Das Mädchen mit dem Fingerhut, Michael Köhlmeier

  • Inhaltsangabe:


    Irgendwo in einer großen Stadt, in Westeuropa. Ein kleines Mädchen kommtauf den Markt, hat Hunger. Sie versteht kein Wort der Sprache, die manhier spricht. Doch wenn jemand „Polizei“ sagt, beginnt sie zu schreien.Woher sie kommt? Warum sie hier ist? Wie sie heißt? Sie weiß es nicht.Yiza, sagt sie, also heißt sie von nun an Yiza. Als Yiza zwei Jungentrifft, die genauso alleine sind wie sie, tut sie sich mit ihnenzusammen. Sie kommen ins Heim und fliehen; sie brechen ein in ein leeresHaus, aber sie werden entdeckt. Michael Köhlmeier erzählt von einemLeben am Rande und von der kindlichen Kraft des Überlebens – ein Roman,dessen Faszination man sich nicht entziehen kann.



    Meine Meinung und Zusammenfassung :



    Es ist mein erstes Buch das ich von dem Autor Michael Köhlmeier gelesen habe. Mir sprang sofort dieser Cover und der Titel „ Das Mädchen mit dem Fingerhut „ ins Auge. Ich dachte mir was mag sich hinter der Geschichte verbergen , meine Neugier war geweckt. Auch fand ich den Cover sehr schön dezent und zurückhaltend gestaltet. Es blickt einem ein kleines Mädchen mit einem sehr ernsten Gesicht und unendlich traurigen großen und dunklen Augen an. Es scheint sich viel Kummer, Leid und Schmerz darin zu spiegeln.



    Die Geschichte der kleinen 6 sechsjährigen Mädchen , das nicht weiß woher es kommt, noch wie es heißt und wer seine Eltern sind. Sie selbst gab sich den Namen Yiza. Wir begegnen ihr in irgend einer großen Stadt in Westeuropa, könnte auch hier in Deutschland sein. Vielleicht Flüchtlinge , wie ich vermute wegen den Sprachproblemen.


    Der Autor lässt es unserer Fantasie überlassen. Die kleine Yiza wird von einem Mann auf die Straße gesetzt und zum betteln auf einen großen Markt geschickt. Er schickt sie zu einem bestimmten Stand, er verspricht ihr dort bekäme sie zu essen, genug das sie keinen Hunger mehr hätte. Es ist Bogdan, der sich ohne groß zu fragen um sie kümmert, das wieder holt sie ein paar Tage, und immer wurde sie wie versprochen am Abend abgeholt. Auf Bogdans Frage wie sie heiße antwortet sie mit Kopfschütteln, sie versteht die Leute nicht, nur das Wort Polizei, wenn sie das hört schreit sie. Aber eines Abend kommt der Mann nicht wie versprochen, Yiza irrt durch die dunkle und kalte Stadt, sie friert ist müde, die Menschen eilen an ihr vorbei, keiner nimmt sie wahr, es ist als sei sie unsichtbar.Bis eine Polizei streife anhält, sich ihrer annimmt und auch hier gibt es Sprachprobleme, man bringt sie in ein Waisenhaus. Dort. Ist man sogleich sehr bemüht um sie, besonders die Schwester dort hat die kleine sofort in ihr Herz geschlossen. Aber trotzdem, lässt sie sich von den zwei Jungen dort Schamhan der größere und Arian den kleineren, trotz Sprachschwierigkeiten überreden mit ihnen abzuhauen. Arian schenkt ihr seinen Fingerhut. Diese drei Kinder sind nun auf der Flucht, sie kämpfen um ihr überleben, sind geplagt von Hunger , Kälte und keinem Dach über dem Kopf, kein Geld. Eine sehr Abenteuerliche Flucht die da beginnt, verfolgt, gejagt, suchen sie einen Ausweg aus der Misere. Eine Geschichte voller überraschender und ungeahnter Wendungen. Man bangt und hofft mit ihnen, das sie es schaffen werden.


