Droemer Verlag 2015, 357 S.
Über den Inhalt:
Nur eines verschafft Karl Heidemann Erlösung von der unendlichen Qual des Lärms dieser Welt: die Stille des Todes. Blutig ist die Spur, die er in seinem Heimatdorf hinterlässt. Durch sein unfassbar sensibles Gehör hat er gelernt, sich lautlos wie ein Raubtier seinen Opfern zu nähern, nach Belieben das Geschenk des Todes zu bringen. Und doch findet er nie, wonach er sich sehnt: Liebe. Bis er auf einen Schatz stößt. Ein Schatz aus Fleisch und Blut. Ein Schatz, der alles ändert.
Über den Autor:
Thomas Raab, geboren 1970, lebt nach abgeschlossenem Mathematik- und Sportstudium als Schriftsteller, Komponist und Musiker mit seiner Familie in Wien. Zahlreiche literarische und musikalische Nominierungen und Preise, zuletzt "Buchliebling" 2011 und Leo-Perutz-Preis 2013. Die Kriminalromane rund um den Restaurator Willibald Adrian Metzger zählen zu den erfolgreichsten in Österreich. Zwei davon wurden im Sommer 2014 für die ARD-Degeto mit Robert Palfrader in der Hauptrolle verfilmt.
Meine Meinung:
Karl Heidemann wird 1982 in einem kleinen Dorf in Österreich geboren. Erst einige Zeit nach seiner Geburt stellt sich heraus, dass er ein hypersensibles Gehör hat und schon das kleinste Geräusch ihm Schmerzen bereitet. Schmerzen, die er herausschreit und die seiner Mutter und seiner Umwelt den Umgang mit ihm unerträglich machen. Seine Eltern bringen ihn schließlich in einem Keller unter. Dort in jahrelanger Isolation entwickelt Karl sich zu einem hochintelligenten Soziopathen ohne die Fähigkeit zu fühlen oder Gut und Böse zu unterscheiden. Ausgelöst durch den Selbstmord seiner Mutter erkennt er in ihrem Tod etwas für sich, dass er nutzen kann und das er gerne anderen Menschen weitergeben möchte: den Tod als Moment der Stille, als Erlösung. Und so beginnt er bereits in frühen Jahren eine Spur des Todes hinter sich herzuziehen, ohne dass er verdächtigt wird.
Vor allem an „Das Parfüm“ von Patrick Süskind hat mich dieses Buch nicht nur vom Inhalt, sondern auch vom literarischen Schreibstil her sehr stark erinnert. Der Sprachstil ist altmodisch, der Satzbau gewöhnungsbedürftig. Doch poetisch und kraftvoll beschreibt Thomas Raab die Geschichte eines krassen Aussenseiters, eines Menschen, der nie die Chance auf ein normales Leben hatte und der trotz all seiner Taten nicht einfach nur Abscheu in mir erweckt hat, sondern auch Mitgefühl.
„Der Tag, an dem Karl starb, war ein guter Tag.“ Mit diesem Satz beginn das Buch, das Karls Lebensweg in Rückblenden erzählt. Ich würde es eher einen Entwicklungsroman als einen Krimi nennen, zu dem ihm auch die dazugehörige Spannung fehlt. Ein ruhiges, dabei verstörendes Buch über einen faszinierenden Menschen, der nie die Chance auf ein normales Leben hatte. Man möchte ihn sich fast ein wenig vom Leib halten, so nah bringt der Autor den Leser an Karl heran, an seine Empfindungen, an sein Leiden. Das Ende ist überraschend und bietet den versöhnlichen Abschluss einer unter die Haut gehenden, beklemmenden und auch faszinierenden Geschichte.