Schreibwettbewerb März - Mai 2016 - Thema: "Wellen"

  • Thema März - Mai 2016:


    "Wellen"


    Vom 01. März bis 30. April 2016 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb März - Mai 2016 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Mai eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Andromeda



    Kommt, Leute, nehmt euch ein Schüsselchen Sahnepudding und fläzt euch her zu mir, ich werde euch eine Schnurre aus meinem Leben erzählen. Oder von meinem Tod? Wenn man das so genau wüsste...
    Danke, nein, für mich keinen Pudding, es ist besser, wenn ich nicht zu viel Masse entwickle, dazu später mehr. Es ist ein wenig eng hier, aber es wird schon gehen, ist ja nicht für lange. Demnächst muss ich mich zu einer Entscheidung durchringen. Wenigstens wird es meine Entscheidung sein, das ist schon ein Fortschritt in meiner Lage.


    Mein Leben war und ist nicht von der einfachen Sorte. Ich habe mich linken lassen. Eine Superposition versprachen sie mir, einen Job, der mir ohne Mühen einen hohen Bekanntheitsgrad einbringen würde. Ich hätte wissen müssen, dass man den Kopenhagenern nicht trauen kann, aber leider ließ ich mich verführen vom schönen Klang ihrer Versprechungen.
    Superposition, dass ich nicht lache! In Wirklichkeit waren es Jahrzehnte der Anspannung, der fast vollständigen Isolation, nur akustischer Kontakt zur Außenwelt. Dazu die ständige Furcht vor dem Beobachter, der irgendwann seiner Neugier nachgeben, mich aufsuchen und damit das fragile System zum Kollabieren bringen würde. Im Prinzip hätte ich nichts dagegen gehabt. Wenn nur meine Chancen etwas besser gelegen hätten. Fifty-fifty für Leben oder Tod? Das Risiko war mir zu hoch.


    Zugegeben, die Kopenhagener haben ihren Teil der Abmachung eingehalten. Über die Jahre habe ich tatsächlich einen bescheidenen Grad an Berühmtheit erlangt. Wissenschaftliche Abhandlungen soll es über mich geben, Erwähnungen und Anspielungen in Büchern, Filmen und TV-Serien. Sogar Merchandisingartikel wurden produziert. Davon hatte ich natürlich nichts, hier in meiner Abgeschiedenheit, da blieb es Jahr für Jahr immer das Gleiche, ständig die Balance suchen, die Frequenzen im Gleichklang halten, das war meine Aufgabe und mein Lebenserhalt. Nur eines änderte sich im Lauf der Jahre: die Verpflegung wurde besser. Nun, jedenfalls reichhaltiger. Ich legte kräftig zu und wunderte mich, dass man mir ständig sagte, das sei in Ordnung so. Vor etwa fünfzehn Jahren konnte ich dann zufällig ein Gespräch meiner Versorger mit diesem Herrn Zurek belauschen. Ein Schlagwort hörte ich heraus: „Dekohärenz“.


    Da wurde mir alles klar: Jahrzehnte verschwendet mit den Kopenhagenern. Alles umsonst – besonders die Furcht vor dem Beobachter. Nun wusste ich, warum man Wert auf meine Massenzunahme legte, dass es nicht in der Hand eines Beobachters sondern an mir lag, diesen Zustand zu beenden. Ich alleine konnte das System zum Kollabieren bringen, die Entscheidung herbeiführen. Alles, was ich dafür zu tun hatte war fett zu werden. Die zusätzliche Masse würde im Handumdrehen dafür sorgen, dass die Wechselwirkung die Interferenzen zum Zusammenbrechen bringen würde.


    Aber natürlich hat auch diese Erkenntnis einen Haken: meine Chancen verbessern sich nicht, ich kann lediglich den Vorgang beschleunigen. Darum bin ich vor fünfzehn Jahren auf Diät gegangen, über all die Jahre überlegte ich, ob ich bereit bin, den Kollaps einzuleiten. Ach, was soll's - schiebt mir mal den Sahnepudding rüber. Wirklich, es ist nicht einfach, Schrödingers Katze zu sein.

  • von Inkslinger



    Donnerstag Abend. Die Innenstadt ist voller Verrückter, die vorm langen Wochenende die Kaufhallen plündern. Ich bin einer von ihnen.


    Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, spätestens Mittwoch Mittag meinen Wocheneinkauf erledigt zu haben. Natürlich hat das nicht geklappt, weil Eigentlich eigentlich Mist ist und mich von vorn bis hinten verarscht hat. Wieder mal.


    Fünf Ampeln trennen mich noch von meinem Ziel: Edeka, ich komme! Im zähfließenden Verkehr erspähe ich alte Bekannte. Weitere Last-Minute-Shopping-Helden. Man grüßt sich mit einem Nicken und hofft, dass man schneller bei der Frischetheke ist als der andere. Wenn es um das letzte Mett geht, kenne ich keine Freunde.


