'Und sie werden nicht vergessen sein' - Seiten 553 - 653

  • So aber jetzt :-)


    Der Cliffhanger ist gelöst.... Doris und Rehan sind durch die Bombe gestorben :cry
    Da war ich schwer am Weinen, die hatten es ja nun wirklich nicht verdient....


    Eva trifft auf Arman und beschliesst, dass das ihrer ist, weil sie ja auch gefoltert wurde. Und dann verliert ihre Tochter ja auch nur die neue Mama und nicht auch noch den Vater, den Eva ja eh nicht liefern kann. Eva schafft es tatsächlich bei jedem Auftritt noch unsymphatischer zu werden. Irgendwie ist bei ihr viel mehr als nur das körperliche bei der Gestapo kaputt gegangen.


    ARman kommt mit Eva zurück, hat es gerade noch so geschafft.
    Einerseits ist mir schon klar, dass Eva ihr Kind zurück will, aber andereseits geht es Chaja doch gut bei den Artsrunis..... Ich bin da echt hin und her gerissen.....
    Vor allem kann Chaja ja auch Eva nicht leiden.
    Was mich verwundert hatwar, dass Dr. Greenstein nicht einmal das Gespräch mit Chaja sucht. Irgendwie verhandeln alle über sie, als wäre sie ein Ding, das keine Meinung hat. (Ja, ich weiss, dass Kinder damals noch anders behandelt wurden, aber gerade bei Arman und Amarna hätte ich anderes erwartet.)


    Und dann stirbt Bülent. Nicht vor der Zeit und in Armans Armen, aber trotzdem traurig....

  • Das hab ich am Nil geschrieben, Buelents Tod. Da hab ich am Nil gesessen, mit meinem Buelent und geheult.


    Ich bin auch hin und hergerissen. War es bei so gut wie jedem einzelnen Fall, den ich kennengelernt habe. Es ist eine völlig unmögliche Entscheidung, finde ich: Eltern das Kind noch länger entziehen, das sie durch Barbarei verloren haben, ist unmenschlich. Kinder, die sich mühsam in neue Familien eingelebt haben, von neuem herausreissen, ist auch unmenschlich.
    Und an der ganzen Unmenschlichkeit sind die, die sie durchmachen muessen, nicht schuld.


    Unter den Fällen, die ich nicht durch eigene Interviews (da waren alle Herkunftsfamilien ausgelöscht, die Wahl eines Wiedersehens gab es nicht), aber durch Dokumente kennengelernt habe, war der eines Jungen, dessen Integration in eine liebevolle englische Pflegefamilie (mit einem eigenen Sohn) sehr glücklich verlief und dessen Eltern versteckt in Frankreich überlebt hatten. Dieser Junge war ein junger Teenager, als der Krieg endete, und er wollte nicht zurück. Seine Pflegeeltern - denen es alles zerrissen hat - haben dann sehr behutsam sich darum bemüht, den Jungen fuer ein Treffen in Frankreich vorzubereiten - sie fuhren mit ihm hin, blieben länger mit ihm da, und letzten Endes ist er zu seiner Familie zurückgekehrt. Da sind auch Leben zerrissen worden, man kann so etwas nicht flicken, aber dort ist mit viel Liebe und bewundernswerter Kraft ein fuer alle guter Weg beschritten worden.

  • Zitat

    Original von Charlie
    Unter den Fällen, die ich nicht durch eigene Interviews (da waren alle Herkunftsfamilien ausgelöscht, die Wahl eines Wiedersehens gab es nicht), aber durch Dokumente kennengelernt habe, war der eines Jungen, dessen Integration in eine liebevolle englische Pflegefamilie (mit einem eigenen Sohn) sehr glücklich verlief und dessen Eltern versteckt in Frankreich überlebt hatten. Dieser Junge war ein junger Teenager, als der Krieg endete, und er wollte nicht zurück. Seine Pflegeeltern - denen es alles zerrissen hat - haben dann sehr behutsam sich darum bemüht, den Jungen fuer ein Treffen in Frankreich vorzubereiten - sie fuhren mit ihm hin, blieben länger mit ihm da, und letzten Endes ist er zu seiner Familie zurückgekehrt. Da sind auch Leben zerrissen worden, man kann so etwas nicht flicken, aber dort ist mit viel Liebe und bewundernswerter Kraft ein fuer alle guter Weg beschritten worden.


    Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es durchaus auch eine Chance war. Er wird ja vermutlich nicht den Kontakt zu seinen Pflegeeltern abgebrochen haben? So eine Wiederannäherung nach langer Zeit, vor allem wenn ein Kind im Teenageralter ist, wo eh alles umbricht, ist wohl für alle nicht einfach. Aber wenn jeder der Erwachsenen es schafft auch mal nen Schritt nach hinten zu machen und sich zurück zu nehmen, kann sowas klappen. Für alle gut klappen. Und vielleicht auch Freundschaften schaffen.
    In dem Fall hier ist Eva aber so egoistisch, dass sie Arman und Amarna ja überhaupt nichts gönnt, nicht mal ein Kind, das ja nicht mal ihr eigenes ist.
    Das kann ja nicht funktionieren.....

  • Stimmt, Streifi. Zwischen den beiden Familien bestand eine enge Verbindung über Länder hinweg bist zum Tod. Und soweit man es der erhaltenen Dokumentation (einschliesslich oral records) entnehmen kann, haben das alle als Bereicherung empfunden.
    Das nimmt den Schmerz nicht weg, heilt nicht, tröstet und lindert aber. (Denke ich.)

  • Unbedingt. Zudem ist, denke ich, das Gefuehl, ein Leben gerettet zu haben, bis zum Ende ein Meilenstein, der reich macht. Ich habe keine Gespräche mit Überlebenden führen können, bei denen das Pflegeverhältnis unglücklich war. Bei den dreien, die ich sprechen durfte, war es zwar nicht unproblematisch, aber unter dem Strich glücklich, und die Dankbarkeit, die die "Kinder" (sie nennen sich ja bis heute so) ihr ganzes Leben hindurch fuer ihre Pflegeeltern empfinden, überlagert alles - ich zumindest habe so etwas in keinem anderen Lebensbereich je erlebt.

  • Schade um Doris und Rehan, Die Szenen im Bunker sind schon eindrucksvoll.


    Bülent wird immer schwächer und stirbt. Arman vergisst die Rituaje nicht. Beide Szenen mit den armenischen Totengebet für Rehan und wie er Bülent in den Armen hält sehr berührend.


    Eva und Arman treffen in Frankreich aufeinander. Evas schmiedet einen Plan beide, Arman und Chaia, zu bekommen. Klar wurden Eva und Arman gefoltert und da gibt es schon eine Verbindung. Eva ist doch sehr egoistisch. Der letzte Satz von Hagen sprach ja Bände, auch, dass nicht nachgefragt hat, wer ihr Retter in Paris heißt.


    Ich fand es schon eigenartig, daß Chaia mit Eva nicht warm wird.


    Im Krieg wurden Berliner Kinder aufs Land geschickt. Meine Schwiegermutter hat heute noch Kontakt zu ihrer Gastfamilie in Oberösterreich.

  • Danke, dass du das erwähnt hast, Jusch - damit bist du in allen Leserunden die erste.
    Eva ist fuer so viele Dinge als unsympathisch bezeichnet worden, fuer die ich sie verstehe und fuer die sie mir leidtut, aber DAS macht sie mir unsympathisch - dass sie die Hilfe der Resistance-Leute selbstverständlich hinnimmt, sich nicht bewusst macht, dass diese ihr Leben riskieren und es nicht einmal fuer nötig hält, sich die Namen zu merken. (Ich hab ein ganz schreckliches Namengedächtnis, aber das behält man, oder?)


    Danke auch fuer deine lieben Worte zu Bülents Tod. Die Szene würde ich gern heute Abend in Leipzig, wo ich ja eine Liebesszene lesen soll, lesen, aber ich fürchte, das ist wieder eine von meinen Liebesszenen, von denen der Rest der Welt sagt, es ist keine.


    Für mich ist das meine schönste Szene.


    Ich hab die am Nil geschrieben. In diesem stillen Abendlicht am Nil.

  • (Wollte von dem Abend am Nil ein Bild einstellen, ging aber nicht, stelle es stattdessen in meinem Blog, aber wohl erst heute Nacht aus dem Hotel, da wir recht bald in Leipzig ankommen.)

  • Zitat

    Original von jusch
    Im Krieg wurden Berliner Kinder aufs Land geschickt. Meine Schwiegermutter hat heute noch Kontakt zu ihrer Gastfamilie in Oberösterreich.


    Mein Papa wurde noch Ende 44 Kinderland verschickt. Er hätte schon früher aus Breslau weg sollen, allerdings hat sich meine Oma geweigert ihr Kind nach Osten in Richtung Front zu schicken. Daher kam er dann ins Erzgebirge in einen Ort Namens Himmelreich.... Erinnerungen hat er so gut wie keine, auch an Breslau nicht. Die Flucht durch halb Europa hat da vieles gelöscht.


  • Für mich ist das auch absolut eine Liebesszene und eine wunderschöne, wenn auch traurige dazu.

  • Danke, dass ihr die Geschichten eurer Eltern teilt.
    Dass die Erinnerung völlig verloren geht, ist vielleicht auch ein Schutzmechanismus, wer weiss.
    Auch bei den Gesprächen mit Menschen, die als Kinder Bombennächte überlebt haben, sind mir solche Erinnerungslücken stark aufgefallen. Wir haben uns auch darüber unterhalten, dass vor allem Bedrohung, die einem als Kind unverständlich ist, verdrängt werden muss.
    Vermutlich verwandelt die sich dann in unerklärliche Alpträume.

  • Ich vermisse Paul ;-( ich hoffe wir hören nochmal von ihm.


    Eva ist mir nur gänzlich unsymphatisch, sie ist absolut egoistisch, sie denkt wirklich nur an sich und nicht an ihre Mitmenschen. Sie verspürt nicht den geringsten Dank gegenüber den Menschen die sie retten, noch denen die ihre Tochter gerettet haben. Nein, sie will sogar um jeden Preis erzwingen das Arman und Chaja ihr gehören. :schlaeger Was andere Menschen wollen oder möchten interressiert sie nicht im geringsten.


    Doris, Rehan und Bülent sind nun nicht mehr dabei, da musste ich auch ein paar Tränchen vergießen.


    Ich bin jetzt sehr gespannt wie du, liebe Charlie, dies nun zu Ende bringst :knuddel1

  • Zitat

    Original von Eliza08


    Sie verspürt nicht den geringsten Dank gegenüber den Menschen die sie retten, noch denen die ihre Tochter gerettet haben.


    Liebe Eliza, an dieser Stelle stimme ich dir ohne Wenn und Aber zu. Ich habe oft den Drang verspürt, Eva zu verteidigen (hab mir aber Mühe gegeben, es nicht zu tun) oder ihr Verhalten zumindest zu erklären, dafür zu werben, dass man mit dem, was sie hinter sich hat (zerstörtes Weltvertrauen, nennt es Jean Amery, den ich fuer die verlässlichste und eindrücklichste Quelle zu diesem Thema halte), nicht mehr mit gewöhnlichen Maßstäben gemessen werden kann, aber dass sie sich nicht einmal die Namen der Menschen, die ihr Leben fuer sie riskieren, gemerkt hat, kann ich ihr auch nicht verzeihen.
    Jean Moulin, Missak und Melinee Manouchian und die, die mit ihnen kämpften und starben, sind mir so nahegegangen (ich muss mir wirklich Mühe geben, nicht zu schreiben: "habe ich so liebgewonnen" - mir kommt es vor, als würde ich sie kennen), dass ich ihnen ein eigenes schreibe.
    Leo Ferres Lied "L'affiche rouge" habe ich hier schon empfohlen, oder? Bitte anhören! Es enthält einen Teil des Original-Abschiedsbriefes von Missak Manouchian an seine Frau Melinee. Wenn jemand interessiert ist und nicht französisch liest, kann ich sehr gern meine Übersetzung einstellen (sie steht auch in meiner Pimm's Party). Es gibt wenige Dokumente, die mich während der Recherche so sehr erschüttert haben.
    Den Film "L'armee du crime" von Robert Guediguian empfehle ich auch allen, die sich fuer das Thema interessieren. Ich habe zum Gesamtthema französische Resistance keinen einzigen so unerträglich guten Spielfilm gesehen.


    Dass das Leben dieser Menschen, die einem Genozid entronnen sind, zerbrochen wurde, während sie einen zweiten bekämpften (Melinee Manouchian hat nie geheiratet und ein Kind bekommen, wie ihr Mann es sich gewünscht hat, sondern ist einsam in Yerevan gestorben), wird mich fuer immer traurig machen. Dass Ea diese Menschen egal sind, ist vermutlich aus ihrer Situation heraus verständlich, sie hat ja kaum genug Kraft fuer sich selbst, aber DAS habe sogar ich ihr übel genommen.


    Vielen Dank fuer deine Tränen um Doris, Rehan und Bülent, liebe Eliza. Das bedeutet mir viel. Ich hab bei keinem Buch so viel gelacht und bei keinem so viel geweint (auf der letzten Lesung in Berlin, als die wundervollen Musiker auftraten, wieder ...). Die Szene, in der Bülent stirbt, hab ich am Nil geschrieben und ein Foto gemacht, zur Erinnerung. Vielleicht gelingt es mir ja jetzt, das hier einzustellen ... ich versuch's.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie


    Leo Ferres Lied "L'affiche rouge" habe ich hier schon empfohlen, oder? Bitte anhören! Es enthält einen Teil des Original-Abschiedsbriefes von Missak Manouchian an seine Frau Melinee. Wenn jemand interessiert ist und nicht französisch liest, kann ich sehr gern meine Übersetzung einstellen (sie steht auch in meiner Pimm's Party). Es gibt wenige Dokumente, die mich während der Recherche so sehr erschüttert haben.


    Das wäre toll, wenn du deine Übersetzung hier einstellen könntest!
    Als Facebook-verweigerer kann ich an der Pimm's Party leider nicht teilnehmen ;-)

  • Sehr, sehr gerne, Zwergin.
    (Während ich's tippe, muss ich wieder heulen, aber Mann und Kind kennen das schon, und sonst sieht's ja keiner.)
    Vielen Dank fuer dein Interesse.


    Leo Ferre: "L'affiche rouge"


    Ihr habt weder Ruhm noch Tränen verlangt.
    Weder Orgelmusik noch letzte Riten.
    Elf Jahre schon – wie schnell elf Jahre vorbeigehen.
    Ihr habt einfach Gebrauch von euren Waffen gemacht.
    Tod blendet die Augen von Partisanen nicht.


    Eure Bilder hingen an den Mauern unserer Städte.
    Schwarzbärtig in schwarzer Nacht, behaart, bedrohlich.
    Dieses Plakat, das wie ein Blutfleck wirkte,
    Führte eure Namen auf, die so schwer auszusprechen sind,
    Und versuchte, denen, die vorüber gingen, Angst zu machen.


    Niemand schien euch als Wahl-Franzosen zu betrachten,
    Den ganzen Tag gingen Menschen vorbei, ohne euch anzusehen.
    Doch nach der Sperrstunde schrieben wandernde Finger
    Unter eure Fotografien: „Gestorben für Frankreich“
    Und das veränderte den düsteren Morgen.


    Alles hatte die immer gleiche Farbe des Frostes
    Im spaeten Februar, in euren letzten Augenblicken,
    Und da war es, als einer von euch ruhig sagte:
    „Glück euch allen, Glück denen, die überleben,
    Ich sterbe ohne Hass auf das deutsche Volk in mir.


    Auf Wiedersehen, Schmerz, auf Wiedersehen, Vergnügen. Auf Wiedersehen, Rosen,
    Auf Wiedersehen, Leben, Licht und Wind.
    Heirate, sei glücklich, denk oft an mich,
    Du, die du in der Schönheit der Dinge bleiben wirst,
    Wenn alles vorüber ist – eines Tages in Yerevan.


    Eine kraftvolle Wintersonne erhellt den Hügel.
    Wie schön die Natur ist und wie mein Herz bricht.
    Gerechtigkeit wird kommen, mit unseren triumphierenden Schritten,
    Meine Melinee, mein Liebling, meine kleine Waise,
    Und ich gebiete dir, zu leben und ein Kind zu haben.“


    Sie waren dreiundzwanzig, als die Gewehre blühten.
    Dreiundzwanzig, die ihre Herzen gaben, ehe es an der Zeit war.
    Dreiundzwanzig Fremde und doch unsere Brüder.
    Dreiundzwanzig, ins Leben verliebt, bis sie starben.
    Dreiundzwanzig, die „Frankreich“ riefen, als sie stürzten.

  • Zitat

    Original von Charlie
    (Während ich's tippe, muss ich wieder heulen, aber Mann und Kind kennen das schon, und sonst sieht's ja keiner.)


    Aber jetzt hast Du es ja dem www erzählt! :lache :lache


    Spaß beiseite, vielen Dank für Deine Mühe, das zu lesen, ist wirklich sehr bewegend gewesen. Ich habe eine Ganzkörpergänsehaut bekommen.
    Und im Hintergrund die Nachrichten vom Brüsseler Flughafen...
    Was für eine Welt! :cry :help

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)