Unicorns don’t swim. Erzählungen
Hrsg. Antje Wagner u. a.
Verlag: AvivA 2016. 256 Seiten
ISBN-13: 978-3932338823. 14,90€
Vom Verlag empfohlenes Alter: ab 14 Jahre
Verlagstext
Spannend, witzig, skurril, melancholisch und überraschend: 22 Geschichten zeigen Mädchen, die gängige Vorurteile und Geschlechterrollen durchbrechen. Die jungen Protagonistinnen befinden sich im Spannungsfeld zwischen den Lebensentwürfen ihrer Umgebung und ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen. In den Erzählungen haben Kinder mit der sexuellen Orientierung ihrer Eltern sehr viel weniger Probleme als diese selbst, verliebt sich eine junge Frau in die beste Freundin, fällt ein Mädchen durch eine Zeitfalte ins Mittelalter und boxt sich durch – und es tauchen Einhörner auf, die keine "fluffigen, pinken Plüschtiere" sind.
Die Herausgeberin
Antje Wagner, 1974 in Lutherstadt Wittenberg geboren, schreibt Romane für Erwachsene und Jugendliche, "Unland" (2009), "Schattengesicht" (2010) und "Vakuum" (2012) – und lebt in Hildesheim und Potsdam. Sie wurde u.a. mit dem ver.di Literaturpreis, dem Feuergriffel und dem Lesekompass der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" nahm sie 2012 in den Kanon der 20 besten deutschsprachigen AutorInnen unter 40 Jahre auf.
Inhalt
Das Coverfoto der Anthologie des AvivA Verlags zeigt eine selbstbewusst und erwachsen wirkende Skaterin. Ihre Haltung vermittelt die Hoffnung, dass hier Frauen-Figuren auftreten könnten, die mehr wollen als sich zu stylen und auf den Märchenprinzen zu warten. Die Kurzgeschichten-Sammlung tritt mit dem ehrgeizigen Ziel an, Geschlechterstereotype im Kopf der Leser aufzuspüren und ihre Entstehung zu verdeutlichen. 16 Autorinnen setzen sich mit Rollenerwartungen auseinander und schaffen die starken Frauenfiguren, die sie selbst sich in der Literatur wünschen.
Kurzgeschichten schneiden wie aus einem Kuchen ein Stück Realität aus, um anschließend Leser des Texts mit einem unerwarteten Ereignis zu verblüffen. Beim Lesen macht es hier förmlich Klick, wenn der Schalter einrastet und man sich eigener Denkfallen bewusst wird. Die literarischen Kostproben wecken Neugier auf weitere Werke der Beteiligten.
Aufs Korn genommen werden das Anderssein aus unterschiedlichsten Blickwinkeln, Zuschreibungen von außen, was als männlich oder weiblich definiert wird, Übergänge in der persönlichen Entwicklung. Zwischenwelten zeigen sich z. B. im erlebten Entgleiten des eigenen Körpers in der Pubertät oder in Momenten des Erkennens. Antje Wagner wünscht in der Literatur mehr dieser Zwischensituationen und damit mehr Identifikationsmöglichkeiten für Jugendliche. Sophie Micheell fordert für jeden Menschen die freie Wählbarkeit einer Rolle in der Gesellschaft, ohne dass sie von außen aufgezwungen wird. Themen der Kurzgeschichten sind neben der Genderfrage und dem Finden des eigenen Weges auch Krankheit, Selbstmord, Abschied, Gewalt. Was wäre, wenn alle sportlich sind, nur du nicht? Was wäre, wenn du ein Mädchen triffst, in dessen bisherigem Leben Frauen nicht auf die Straße gehen und schon gar keinen Sport treiben durften?
Im biografischen Anhang reflektieren die Autorinnen im O-Ton ihr Schreiben und dessen Verknüpfung mit der Genderfrage. Mehrere Autorinnen setzen sich darin mit literarischen Figuren auseinander, die sie geprägt haben. Wenn bisher diesen Autorinnen alternative Rollenentwürfe in der Jugendliteratur gefehlt haben, wie Kathrin Schrocke betont, sind sie selbst mit ihren Beiträgen nun auf dem besten Wege, daran etwas zu verändern.
Außer der als Autorin preisgekrönten Antje Wagner haben z. B. Corinna Waffender, Kathrin Schrocke und Tania Witte bereits Romane veröffentlicht, Anja Kümmel und Claudia Schuster schrieben Science Fiction Romane, Ingrid Annel arbeitet an einer Zeitreisegeschichte für Jugendliche.
Fazit
Der AvivA-Verlag ist bisher noch nicht mit Jugendliteratur hervorgetreten. Mit der Altersempfehlung ab 14 erscheint nun eine Anthologie, deren Texte nicht alle gezielt für Jugendliche geschrieben wurden. Der Band wirkt nicht ganz rund, weil Texte bei jugendlichen und erwachsenen LeserInnen unterschiedlich funktionieren (Beispiel Humor). Eine Kurzgeschichtensammlung, die nicht nur Drache und Einhorn aufs Spielfeld schickt, sondern ihren LeserInnen die andere Hälfte des Mondes zeigen kann.
8 von 10 Punkten