    Durch die abgasgeschwängerte Luft erkenne ich die Kreuzung vor mir. Wie ein Troll wacht die Ampel über den Verkehr und lässt nur diejenigen passieren, die ihr genug Zoll in Form von Kohlendioxid gezahlt haben.


    Endlich stehe ich an vorderster Front. Ich habe mich bis zur Markierung rangepirscht und warte unruhigen Fußes auf den Farbwechsel. Die Sekunden fließen dahin wie Marshmallows im Lagerfeuer. Und genauso wie die fluffigen Zuckerbomben schlägt mir die Warterei gehörig auf den Magen. Es rumort und blubbert im Gedärm. Hoffentlich kommt da keine böse Überraschung auf mich zu.


    Als die Ampel auf Grün springt, lege ich einen filmreifen Start hin und lasse alle hinter mir zurück. Ich komme erfreulich gut voran. Anscheinend hat die Signalanlage wie ein Abführmittel gewirkt. Alle Verstopfungen haben sich aufgelöst.


    Ich passiere Lichtsignal zwei und drei, ohne einmal vom Gas gehen zu müssen. Wie im Rausch schwebe ich vorbei. Auch Nummer Vier ist innerhalb weniger Augenblicke nur noch ein Fleck im Rückspiegel. Gleich bin ich endlich am Ziel!


    Plötzlich biegt ein schwarzer Skoda aus der Seitenstraße und drängt sich vor mich. Ich muss volle Möhre auf die Bremse steigen, um nicht auf seiner Rückbank zu landen.
    Der Drängler macht fragwürdige Handzeichen in meine Richtung und driftet über die gelbe Ampel. So ein blöder Pinsel!


    Natürlich ist meine grüne Welle gebrochen und mein Höhenflug endet - Nase voraus - auf Beton. Diese vermaledeiten unfähigen Autofahrer! Den Führerschein sollte man ihnen wegnehmen und die Familien mit lebenslangem Fahrverbot strafen. Für den Fall, dass Fahrblödheit erblich ist.


    Selbst ein Brötchen Hawaii aus dem Backshop vermag meine Laune nicht mehr zu heben. Und so komme ich eine Stunde später grummelnd und fluchend nach Hause. Der Skoda meines Schatzes steht schon in der Einfahrt und verhöhnt mich. Nächstes Mal fahre ich schon mittwochs einkaufen. Ganz bestimmt!

  • von Sinela



    „Steffi, wach auf.“
    „Geh weg, ich will weiterschlafen.“
    „Du darfst nicht wieder einschlafen, heute ist doch Muttertag.“
    „Ja und?“
    „Wir wollten doch etwas für Mama backen.“
    Steffi gähnte herzhaft, bevor sie sich aufsetzte.
    „Kann das nicht noch ein wenig warten? Es ist ja noch nicht mal richtig hell draußen.“
    „Wir müssen doch fertig sein bevor Mama aufsteht.“
    „Na gut, geh schon mal voraus, ich komme gleich nach.“
    „Aber sei leise, damit niemand aufwacht.“



    Vorsichtig schloss Steffi die Türe und schaute sich in der Küche um. Ihre um zwei Jahre ältere Schwester hatte bereits eine Schüssel, die Küchenwaage und den Handmixer auf den Tisch gestellt. Auch die Zutaten, die sie für ihr Backwerk brauchten, standen bereits dort.
    „Da bist du ja endlich, ich dachte schon du bist wieder eingeschlafen.“
    „Nun hab dich nicht so, ich bin jetzt ja da, also lass uns anfangen, ja?“
    Steffi schaute Jasmina ungnädig an.
    „Ich lese vor und du legst die Zutaten in die Schüssel.“
    „Wieso muss ich das machen, warum darf ich nicht vorlesen?“
    „Weil ich die ältere von uns bin. Also, zuerst kommt die Margarine in die Rührschüssel ...“
    „Rührschüssel? Ich sehe hier keine Rührschüssel.“
    „Ich habe keine gefunden, die andere tut es aber bestimmt auch.“
    Jasmina folgte Steffis Anweisungen genau und tat die Margarine, den Zucker, den Vanillinzucker, die Eier, das Mehl und das Backin in die Schüssel.
    „Äh, sag mal, müsste man das nicht auch mal verrühren?“
    „Mh, ich glaube, du hast recht, das habe ich irgendwie überlesen, da steht es tatsächlich.“
    Jasmina nahm den Mixer, steckte das Kabel in die Steckdose und schaltete das Gerät ein. Zuerst drehten sich die Rührbesen nur zögernd, wurden dann aber immer schneller. Im hohen Bogen flogen sämtliche Zutaten aus der zu niedrigen Schüssel und verteilten sich nicht nur auf dem Tisch und dem Boden, sondern auch auf den beiden Mädchen.
    „Mach ihn aus! Mach ihn aus!“
    „Ich kann nicht, ich …“
    „Was um Gottes Willen ist denn hier los?“
    Manfred Richter erfasste die Situation mit einem schnellen Blick, rannte zu seiner Tochter, nahm ihr den Mixer aus der Hand und stellte ihn ab. Er sah sich in der Küche um.
    „Hier sieht es ja aus wie auf einem Schlachtfeld! Was habt ihr euch bloß dabei gedacht?“
    „Wir wollten doch Mama eine Freude machen und ihr ihren Lieblingskuchen zum Muttertag backen“, schluchzte Steffi.
    Manfreds Wut verrauchte so schnell wie sie gekommen war. Er nahm seine beiden weinenden Töchter in den Arm.
    „Ist alles halb so schlimm, ihr zwei. Mama schläft zum Glück noch. Ihr geht jetzt nach oben, wascht und zieht euch an, ich räume inzwischen die Küche auf. Und dann gehen wir zum Bäcker und kaufen dort für eure Mama Donauwellen, in Ordnung?“
    Steffi und Jasmina wischten sich die letzten Tränen aus den Augen und strahlten ihren Vater an.
    „Du bist der beste Papi der Welt!“

