Vom Ende der Einsamkeit
Benedict Wells
Diogenes
ISBN: 978-3257069587
368 Seiten, 22 Euro
Über den Autor: Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Sein vielbeachtetes Debüt „Becks letzter Sommer“ erschien 2008 und wurde 2015 fürs Kino verfilmt. Sein Roman „Fast genial“ (2011) stand wochenlang aus der Spiegel-Bestsellerliste.
Handlung: „Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind: Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.“
Jules und seine Geschwister Marty und Liz sind grundverschieden, doch ein tragisches Ereignis prägt alle drei: Behütet aufgewachsen, haben sie als Kinder ihre Eltern durch einen Unfall verloren. Obwohl sie auf dasselbe Internat kommen, geht jeder seinen eigenen Weg, sie werden sich fremd und verlieren einander aus den Augen. Vor allem der einst so selbstbewusste Jules zieht sich immer mehr in seine Traumwelten zurück. Nur mit der geheimnisvollen Alva schließt er Freundschaft, doch erst Jahre später wird er begreifen, was sie ihm bedeutet – und was sie ihm immer verschwiegen hat…
Meine Meinung: Bereits nach ganz wenigen Seiten wusste ich, dass ich ein ganz besonderes Buch in den Händen hielt; ein Buch, das durch die Magie seiner Sprache intensiv berührt und das schon jetzt das Zeug hat, zu meinem Jahreshighlight zu werden. Die Beschreibung zu Jules und seinen Geschwistern streift das Wesentliche meiner Meinung nach nur und es zeigt sich, dass es schwer ist, in ein paar wenigen Sätzen dem gerecht zu werden, was dieses Buch ausmacht.
Jules, der Erzähler blickt zurück auf seine Kindheit. Der Unfalltod der Eltern teilt sie auf in ein „Davor“ und ein „Danach“ und macht sie zu den einsamsten Geschwistern der Welt, wie es sein Bruder Marty Jahre später in einem anderen Zusammenhang fast scherzhaft erwähnt. Jedes der Kinder muss seinen eigenen Platz im Leben finden und Jules beobachtet sie und sich selbst rückblickend dabei.
Jeder leidet auf seine Weise und jeder geht anders mit dem Geschehenen um, doch die Narben tragen alle gemeinsam. Besonders Jules kommt mit dem Abschied vom Vater nicht zurecht.
Zitat: „Ich habe später dem „Ich hasse dich“ nie mehr etwas hinzufügen können, und so blieb es das Letzte, was ich meinem Vater vor seinem Tod sagte.“
Es sind solche oft kurzen Sätze, die seine Einsamkeit und seinen Verlust deutlich machen und es gibt eine Menge davon. Jeder bringt sein Leid auf den Punkt – jeder berührt. Trotzdem gleitet der Erzähler nicht in banales Jammern oder Selbstmitleid ab. Er erzählt ruhig und blickt fast philosophisch auf die Vergangenheit und die Gegenwart, die aus dieser hervorging.
Neben der Auseinandersetzung mit der Einsamkeit und dem Verlust, geht es aber auch um eine ganz große Liebesgeschichte, die ohne Kitsch und Klischees auskommt und dennoch zu Tränen rührt.
Ich habe die Angewohnheit, bei jeder Stelle eines Buches, die es sich meiner Meinung nach zu zitieren lohnt, ein ganz winziges Eselsöhrchen in die obere Ecke einer Seite zu falten – dieses Buch hat unzählige davon…
Mein Fazit: Ein wundervoller und stark erzählter – ein ganz großer Roman.