Walter Mehring: Poesiealbum 321

  • Taschenbuch: 36 Seiten
    Verlag: Märkischer Verlag Wilhelmshorst
    2015


    Kurzbeschreibung/über den Autor:
    Walter Mehring war einer der wortgewaltigsten deutschen Lyriker des vorigen Jahrhunderts; seine große Zeit waren die Jahre vor 1933 in Berlin, als er mit Tucholsky und Kästner zu den drei großen kritischen Poeten der Weimarer Zeit zählte. Seine Gedichte mit Berliner Großstadt-Flair gehörten zitiert und gesungen zum Alltagsgebrauch; sie waren politisch, deutlich, auch erotisch und jedenfalls antifaschistisch. In seiner satirischen Kabarettlyrik vereinigte er dadaistische und expressionistische Strömungen und focht gegen Spießbürgertum, Politik, Kirche und Nationalsozialismus. Mehring, gebürtiger Berliner, profiliertester Lyriker der Weimarer Republik, den die Nazis als "jüdischen Asphaltliteraten" vergasen wollten. Er entkam in die "Medusenarme des Exils“, kehrte nach Kriegsende zurück. Seine Gedichte und Texte fielen im Nachkriegsdeutschland zwischen Baum und Borke: Dem Westen waren sie zu links, dem Osten zu linksbürgerlich. Nach dem Krieg wurde er Opfer der Ignoranz des bundesdeutschen Literaturbetriebes sowie politischer Vorbehalte auf der DDR-Seite.


    Mein Eindruck:
    Walter Mehring war ein Lyriker, der in der Weimarer Zeit bekannt war und später aufgrund seiner kritischen Lyrik aus Deutschland flüchten musste.
    Ich lese seine Lyrik als Mischung zwischen Dada und Kabarett. Mit manchen Texten kann ich etwas anfangen, andere sind mir zu laut und derb.
    Aber das ironische Ansprechen der Massen in seinen Gedichten ist gezielt und soll sie spöttisch und direkt treffen.


    Die Gedichte in diesem Heft sind zwischen 1920 und 1940 entstanden.
    Meine Favoriten sind „In Hamburg an der Elbe“ und „Bei kleinen Hotels“
    Weniger schätze ich die Gedichte, bei denen schwer berlinert wird.
    Es gibt einige Gedichte, die sich an Berlin richten (Berlin-simultan, Heimat Berlin, Ode an Berlin).
    Spielerisch angelegt ist das Gedicht „Jazz-Band“ von 1920. Es hat den wilden Rythmus der Jazzmusik dieser Zeit.
    Ironie gibt es im Übermaß: Selbstanzeige; Hoppla, wir leben.


    Viele Gedichte zeugen vom Widerstand: Erich Mühsam; Der Emigrantencoral.


    Ein Auszug aus Der Emigrantenchoral:


    Werft
    eure Herzen über alle Grenzen
    und wo ein Blick grüßt, werft die Anker aus!
    Zählt auf der Wandrung nicht nach Monden, Wintern, Lenzen,
    starb eine Welt – ihr sollt sie nicht bekränzen!
    Schärft
    das euch ein und sagt: Wir sind zu Haus!
    Baut euch ein Nest!
    Vergesst – vergesst,
    was man euch aberkannt und euch gestohln!
    Kommt ihr von Isar, Spree und Waterkant:
    Was gibt’s da heut zu holn?
    Die ganze Heimat
    und das bisschen Vaterland,
    die trägt der Emigrant
    von Mensch zu Mensch – von Ort zu Ort
    an seinen Sohln, in seinem Sacktuch mit sich fort.



    Aus heutiger Zeit sind diese Gedichte wirklich ungewöhnlich und ich mag sie, jedenfalls viele.