  • von Suzann



    Besorgt blickte John in den Himmel. Steingraue Regenwolken hingen tief und machten den Eindruck, als würden sie ihre Last jeden Moment loswerden wollen. Mit quietschenden Reifen fuhr er in den Parkplatz am Hafen ein. Vom Rücksitz kam protestierendes Quietschen. Sie waren verdammt spät dran. Er hatte den morgendlichen Verkehr in Cairns unterschätzt. Hoffentlich fand er bald einen Parkplatz, sonst würde die „Seawind“ ohne sie auslaufen. Heute sollte einer der Höhepunkte ihres Australienurlaubs stattfinden, Schnorcheln am Great Barrier Reef. Seit seiner Kindheit träumte er davon in die bunte Farbenwelt dieses Korallenriffs einzutauchen. Ihm wurde warm in der Brust, als er es sich den herrlichen Tag ausmalte, der vor ihnen lag. Auf der Suche nach einer Lücke musste er die Scheibenwischer anstellen, da es zu nieseln begonnen hatte.
    Nachdem sie sich schließlich erleichtert auf ihren Plätzen niedergelassen und das Ablegemanöver verfolgt hatten, versuchte er eine geraume Weile die Vorfreude seiner Familie wiederzubeleben, aber Tochter Emily blieb still und verdächtig blass um die Nase. Auch Helens Gesichtsfarbe sah nicht gut aus, was wohl an dem stürmischen Wellengang lag. Wie es seinem Magen ging, ignorierte John konsequent. Von solchen Kinkerlitzchen würde er sich nicht beeindrucken lassen. Auch wenn er heute auf strahlenden Sonnenschein und angenehme Temperaturen verzichten musste, würde er das Beste aus diesem Ausflug machen. Wer weiß, wie lange man die bunte Unterwasserwelt noch bewundern konnte. In letzter Zeit hörte man immer häufiger, dass die Korallen aufgrund des zu warmen Wassers großflächig ihre Nahrungssymbionten abstießen und starben. Teile des weltgrößten Riffs waren schon zu farblosen Korallenfriedhöfen verkommen und es wurde schlimmer. Um sich aufzuheitern, beobachtete er einen drahtigen Japaner im Neoprenanzug, der seinen Landsleuten mit Lauten, die entfernt an Hundekläffen erinnerten, Verhaltensmaßregeln gab.


    Eine halbe Stunde später saß John mit seiner Tochter an der Reling des Schiffes. Ihm war kalt und schwindlig. Emily war nicht die einzige, deren Magen schließlich unter dem schlingernden Ansturm der Wellen nachgegeben hatte. Erfolglos versuchte er die Würggeräusche ihrer zahlreichen Leidensgenossen auszublenden, genauso wie den säuerlichen Geruch, der aus der Tüte aufstieg. Helen war unter Deck geblieben. Wenn sie zuschauen musste, wie die Leute sich übergaben, könnte sie sich auch gleich einen Beutel nehmen, hatte sie gemeint. So saß er jetzt hier, schützte seine Tochter vor den Gischtfontänen, die die Bordwand hochpreschten und hielt ihr die Haare zurück. Endlich waren sie bei der schwimmenden Plattform angekommen. Mittendrin war er sich nicht mehr sicher gewesen, ob er seinen Magen unter Kontrolle behalten konnte. Er hielt es für ein gutes Zeichen, dass sich jetzt vereinzelte Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolken bahnen konnten. Helen hatte Emily untergehakt, um ihr beim Ausstieg zu helfen und auch er erhob sich. Da wurde es schwarz um ihn.


    Nicht nur Helen machte einen erschreckten Sprung, als John hinter ihr wie ein gefällter Baum umkippte und mit dem Kopf hart gegen die Bank knallte, auf der er gerade noch gesessen hatte. Schnorcheln konnte John an diesem Tag nicht mehr, aber seine Frau kam mit einem wunderbaren Unterwasserschnappschuss von Emily mit einer pazifischen Suppenschildkröte zurück.

  • von Johanna



    Wütend tobte sie im Laufschritt an den Strand, ihre langen, gewellten Haare wehten wild um sie herum.


    Sie schnappte sich ihr Surfbrett und rannte förmlich ins Meer hinein, sprang auf und wartete auf ihren großen Ritt und die dementsprechend große Welle.
    Sie wollte ihre Wut am Meer auslassen, Wut auf den Streit mit Eric, der sie so beschäftigte.


    Er war ausgerastet, nur weil sie mit seinem Auto einen klitzekleinen Unfall gebaut hatte und die Nockenwelle dabei drauf gegangen war. Den ganzen Morgen hatte er nur darüber lamentiert.


    Das Wellenreiten war nun einmal das, was sie meistens beruhigte, wobei sie sich abreagieren und alles hinter sich lassen konnte.


    Endlich frischte das Meer auf, sie begann durchs Wasser zu pflügen. Schneller und schneller, der Frust fiel langsam von ihr ab, sie entspannte, sang lauthals einen uralten NDW Hit vor sich hin „völlig losgelöst, von der Erde....“ und ließ sich vom Wind umspielen.


    Plötzlich erschauerte sie, verspürte, dass etwas nicht stimmte. Sie vibrierte, vermeinte fast die Schallwellen wahrzunehmen, die das, was vor ihr auftauchte, angelockt zu haben schien.


    Eine Flosse; eine riesige Schwanzflosse eines Hais. Und nicht nur eine, nein, gleich mehrere.
    Da erst bemerkte sie, wie weit wie sich bereits vom rettenden Ufer entfernt hatte.
    Panikwellen überfluteten sie, was sollte sie jetzt tun, wie sich aus dieser Situation hinausmanövrieren?


    Der Streit war vergessen, sie würde gerade nirgendwo lieber sein als zu Haus bei Eric und ihm seine verdammten Donauwellen backen, die er so sehr liebte, dass er dafür töten würde.
    Sie kämpfte gegen die Angst an und setzte ihre gesamte Konzentration darauf, nicht vom Brett zu fallen, um den Haien kein Futter zu bieten.


    Aus der Ferne erreichten sie Klangwellen eines Motorengeräusches.
    Eine Woge der Erleichterung erfüllte sie, als sie erkannte, was auf sie zuflog.


    Onda, stand in großen Lettern auf der Seitenwand des Helikopters.


    Aus der geöffneten Tür wurde bereits ein Seil mit Rettungskorb herabgelassen, an dem ein martialisch wirkender Mann in Kampfmontur hing. Eine Hand am Seil, in der anderen ein langes Messer mit Wellenschliff mit dem er sich die Haie vom Leib hielt.
    Er forderte sie auf, in den Korb zu klettern und beide wurden an einer Seilwinde nach oben gezogen.
    Im Rettungshubschrauber angekommen wurde sie kurz von einen Sanitäter untersucht, einem EKG und Ultraschall unterzogen.
    „Seien Sie froh junge Dame, dass wir in der Nähe waren“, sagte der Mann. „Wir hatten ein Einsatz hier in der Gegend da es einen Vorfall mit seismischen Wellen gegeben hat, die durch ein leichtes Erdbeben hervorgerufen wurden und ein Segelboot in Schwierigkeiten gebracht haben. Nur dadurch haben wir sie auf dem Rückflug anhand großer Dispersionen auf dem Meer entdeckt und konnten so schnell zur Stelle sein.


    Aufgrund der langen Hitzewelle der vergangenen Wochen hat sich das Meer extrem erwärmt und so die Haie immer weiter an Land getrieben, da sie in ihrem Ursprungsgebiet kaum noch Nahrung finden, so dass wir bereits Warnungen herausgegeben haben, sich nicht zu weit vom Ufer zu entfernen.“


    Selten war sie derartig froh und dankbar gewesen.

  • von Jeanette



    Ein Spaziergänger an der spanischen Costa del sol entdeckte zwischen den Wellen einen Körper. Die sofort alarmierte Küstenwache konnte nichts mehr für den im Meer treibenden Mann tun. Ein Messer hatte sein Herz durchbohrt. Ein Fall für la policía, in Gestalt von Comisario Antonio López García. “Un turista.”, stellte dieser nach eingehender Inspektion fest. Seinem verblüfften Kollegen Fernández erklärte er: „Der Mann hat sich sorgfältig gepflegt. Mira, die Frisur, die Fingernägel, die Markenkleidung. Gleichzeitig hat er aber einen Dreitagebart. Er hat es wohl im Urlaub lockerer genommen oder seinen Rasierer vergessen. Außerdem hat einen starken Sonnenbrand im Gesicht, ansonsten ist seine Haut jedoch blass. Vermutlich kein Español.


    López sollte Recht behalten. Eine wasserdicht laminierte Visitenkarte wies den Toten als Rainer Baier aus, Versicherungsmakler aus München. Wenig später war klar, dass der Mann mit seiner Ehefrau Verena eine Ferienvilla mit eigenem Strand angemietet hatte. Die Comisarios suchten die blonde Alemana dort auf. Fernández stellte die Routinefragen, López hörte nur mit halbem Ohr hin. Er nahm sich lieber das Recht heraus, unter den irritierten Blicken der Frau die Villa und den Privatstrand zu inspizieren.


    Als er zurückkehrte, versuchte Verena Baier gerade, Fernández einen unzufriedenen Kunden ihres Mannes als Mörder zu verkaufen. Ihr Mann hätte schon früh am Tag das Haus verlassen. „Señora, hören Sie auf zu lügen! Erzählen Sie uns lieber, warum Sie Ihren Mann am Strand mit einem Küchenmesser erstochen und seine Leiche den Wellen überlassen haben.“ Zwei erstaunte Augenpaare blickten López an. „Wie kommen Sie denn auf solch einen Blödsinn?“, empörte sich Señora Baier. „Mire, die Küche ist vollständig eingerichtet, nur größere Messer habe ich vergeblich gesucht. Sowas gehört doch zur Grundausstattung, verdad? Und hier: Die quadratische, helle Stelle auf der Arbeitsplatte. Da könnte ein Messerblock gestanden haben.“ Fernández Augen wurden immer größer, Señora Baier wirkte nervös. López lächelte siegesgewiss und ging auf die Glastür zum Strand zu. „Der Sand ist penibel geharkt, hier lehnt noch der Rechen an der Wand. Damit haben Sie die Spuren Ihrer Tat beseitigt?“ „Die Putzfrau hat gestern geharkt, ich war heute noch gar nicht draußen.“, behauptete Verena Baier mit bemüht fester Stimme. „¿Sí? Und woher kommt der Sand an Ihren Zehen? Haben Sie nicht geduscht? Das glaube ich nicht, Sie sind doch eine gepflegte Dame! Außerdem: Im Kleiderschrank hängen lauter modische Sachen, aber Sie tragen eine grün geblümte Bluse zu einem komplett anders geblümten blauen Rock. Das sieht selbst für meine unkritischen Augen grauenhaft aus! Sie haben sich hastig umgezogen, nachdem Blut an Ihre Kleidung gespritzt war?“ Während López sprach, trat er bedrohlich dicht an Señora Baier heran. Diese schrie: „Das alles beweist gar nichts!“ „Da haben Sie Recht. Aber warum steht die Trittleiter hier so undekorativ im Wohnzimmer herum? Dafür gibt es doch eine Besenkammer. Mal überlegen: Sie mussten den Messerblock und Ihre blutbeschmierte Kleidung schnell loswerden. Vielleicht sollte ich mal auf dem Schrank nachsehen, wo die Leiter schon so praktisch in der Nähe steht?“ Noch bevor Comisario López die oberste Stufe erreicht hatte und das Päckchen sah, erbleichte Verena Baier.

  • von rienchen



    Linda schwitzt. Der Stoff ihrer Bluse klebt unter den Armen und sie rückt auf dem Stuhl ein bisschen weiter nach links, um den Sonnenstrahlen auszuweichen, die durch das Fenster in das Wartezimmer dringen. „Mama, was hat die Frau?“ Das Kind sieht zu ihr hoch, am Kinn etwas Bräunliches, Eingetrocknetes. Linda unterdrückt den Reflex, das Mädchen zur Seite zu schieben oder ihm gleich eine zu kleben, wirft einen Blick auf die Mutter, die dem Kind über den Kopf streicht und sich dann mit der anderen Hand ans Kreuz fasst. Schwangerengeste. Typisch. Linda vertieft sich wieder in eine dieser belanglosen Zeitschriften. Kinder. Sie ist eng gebaut und ein Kind würde ihr zierliches Becken nie verzeihen. Marc liebt ihre Bleistiftröcke, wenn sie langsam die Strümpfe abrollt, die Pumps auszieht und ihn dabei fest ansieht. Aber er liebt auch seine Frau, auf andere Art. Und seine Kinder. Sie hat sich im Laufe der Jahre damit abgefunden, seine Oase zu sein, die Erfüllung seiner Sehnsüchte. Ohne Verpflichtungen, ohne verkrustete Waschmaschinenladungen, Stillorgien und Kotze auf dem Sofa von fiebernden Kleinkindern. Würde er sie noch lieben, wenn… sie rechnet nochmal nach, geht alle Symptome durch. Hitzewallungen, spannende Brüste, Schwindel. Nein, soweit wird sie es nicht kommen lassen. „Frau Marx, bitte!“ Die Arzthelferin mit den feingeschnittenen Gesichtszügen bringt sie ins Sprechzimmer. „Frau Doktor ist gleich bei Ihnen“. Frau Doktor. Linda lächelt spitz. Ob Marc sie wohl auch manchmal so nennt? Frau Doktor, würden sie mich mal abtasten? Ein bisschen weiter unten, da tut es weh... Die Tür öffnet sich, eine grade gewachsene Frau mit ordentlichen Haaren gibt ihr die Hand, setzt sich hinter den Schreibtisch und blickt konzentriert in die Patientenakte. Linda betrachtet die geschwungenen Augenbrauen, den glatten Hals und den sich beim Einatmen hebenden Brustansatz. Sie trägt etwas andere Ohrringe als auf dem Bild in Marcs Küche, das er einmal mitten beim Sex umdrehte. „Hier macht sie meinen Kindern morgens Frühstück, moment...“. Dann kam er stöhnend in ihrem Mund. Das soll sie aufgeben, weil ungeborenes Leben in ihr droht, alles zu zerstören? Marc liebt Kinder, er vergöttert sie sogar. Vielleicht könnte er auch ihres akzeptieren, würde sich für sie entscheiden, Frau Doktor verlassen. Ihr gemeinsames Kind lieben und großziehen. Windeln wechseln. In kleine Füße beißen. Sonntags morgens nach dem Kuscheln im Bett Frühstück machen. Spazieren gehen im Park. Heiraten? Ja, vielleicht. Sehr wahrscheinlich sogar. Linda atmet tief ein, lächelt und drückt das Kreuz durch. Fest. Alles wird gut. „Frau Marx?“ Frau Doktor sieht sie ernst an. „Nun, ich kann sie beruhigen. Entgegen Ihrer Befürchtung sind Sie sind nicht schwanger.“ Linda zögert. Nicht schwanger? Aber die Hitzewellen, das übermäßige Schwitzen… „Es ist noch etwas früh, aber nicht unüblich. Sie befinden sich im Klimakterium. Ist gut behandelbar. Ich verordne Ihnen ein Medikament, regelmäßig angewendet lindert es die Beschwerden. Meine Helferin wird ihnen zusätzlich noch ein paar Tipps… Frau Marx!“


    Linda stolpert fast über das rotwangige Kind, das auf dem Boden des Wartezimmers hockt. „Pass doch auf, Du dumme Göre!“ Tränen behindern ihre Sicht. Vorbei.

  • von Rumpelstilzchen



    Ich glaube nicht an Schicksal, also muss es wohl Zufall gewesen sein. Was Natascha in diesen Friseursalon geführt hat und wieso sie ausgerechnet einen Termin bei mir hatte, kann ich mir nicht erklären. Natascha – das schönste Mädchen in meiner Klasse. Aber sie war es wirklich, noch schöner als früher. Frau Werner stand in meinem Terminplan. Dauerwelle, Schneiden, Beratung wegen einer Blondierung.


    Freundlich lächelnd ging ich auf sie zu, gab ihr die Hand und stellte mich vor. Meinen alten Vornamen benutze ich nicht mehr. Für alle hier bin ich Gisa. Schaute ihr nochmal einen Moment in die braunen Augen. Kein Wiedererkennen. Nichts.


    Immer noch waren ihre Haare wunderschön. Ein Traum. Wie früher. Diese nachlässige Bewegung, mit der sie sie immer nach hinten geworfen hat, werde ich nie vergessen.


    Wie kann man nur mit so tollen Haaren eine Blondierung wollen? Ein rötlicher Braunton, glänzend wie frisch aus der Hülle geschlüpfte Kastanien, überschulterlang, ganz glatt. Jedenfalls war sie damals der Schwarm aller Jungs gewesen, alle Mädchen wollten mit ihr befreundet sein. Ich dagegen war ihr bevorzugtes Opfer.


    Richtige Locken wollte sie. Die Haarfarbe sei auch öde. Heute müsse man blond sein. Ich rate ihr ab, beides gleichzeitig zu machen. Dauerwelle ok. Aber keine Blondierung gleichzeitig. Machten wir nie hier im Salon. Viel zu stressig für die Haare.


    Hochnäsig, dämlich und arrogant wie früher, meinte sie, sie sei die Kundin und bestimme, was sie wolle. Wenn ich das nicht könne, solle ich doch mal die Chefin holen. Angeblich sei das doch hier der beste Salon der Stadt.


    Meine Hände begannen zu zittern. Wie eine Woge überflutete mich der alte Hass, der Wunsch, ihren eleganten Schwanenhals zu würgen bis ihr die Augen aus dem Kopf quellen. Schnell drehte ich mich um. Meine Chefin, die immer jede Kleinigkeit mitbekommt, stand schon hinter mir und gab sich alle Mühe, sie von ihrem Wunsch abzubringen.


    Natascha, immer noch unbelehrbar, stand auf, dann ginge sie eben woanders hin. Die Chefin ging vorweg, zwinkerte mir zu und hielt ihr höflich die Tür auf. Halt, rief ich hinterher, ich mache es.


    Meine Chefin schüttelte verwundert den Kopf, schaute mich fragend an. Ich wundere mich jetzt noch, dass sie das boshafte Funkeln in meinen Augen nicht bemerkt hat.


    Mit Einzelheiten will ich euch verschonen. Jedenfalls: Schlimmeres als Blondieren und am selben Tag eine Dauerwelle kann man seinen Haaren nicht antun. Und wenn noch jemand die Flüssigkeiten zu lange drauf lässt, nicht sauber abspült, dann ist das Ergebnis eine Katastrophe. Wie bei Natascha.


    Abgebrochene, strohige blonde Strähnen hingen bizarr um ihren Kopf, als sie den Salon verließ.


    Meine Chefin hat sich auf keine Diskussionen eingelassen. Sie sei auf das Risiko hingewiesen worden und habe die Blondierung trotzdem ausdrücklich gewollt. Kein Wort des Vorwurfs an mich. Ganz wohl fühle ich mich ehrlich gesagt nicht, wenn sie mich heute versonnen betrachtet. Vielleicht ist es an der Zeit, mal wieder die Stelle zu wechseln.

  • von Marlowe



    Endlich war es geschafft. Zwölf Monate hatte ich gebraucht, um die “Merchant Jamaica“, ein mit 30 Kanonen bestücktes Segelschiff des berüchtigten Piraten Henry Morgan, detailgenau herzustellen. Nun steckte es in einem großen Glasballon, der eigentlich für Wein gedacht war, die Masten aufgerichtet und voller Stolz betrachtete ich mein Werk.
    Ich konnte kaum erwarten, es Pia zu zeigen und rief sie laut zu mir. Sie kam herein, Geronimo, ihr hässlicher kleiner Sittich, saß auf ihrer Schulter und beide beäugten mein Werk. „Wäre schöner, wenn es schwimmen würde, kann es überhaupt schwimmen?“ Ich nickte. „Klar kann es das“, sagte ich. „Die Kanonen kann man sogar abfeuern“, fügte ich dann noch stolz dazu.
    Sie nickte bewundernd und bot sich an, den Glasballon vorsichtig mit Wasser zu füllen, damit es, wie sie wichtigtuerisch sagte, immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel habe. Sie wollte sich halt unbedingt nützlich machen, also sagte ich nur:
    „Na, dann mach das, aber kein Kaventzmann bitte.“ Ich verließ den Hobbyraum im Keller und ging erst einmal ins Bad, um mir die Hände zu waschen und was man halt sonst noch im Bad so macht.
    Als ich zurückkam, beugte sie sich gerade über den inzwischen etwas angefüllten Glasballon. Ihr dauergelocktes Haar wippte hin und her, während sie immer wieder mit den Fingernägeln an das Glas klopfte und rief: „Böser Vogel! Geronimo, komm sofort wieder da raus.“ Geronimo aber saß vergnügt am Bug des Modellschiffes und dachte gar nicht daran, wieder herauszukommen. Gott, war ich sauer. Aber ich riss mich zusammen. „Wie konnte das denn passieren?“ Sie klopfte weiter an die Glaswand.
    Ihre Stimme klang weinerlich. „Ich habe die beiden Wasserflaschen dort vorsichtig eingefüllt und plötzlich hüpfte er von meiner Schulter und schlüpfte da rein. Er hält es wohl für seine neue Wassertränke.“ Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht zu brüllen. „Welche Wasserflaschen?“ fragte ich stattdessen und mir schwante Böses. Sie deutete auf das Regal über meinem Arbeitstisch. Vor einigen Wochen hatte ich einen hochprozentigen Rum aus Jamaica, einen White Pot Still, in einer Fünfliterflasche gekauft, die ich mir für mein nächstes Projekt ausgeguckt hatte und den Rum in leere Plastikwasserflaschen umgefüllt.
    „Oh mein Gott!“ Ich stöhnte laut und musste dann plötzlich lachen. Geronimo, das hässliche Vieh, war sturzbetrunken. Er schwankte auf dem Bug herum, nippte wieder von dem kostbaren Rum, torkelte wie ein betrunkener Pirat herum und verstand die Welt nicht mehr. Geschieht ihm recht, dachte ich und laut sagte ich: „Pia, hol ihn da raus, irgendwie, aber hol ihn raus!“
    Dann geschahen viele Dinge gleichzeitig. Pia richtete sich weinend auf, das Tränenspiel beherrschte sie perfekt, Geronimo torkelte über das Deck, fiel gegen eine Kanone und löste so den Abzug aus, das Zündplättchen knallte leise, die Kanone laut und der Alkoholdampf in dem Glasballon explodierte noch lauter. Die schwarze Styroporkugel aus der Kanone knallte geradewegs an Pias Stirn, der Glasballon flog samt Schiff und betrunkener Besatzung gegen die Kellerwand und ich sagte: „Bravo Pia, Volltreffer, Schiff versenkt.“ Dann konnte ich nicht mehr aufhören zu lachen.

