als Auslandskorrespondent vom „Time Magazine“ über sieben Jahre durch Afrika und schrieb „In Afrika: Reise in die Zukunft“ – eine literarische, hervorragend recherchierte und ganz und gar verblüffende Geschichte des neuen Afrika. - Perry beschreibt ein Afrika, das sich in einer Phase geradezu wütender Selbstbehauptung befindet. Auf seiner Reise traf er Unternehmer und Warlords, Professoren und Drogenschmuggler, Präsidenten und Dschihadisten und ermöglicht uns so einen ebenso eindringlichen wie facettenreichen Blick auf das moderne Gesicht Afrikas. Um sich letztendlich befreien zu können, muss Afrika – so Perry – den Islamisten, Diktatoren und Entwicklungshelfern die Stirn bieten. Für Leser von Henning Mankells Sachbüchern über Afrika und „Kongo: Eine Geschichte“ von David Van Reybrouck.
Der Autor
Alex Perry ist ein vielfach ausgezeichneter Auslandskorrespondent, über ein Jahrzehnt berichtete er als Büroleiter des „Time Magazine“ aus Afrika, inzwischen schreibt er für „Newsweek“. Geboren in den USA und aufgewachsen in England, arbeitete er über fünfzehn Jahre in Asien und Afrika, berichtete aus mehr als hundert Ländern und von mehr als dreißig Kriegen. In Simbabwe kam er für mehrere Tage ins Gefängnis; seine Recherchen über die Enthauptungen durch Boko Haram wurden vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Beweismittel herangezogen.
Inhalt
Wer sich mit dem Thema Afrika beschäftigt, muss zunächst akzeptieren, dass kein einheitliches Afrika existiert, sondern eine Vielzahl von Staaten mit individueller Geschichte, die jeder wiederum aus einer großen Anzahl einzelner Stämme, Kulturen und Religionen bestehen. Diese Aufsplitterung vollzieht Alex Perry mit der Darstellung einzelner aus den Medien vertrauter Konflikte z. B. im Sudan, in Uganda, Ruanda, Simbabwe, Südafrika, Mali und Nigeria. Wie jeden Afrikabesucher treibt auch Perry die Frage vorwärts, warum in Afrika noch immer Menschen von Hilfsgütern abhängig sind, während quasi in ihrer Sichtweite fruchtbares Weideland ungenutzt bleibt. Beispiele für ineffektive Projekte gibt es zuhauf, um deren Fortführung sich niemand kümmert, weil in der Planung bereits zu europäisch oder amerikanisch gedacht wird. Aus diesem Grundkonflikt, der inzwischen die dritte Generation von Helfern wie Kritikern der „Entwicklungshilfe“ umtreibt, ergeben sich Fragen danach, wie Armut und Hunger entstehen, wem Hilfsprojekte nützen, wo die Gelder landen, warum die Helfer/Geberländer Teil des Problems sind – und welche Interessen speziell die USA in Afrika verfolgen. Die Entwicklungshilfe-„Industrie“ beschäftigt weltweit mehr Mitarbeiter als die Erdöl- und Erdgasindustrie. Laut Perry lösen NGOs selten Probleme, sondern befassen sich mit Projekten, für die viele Spenden zu erwarten sind. Die Infrastruktur, die für ausländische Hilfskräfte zunächst vor Ort finanziert werden muss, wird die Mehrheit neutraler Beobachter an Sinn und Wirtschaftlichkeit von Hilfsprojekten zweifeln lassen. Der Zusammenhang zwischen Hilfsaktionen, dem politischen Einfluss charismatischer Lobbyisten und durch Hilfsorganisationen herbei gerechnete Krisen zur Rechtfertigung ihrer eigenen Existenz war mir in dieser Form neu – auf den Zusammenhang muss man erst gestoßen werden. Perry äußert sich äußerst kritisch zu Eigen-Interessen von Hilfs-Organisationen und deren Mitarbeitern. Ebenfalls kritisch blickt er auf die vorgebliche Kriegführung der USA gegen Terror auf afrikanischem Boden, die Terror erst hervorbringe. Als In den USA geborener und als Brite sozialisierter Journalist fragt der Autor, was gerade die Amerikaner qualifiziere, anderen Nationen ihre Werte aufzwingen zu wollen. Besonders interessant war für mich die Erklärung am Beispiel Nigerias, wie die Verweigerung von Bildung religiös gerechtfertigt werden kann.
Perry setzt sich am Beispiel von Kagame und Mugabe intensiv mit prominenten Köpfen afrikanischer Zeitgeschichte auseinander. Einige der von ihm zusammengetragenen Facetten sind bekannt, wie die fatale Kleptokratie, wenn ehemalige Freiheitskämpfer ein altes System absetzen, um anschließend ihren Staat umgehend zur eigenen Bereicherung auszubeuten. Perry erklärt die Probleme afrikanischer Staaten mit dem Bild des Grabens, mit dem er sowohl ein Auseinanderdriften von Europa und Afrika abbildet, von Arm und Reich, von gebildet und nicht gebildet, Wüste und Ackerland oder als ethnische Spaltung zwischen Stämmen unterschiedlicher Kulturen. Voraussetzung für eine gesellschaftliche Spaltung sei stets eine schwächelnde Wirtschaft; von jeder Spaltung profitierten in erste Linie korrupte Eliten, so der Autor. Letztlich landet man immer wieder beim Erbe der Kolonialherren, die irgendwann einmal Staaten willkürlich zusammenwürfelten, deren Stämme die Zwangsvereinigung jedoch bis heute nicht nachvollzogen haben. Wichtiger Punkt in seinen Ausführungen sind Investitionshindernisse wie fehlender Privatbesitz an Land und Gebäuden mit folglich fehlenden Eigentumsrechten. Die „Hilfe“ bei gleichzeitiger Ausbeutung von Bodenschätzen durch chinesische Investoren sieht Perry unkritisch, obwohl sie sich m. A. vom Handeln ehemaliger europäischer Kolonialherren nicht unterscheidet. Ein Ausblick auf das Afrika der Zukunft, in dem Afrikaner Anwendungen für afrikanische Bedürfnisse entwickeln und vermarkten, schließt den über den afrikanischen Kontinent hinweg geschlagenen großen Bogen seiner Reportagen und legt zugleich das Bild vom mittellosen Afrikaner zu den Akten.
Fazit
Perry setzt sich u. a. schwerpunktmäßig auseinander mit der Beziehung zwischen den USA und Afrika. Wie viel Nutzen Leser aus seinen Ausführungen ziehen, hängt stark von den Vorkenntnissen zum Thema ab und ob man aus seiner Perspektive Nutzen ziehen kann.
8 von 10 Punkten