Der italienische Geliebte - Judith Lennox

  • Worum es geht
    Die Schwestern Tessa und Freddie Nicolson sind durch das unstete Künstlerleben ihres früh verstorbenen Vaters in den 1930-er Jahren in Italien aufgewachsen. Als sich die 17-jährige Tessa zum ersten Mal verliebt, werden die beiden Mädchen nach England zurückgeschickt.
    Tessa kann sich als erfolgreiches Mannequin etablieren und führt ein aufregendes gesellschaftliches Leben, während ihre jüngere Schwester Freddie nach dem Ende der Schulzeit als Zeitungsredakteurin Arbeit findet.
    Als sich Tessa auf eine Affaire mit einem verheirateten Schriftsteller einlässt, endet ihr sorgenfreies Leben in einer persönlichen Katastrophe. Die junge Frau kehrt nach Italien zurück, wo sie einen neuen Anfang wagen will. Mittlerweile ist Tessas Wahlheimat aber auf Seiten Deutschlands in den Krieg eingetreten, und das Sehnsuchtsland ist kein sicherer Hafen mehr für eine Engländerin.


    Wie es mir gefallen hat
    Auf der Suche nach geeigneter Lektüre für einen langen Sticknachmittag ist mir dieser Roman von Judith Lennox, von der ich noch nie etwas gelesen habe, als Hörbuch in die Hände gefallen. Die beiden englischen Schwestern waren mir gleich sympathisch, und so bin ich ihnen gerne vom sonnigen Süden in den Nordwesten Europas gefolgt.
    Im Laufe des Romans entwickeln sich drei interessante Frauenfiguren, die lebenslustige Tessa, ihre bodenständige Schwester Freddie und Tessas Rivalin Rebecca, die Ehefrau ihres Geliebten Milo. Während Tessa und Rebecca Anfang und Mittelteil der Geschichte dominieren, entfaltet sich Freddies Charakter, die zu Beginn als jüngere Schwester noch etwas blass wirkt, erst nach und nach.
    Tessas leidenschaftliche Hingabe konnte ich genauso gut nachvollziehen wie den Kummer, den sie Rebecca durch die Affaire mit Milo bereitet hat. Betrogene Ehefrau wie Geliebte werden weder als Heilige verklärt, noch als Hexe verteufelt, sondern wie ganz normale Frauen in ihrem jeweiligen Lebensumfeld mit ihren Fehlern, Sorgen und Ängsten dargestellt.
    Rebeccas unüberlegte, oft hysterisch anmutende Reaktionen sind durchaus nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die Ehe damals für viele Frauen der einzige Lebenssinn war. Ein Scheitern wurde sicher immer als Niederlage empfunden, in Rebeccas Fall erschwerte die politisch und wirtschaftlich unsichere Zeit den Aufbau einer neuen Existenz noch zusätzlich. Ihre Entwicklung zu einer gereiften Persönlichkeit, die ebenfalls ihre Bestimmung findet, hat die Autorin meiner Meinung nach sehr gut herausgearbeitet.
    Mit Interesse und Anteilnahme habe ich aber auch Freddies Lebensweg verfolgt. Aus dem unscheinbaren Mädchen wird im Laufe des Romans eine selbstbewusste junge Frau, der meine ganze Sympathie gehörte. Freddie wollte zwar nie in Italien leben, und doch sollte der letzte Besuch bei ihrer Schwester erst Jahre später richtungsweisend für sie werden. Diese Konstruktion kann man nun durchaus als etwas zu weit hergeholt betrachten, richtig störend habe ich sie dennoch nicht empfunden.
    Männliche Akteure treten zwar sehr zahlreich auf, müssen sich aber eher mit Statistenrollen bescheiden. Ihnen wird nur soweit Aufmerksamkeit zuteil, als sie dazu dienen, die Handlung voranzutreiben.
    Gut gefallen hat mir auch der historische Rahmen, in den Judith Lennox ihre Geschichte einbettet, und dabei viel Gespür für einen realistisch wirkenden Hintergrund ihrer Figuren beweist. So glamourös Tessas Leben als Fotomodell damals auch gewesen sein mag, im Vergleich zum heutigen Jetset wirkt es geradezu gut bürgerlich, dafür aber umso glaubwürdiger. Und auch ihr Engagement im Krieg passt meiner Ansicht nach gut ins Gesamtkonzept.
    Einziger Wermutstropfen war die große Personenanzahl im Dunstkreis der drei Hauptfiguren, sodass trotz der Leichtigkeit der Lektüre ein relativ hohes Maß an Konzentration beim Zuhören erforderlich war.
    Vom erzählerischen Talent der Autorin überzeugt, werde ich mir wohl noch das eine oder andere ihrer Bücher beim Sticken vorlesen lassen.
    Juliane Köhlers Stimme empfand ich als äußerst angenehm, und ich habe das Hörbuch vom Anfang bis zum Ende sehr genossen.