  • von Lese-rina



    Das durfte doch nicht wahr sein! Ungläubig kniff ich meine Augen zusammen, mit dem Wunsch, alles möge sich als Albtraum herausstellen. Doch als ich sie wieder aufmachte, bot sich mir immer noch das gleiche, unwirkliche Bild: meine 79-jährige Großmutter stand mitten auf einem Tisch im Speisesaal des Kreuzfahrtschiffes. Die belustigten Gäste und ratlos herbeigeeilten Kellner hielt sie mit diversen Geschirrteilen, die sie gezielt nach jedem warf, der näherkam, auf Abstand. „Oma“, stammelte ich hilflos. „Was ist denn los?“ „Mädel, merk dir – manchmal muss man härtere Geschütze auffahren“, bekam ich frohgemut zur Antwort. „Ich verlange, sofort mit dem Kapitän zu sprechen“, wiederholte sie mit fester Stimme ihre bereits vorher aufgestellte Forderung. „Gute Frau, kommen sie doch erst mal runter“, versuchte der schwitzende, sichtlich überforderte Restaurantmanager die Situation aufzulösen.


    „Nichts da“, entgegnete Oma und schwenkte drohend die vollen Weinkaraffen in seine Richtung. „Ich will den Kapitän!“. „Jetzt unternehmen Sie schon was“, zischte der Uniformierte in meine Richtung, doch der drohende Blick meiner Großmutter ließ mich stoppen. Auch die zwei Männer von der Sicherheit hielt sie mit einem lauten „Halt!“ zurück „Sie wollen doch nicht, dass eine alte Lady wie ich einen Herzinfarkt erleidet, oder?“. Unsicher geworden zögerten sie, als sich Schiffsarzt Dr. Laubmeier durch die grinsenden Passagiere schob. „Was ist denn hier los?“ fragte er. „Wenn Sie endlich den Kapitän holen, nichts mehr“, entgegnete Oma ganz gelassen. „Leidet sie an irgendwelchen Störungen? Nimmt sie regelmäßig Medikamente?“ wandte sich Dr. Laubmeier an mich. Ich schüttelte den Kopf: „Das übliche in ihrem Alter: kreislaufsenkende Tropfen und irgendwas gegen Alterszucker. Abers sonst ist sie topfit.“ Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, was in sie gefahren ist“. Tränen stiegen mir in die Augen. Was ist bloß mit meiner Oma los?


    Dr. Laubmeier bohrte weiter: „Ist Ihnen heute etwas ungewöhnliches aufgefallen? Es können auch Kleinigkeiten sein?“ Ich überlegte. Vormittags hatte Oma Spaß beim Bingo-Spiel und nach dem Mittagsschläfchen traf sie sich mit neuen Bekannten zum Tanztee. Da war alles in bester Ordnung. „Das einzige, was mir einfällt“, berichtete ich stockend „war nach der Kapitänsfragestunde. Sie war erst aufgebracht und dann sehr still, als sie hörte, dass es hier kein Kapitänsdinner gibt. Aber als wir zum Abendessen gingen, war sie wieder ganz die Alte.“


    „Kann denn endlich einer den Kapitän holen?“ Oma klang ungeduldig. „Schon da“, erwiderte eine tiefe Stimme und ein hochgewachsener Grauhaariger drängte sich nach vorne. „Kapitän Walter Hansen und wer sind sie?“ „Sophia Hochstetter“, antwortete Oma und ihre Stimme klang plötzlich ganz zittrig. „Ich komme erst runter, wenn Sie mich auf ein Glas Wein einladen“. Amüsiert hob Kapitän Hansen eine Augenbraue „Wenn es weiter nichts ist“. Schneller als man ihr zugetraut hätte, kletterte Oma vom Tisch, angelte ihre Ballerinas und hängte sich am Arm von Kapitän Hansen ein. Strahlend lächelte sie ihn an, als hätte sie nicht gerade für große Aufregung gesorgt. Beim Vorbeigehen raunte sie mir zu: „Siehste Mädel – so geht das!“ Ich konnte ihr nur noch mit offenen Mund nachstarren, bis sie mit ihrem Kapitän verschwand.