    Zum Autor:


    Der Autor schafft es mit dieser Geschichte tief zu berühren und zu fesseln, das ganze geht einem sehr unter die Haut. Sein Schreibstil ist sehr Klar, Kraftvoll, fesselnd und schon fast Poetisch. Der Roman erinnert mich an das Märchen von Christian Andersen „ Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ , auch dort steht ein armes Mädchen, hungernd und frierend in der Kälte und keiner beachtet es, und denken zuerst an sich. Sehr deutlich führt er den Überlebenskampf der drei Kinder einem vor Augen, Menschen die am Rande unserer Wohlstandsgesellschaft Leben. Mir kommt es vor wie ein Fingerzeig und regt einem unwillkürlich zum Nachdenken an.Seine Protagonisten sind sehr Bildhaft, real und lebendig geschildert, ebenso die einzelnen Charaktere, ihre Ängste, Gefühle und Emotionen sind spürbar. Der Handlungsaufbau der Geschichte ist Glaubhaft und zeigt die Seiten des Lebens auf dieser Welt, die die im Schatten und die im Licht leben. Ein sehr Facettenreicher Roman...
    „ Eine Geschichte die tief berührt und unter die Haut geht „
    :lesend

  • Danke Arietta, dass du den Anfang gemacht hast. Hier meine Gedanken zum Buch:


    Michael Köhlmeier schafft mit dem Buch "Das Mädchen mit dem Fingerhut" eine Geschichte, die mich berührt hat, mit Personen, die mir so schnell ans Herz gewachsen sind und die gleichzeitig so unnahbar waren. Das Cover hat mich von Anfang an hypnotisiert.


    Das kleine Mädchen wird von ihrem Onkel irgendwo abgesetzt und abends immer wieder abgeholt, bis an dem bestimmten Tag X. Die Geschichte um das Mädchen ist schwer greifbar, erscheint mir wage - fast wie ein Schwarz-Weiß-Film. Der Grund hierfür mag daran liegen, dass anfänglich weder Ort noch Namen der Beteiligten genannt werden.


    Das Fremde, Unnahbare kommt im Buch sehr stark zur Geltung. Die Geschichte wiederholt sich hier irgendwo so oder so ähnlich sicher tausendfach, wenn man bedenkt wie viele Flüchtlingskinder alleine unterwegs sind. Andererseits fand ich es begeisternd zu sehen, wie unbefangen Kinder verschiedener Herkunft miteinander umgehen, sie verstehen einander, auch wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen und sind nicht mit Vorurteilen behaftet.


    Beim Lesen hatte ich ständig die Stimme Köhlmeiers im Ohr, der ein brillianter Erzähler ist. Das Buch ist spannend geschrieben in einer ganz besonderen, fast schon poetischen Sprache. Ich musste aufpassen, dass ich nicht durch das Buch rausche, denn es ist kurz, vielleicht etwas zu kurz und nicht nur das Ende lässt viel Platz für eigene Gedanken.


    Ich vergebe volle Punktzahl für ein Thema, das aktueller nicht sein könnte.

  • Das Mädchen mit dem Fingerhut - Michael Köhlmeier


    Hanser Verlag, 2016
    140 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Ein Mädchen, das alles verloren hat und eine neue Heimat sucht in einer Welt, die nicht auf sie gewartet hat. Ein schmaler Roman, der große Tragik und große Hoffnung zu verschmelzen weiß.


    Über den Autor:
    Michael Köhlmeier, 1949 in Hard am Bodensee geboren, lebt als Schriftsteller in Hohenems/Vorarlberg und Wien. Bei Hanser erschienen die Romane Abendland (2007), Madalyn (2010), Die Abenteuer des Joel Spazierer (2013) und Spielplatz der Helden (2014, Erstausgabe 1988) sowie der Gedichtband Der Liebhaber bald nach dem Frühstück (Edition Lyrik Kabinett 2012) und zuletzt die Romane Zwei Herren am Strand (2014) und Das Mädchen mit dem Fingerhut (2016).


    Mein Eindruck:
    Michael Köhlmeier ist ein Autor, der mächtige Romane wie das 780 Seiten umfassende Meisterwerk “Abendland“, und er kann auch kurze Romane, die fast eine Novellenform haben (Idylle mit ertrinkendem Hund).
    Dieser Roman gehört in die zweite Kategorie. Er zeigt den Irrweg eines Mädchens, die als Flüchtling durch ein ihr fremdes Land zieht. Es ist ein kalter Winter. Anfangs ist sie ganz alleine, kommt in ein Heim. Dort flieht sie mit zwei anderen Kindern. Bei keinem der Kinder weiß man als Leser genau, wo sie herkommen. Es ist ein Kampf gegen Kälte und Hunger.


    Dann werden die Kinder getrennt. Yiza und Arian bleiben zusammen und versuchen so gut es geht füreinander zu sorgen, doch dann wird Yiza krank.


    Das Buch ist mit einfachen Mitteln geschrieben, das ist angemessen und funktioniert, weil es sehr verdichtet gestaltet ist.


