Der Kodex des Archimedes - Reviel Netz / William Noel

  • Worum es geht
    Im Oktober 1998 wird im Auktionshaus Christie's in New York ein Gebetsbuch aus dem 13. Jahrhundert um die unglaubliche Summe von 2,2 Millionen Dollar an einen privaten Bieter versteigert. Die Handschrift, die sich in einem sehr schlechten Zustand befindet, hat diesen Preis aber nur deshalb erzielt, weil man wusste, dass es sich um ein Palimpsest handelt. Das ist ein Pergament, dessen Oberfläche abgeschabt wurde, um den ursprünglichen Text auszulöschen und das Blatt neuerlich zu beschreiben. Im Falle des Gebetsbuches war also der kaum noch lesbare, darunter zum Vorschein kommende Text für die Forschung von höchstem Interesse, da es sich um die Gedanken des wohl berühmtesten Mathematikers des Abendlandes, des Archimedes aus Syrakus handelte. Der neue Besitzer des Kodex, der jedoch anonym bleiben wollte, stellte das Buch der Wissenschaft zur Verfügung, und so begann die überaus spannende Entschlüsselung dieses Palimpsests aus dem 10. Jahrhundert. Mit modernsten bildgebenden Verfahren wurde der Text sichtbar gemacht und nachgewiesen, dass Archimedes nicht nur den Grundstein für die Infinitesimalrechnung und die Wahrscheinlichkeitstheorie gelegt hatte, sonder dass er auch mit dem Begriff der Unendlichkeit in der Mathematik operierte, was bisher für die griechischen Mathematiker nicht angenommen wurde.


    Wie es mir gefallen hat
    Ich fand das Buch sehr interessant, obwohl ich von den mathematischen Überlegungen des Archimedes so gut wie nichts verstanden habe. Die Ersteigerung des Kodex wurde jedoch sehr spannend geschildert, und der Leser will unbedingt mehr über das wechselhafte Schicksal des Buches erfahren. Die Entschlüsselung des Palimpsests war ebenfalls sehr kompliziert und verwirrend, wobei Uwe Bergmann mit seiner Röntgenfluoreszenztechnik die besten Erfolge erzielte.
    Jedenfalls ein sehr lesenswertes Buch, wenn der Leser keine Berührungsängste mit der Mathematik hat und auch nicht alles bis ins letzte Detail verstehen will. Einmal mehr hat mir diese Lektüre vor Augen geführt, von welch unglaublichen Zufällen es abhing, ob ein Werk aus der Antike die Zeit überdauerte, und es bis in die Gegenwart schaffte. Wie viele kostbare Schriften unwiederbringlich verloren gingen, mag man sich gar nicht ausmalen.