    Mir war es nicht möglich, den Roman zu lesen, ohne an die Entscheidungen zur Einschränkung des Familiennachzugs für minderjährige Flüchtlinge zu denken.
    Wenn es Kinder gibt, die dringend ihre Eltern brauchen, dann ein Kind wie die sechsjährige Yiza, die sich nicht einmal mehr an ihren richtigen Namen erinnern kann.


    Das Mädchen mit dem Fingerhut gehört zu den besten Texten von Michael Köhlmeier.

  • " Das Mädchen mit dem Fingerhut " von Michael Köhlmeier ist eigentlich eine fiktive Geschichte über ein sechsjähriges Mädchen in einer fremden Stadt irgendwo in Westeuropa. Yiza hat weder eine Familie noch ein Zuhause. Nur einen Fingerhut kann sie ihr eigens nennen.
    Niemand interessiert sich für sie wirklich, weder Menschen noch Institutionen. Niemand weiß irgendwas über sie und niemand möchte es wirklich wissen. Aber alle glauben zu wissen, was sie braucht und wollen ihr helfen. Das Schlimme daran ist, dass sie es nicht ihretwegen tun, sondern entweder aus den beruflichen Gründen, weil sie es müssen, oder sie helfen ihr, weil sie sich dadurch besser fühlen.


    Michael Köhlmeier greift sehr aktuelles, sogar akutes Thema auf. Es wird heutzutage viel über die Flüchtlingskrise diskutiert. Die illegalen Migranten, überwiegend aus angeblich sicheren Herkunftsstaaten Osteuropas, die schon lange bei uns und unter uns leben, bleiben immer noch für die Meisten „unsichtbar“. Weil wir sie nicht wirklich sehen wollen. Weil es für uns einfacher ist, die Kriegsflüchtlinge am Bahnhof mit Teddys zu bewerfen, eventuell eine Kleinigkeit zu spenden und sich dann als bessere Menschen zu fühlen?


    Spenden heißt noch lange nicht teilen und aufnehmen heißt nicht annehmen.


    Und so wird dieses Kind das, was es braucht, wahrscheinlich nur bei den Freunden finden. „Die Freunde, das sind eine Horde von Zerlumpten, die bereits zu alt sind für Mitleid und Rührung."


    Die Erzählweise des Autors gefällt mir sehr gut. Der Schreibstil ist einfach und sachlich, fast emotionslos. Die Geschichte von Yiza wird schonungslos und authentisch erzählt. So sieht die Realität von vielen Flüchtlingskindern aus. Da helfen die Emotionen weniger.
    Der Leser bleibt nachdenklich und betroffen zurück und hoffentlich lernt etwas über sich selbst.
    Beindrückend nüchtern und erschreckend ehrlich geschriebener Roman.
    Absolut lesenswert, gar keine Frage.

  • Auch mich hat "Das Mädchen mit dem Fingerhut" berührt, vor allem, weil es Köhlmeier gelingt ein unfassbar trauriges Schicksal extrem nüchtern zu beschreiben. Dieser kalte Sprachduktus ist gut gewählt, denn sonst hätte die Geschichte dreier sich auf der Flucht befindenden Kinder leicht in eine seichte, klischeebeladene und kitschige Geschichte abgleiten können.

    Das Gegenteil ist der Fall. Durch den verknappten Sprachstil trifft mich Köhlmeiers Erzählung mitten ins Herz.

    Der Autor hält seinen Lesern einen imaginären Spielgel vor. Auch ich ertappe mich beim Lesen dabei, wie ich mich an Szenen erinnert fühle, in denen ich mein schlechtes Gewissen durch eine Gabe an Bettelnde beruhigt und schnell weiterging. Im Buch werden solche Szenen aus der abgebrüht wirkenden Sicht der Kinder geschildert. Überhaupt überrascht der Autor, wie sehr die Kinder Erwachsene analysieren, durchschauen und zielgerichtet handeln.

    Yiza, die Hauptfigur der Erzählung, rührt mit ihren 6 Jahren und durch ihr niedliches Aussehen die Erwachsenen. Arian, ihr Beschützer und Freund, erriecht mit den Worten "Aspirin, bitte!" und verdeckten Augenbrauen ein vielfaches der üblichen erbettelten Geldsumme.

    Nicht ganz überzeugen konnte mich das märchenhafte und in meinen Augen unpassende Ende. Vielleicht entschied sich der Autor genau dafür, um ganz mit den üblichen Leseerwartungen zu brechen, um ein mitleidheischendes Ende zu vermeiden. Das ist ihm auf jeden Fall gelungen.

    Ein starkes Buch mit eindringlichen Bildern, das zum Nachdenken anregt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin