Tom Cooper: Das zerstörte Leben des Wes Trench

  • Tom Cooper: Das zerstörte Leben des Wes Trench
    Verlag: Ullstein Hardcover 12.2.2016. 384 Seiten
    ISBN-13: 978-3550080968. 22€
    Originaltitel: The Marauders
    Übersetzer: Peter Torberg


    Verlagstext
    Als Hurrikan Katrina mit den Südstaaten der USA fertig ist, hat Wes Trench alles verloren. Er ist kaum erwachsen, und doch erscheint es ihm, als sei sein Leben schon vorbei. Weil er es zu Hause nicht länger aushält, heuert Wes beim Shrimper Lindquist an. Der alte Fischer ist noch übler dran: Was er fängt, reicht kaum zum Leben, ein Ölteppich bedroht die Küste, und zu allem Unglück ist ihm auch noch die Armprothese gestohlen worden. Besessen von der Idee, in den Sümpfen der Küste einen Schatz zu finden, fährt er immer wieder mit seinem Boot raus. Auch die gefährlich durchgeknallten Toup-Brüder, deren Grasplantagen er zu nahe kommt, können ihn nicht davon abhalten. Wes genießt die Freiheit an Lindquists Seite und fasst allmählich neuen Mut, bis ihn ein weiterer Schicksalsschlag zu einer Entscheidung zwingt. Ein großer Roman, der packend und mit viel Liebe zu seinen störrischen, gebeutelten Figuren von Verlust erzählt und davon, was es heißt, allen Widrigkeiten zum Trotz immer wieder aufzustehen.
    Die Bewohner der kleinen Bayou-Stadt Jeanette ringen noch immer mit dem Überleben. Erst Hurrikan Katrina, dann das Unglück der Bohrplattform Deepwater Horizon. Und jeder Bewohner kämpft auf seine Art. Der Fischer Lindqvist jagt einem Kindertraum hinterher, einem Goldschatz. Die Brüder Toup nehmen eine Abkürzung zum Reichtum und bauen das beste Marihuana des Südens an, während Brady Grimes alle und jeden im Namen der Ölgesellschaft über den Tisch zieht. Und mittendrin Wes Trench, der seine Mutter an den Sturm und seinen Vater an die unermessliche Trauer verloren hat. Ein großer Roman, der packend und mit viel Liebe zu seinen störrischen, gebeutelten Figuren von Verlust erzählt und davon, was es heißt, allen Widrigkeiten zum Trotz immer weiterzumachen.


    Der Autor
    Tom Cooper hat in zahlreichen literarischen Magazinen Amerikas, u.a. dem New Yorker, Erzählungen veröffentlicht und wurde für den renommierten Pushcart Prize nominiert. Cooper lebt in New Orleans.


    Inhalt
    Unausgesprochen hat Wes seinem Vater die Schuld daran gegeben, dass seine Mutter während des Hurricans Kathrina (2005) ertrunken ist. Wäre der Vater nicht so starrsinnig gewesen, dann hätten die Trenchs sich wie alle anderen Bewohner des Sumpfgebiets Barataria Bay südlich von New Orleans rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Das Bajou ist eine Landschaft, in der sich Inseln, Sandbänke und Sümpfe ständig verändern. Ursprünglich durch Thomas Jefferson von Napoleon für ein paar Cents pro Hektar gekauft, entwickelte sich die Region zum Fluchtziel geflohener Sklaven, zum Revier der Piraten, Schmuggler, Shrimpsfischer, Schatzsucher und weiterer durchgeknallter Typen. Durch den Hurrican und die durch den BP-Konzern verschuldete Ölpest im Golf von Mexiko verlieren die kleinen Shrimpsfischer, die Restaurants und der Tourismus ihre Lebensgrundlage. Wes Trench trifft der wirtschaftliche Zusammenbruch besonders empfindlich, weil er mit 17 gerade an seinem eigenen Boot baut und dringend Abstand von seinem schwierigen Vater sucht. Wenn der Verkaufspreis des Fangs unter den Spritkosten liegt, ist das genau der falsche Moment, um sich mit dem Vater zu überwerfen und Arbeit zu suchen. Wes kommt zunächst bei Lindquist unter, dem alten Hagestolz, dem gerade jemand aus purer Bosheit seine teure Armprothese gestohlen hat. Als Kapitän und Fischer mit einem einfachen Piratenhaken statt eines Arms hat Lindquist allein kaum Überlebenschancen.


    Neben Vater und Sohn Trench und dem alten Lindquist sind in den Sümpfen einige weit schrägere Vögel unterwegs. Ein Zwillingspaar ist im gesamten Bayou dafür bekannt, auf einer der Inseln Marihuana feinster Qualität anzubauen, der Dachdecker Cosgrove schlägt sich als kleiner Gauner durch und Brady Grimes ist von BP angeheuert worden, um die Einwohner beim Abtreten ihrer Schadenersatzansprüche über den Tisch zu ziehen. Grimes stammt selbst aus dem Bayou, nur deshalb hat BP ihn überhaupt eingestellt, und soll seiner eigenen Mutter das unmoralische Angebot einer geringen Abfindung vorlegen. Erst die Begegnung mit seiner Mutter macht Grimes klar, dass der gesamte Sumpf verseucht und es nur eine Frage der Zeit ist, wann die Bewohner an umweltbedingten Krankheiten sterben werden. Eine Reihe von Personen in wechselnder Team-Zusammensetzung gehen im Sumpf und auf dem Wasser ihren Geschäften nach und man kann sich leicht vorstellen, dass es in einem Setting mit Alligatoren, Schlangen, wertvollen Schätzen und begehrten Drogen zum komischen und für einige auch lebensbedrohlichen Showdown kommen kann. Wenn nachts in einem Sumpf mehrere durchgeknallte Parteien aufeinandertreffen, kann das wohl nur grandios schiefgehen. Dass Lindquist dabei mit seiner Armprothese in einer vergleichsweise miesen Position sein würde, wurde mir erst allmählich klar.


    Fazit
    Tom Cooper hat für seinen ersten Roman das beeindruckende Setting einer bedrohten Landschaft und ihrer Bewohner geschaffen. Das damit perfekt harmonierende Buchcover der deutschen Ausgabe wirkt wie ein Stich aus Zeiten von Humboldts. Da es um mögliche Wasserleichen und befürchtete Alligator-Angriffe geht, sollten Leser des Buches nicht zu zart besaitet sein. Für die vielen beteiligten Personen, deren Wege sich hier kreuzen, deren Vater-Sohn, Vater-Tochter, Kapitän-Matrose, Jäger-Gejagter-Beziehungen habe ich mir eine Personenliste notiert und neben das Buch gelegt und die Lektüre damit sehr genossen. Die Personenzeichnung der dreisten bis verbohrten Gestalten wirkt sehr gradlinig; zusammengehalten wird das Ganze durch eine Rahmenhandlung aus Wes Schicksal und seiner Sicht der Ereignisse. Den zurückhaltenden Siebzehnjährigen mochte ich sofort. „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ hat mich begeistert und ich hätte einem so großartigen Buch in einigen Details ein aufmerksameres Lektorat gewünscht.


    Zitat
    Gegen Mitte September hatten Cosgrove und Hanson eine regelrechte Routine beim Auskundschaften entwickelt. Jede Nacht nach der Schicht beim Vogelschutz fuhren sie in die Barataria Bay hinaus, erkundeten den Inselarchipel und wanderten im schwachen Schein ihrer Laterne die Ufer ab wie Wiedergänger einer Apokalypse. Die Inselchen und Barrieren waren ungezählt, die meisten davon kaum mehr als marschige Flecken voller Schilf. Die Koordinaten, die Hanson von dem GPS hatte, führten nur zu einer Insel mit einer toten Weide, deren Äste voller schlafender Reiher war[en]. Kein Marihuana. Aber sie nutzten die Insel als Bezugspunkt. Wenn es die Insel […] überhaupt gab, dann musste sie wohl hier in der Nähe sein.“ (Seite 200)


    9 von 10 Punkten

  • Wie T. C. Boyle zu seinen besten Zeiten


    Nachdem der Hurrikan Katrina im Jahr 2005 die Südstaaten der USA verwüstet hat, ist im "Bayou", dem sumpfigen, inselreichen Mündungsdelta des Mississippi, ohnehin nichts mehr wie vorher, doch fünf Jahre später folgte der Blowout der Ölplattform "Deepwater Horizon" und gab der Region den Rest. Der inzwischen volljährige Wes Trench hatte durch den Sturm die Mutter verloren, weshalb die Fangfahrten mit dem Vater, der - wie so viele in der Gegend - Shrimpfischer ist, unter enormer Belastung stehen, denn die Mutter wollte vor dem Sturm flüchten, während der Vater darauf beharrte, im Örtchen Jeanette zu bleiben. Außerdem gehen die Fangmengen zurück - und keiner will mehr die möglicherweise verseuchten Shrimps aus dem Delta essen. Aus der Belastung wird schließlich die Trennung: Wes Trench heuert beim einarmigen, medikamentensüchtigen Lindquist an, der zwar auch Shrimps fängt, in der Hauptsache aber auf der Suche nach dem legendären Schatz des Freibeuters Jean Laffite ist. Doch Lindquist kommt bei seinen Touren mit dem Metalldetektor jener Insel zu nahe, auf der die aggressiven Zwillingsbrüder Reginald und Victor Toup ihre Marihuanaplantage betreiben.
    Ergänzt wird das Romanpersonal um einen unsympathischen Menschen namens Grimes, der selbst aus der Gegend stammt, diese jedoch hasst - und nun im Namen von BP versuchen muss, den Fischern niedrige Abfindungen aufzuschwatzen, damit sie von einer Klage absehen. Und außerdem sind da noch zwei Abenteurer namens Hanson und Cosgrove, die sich im Rahmen einer Strafmaßnahme kennenlernen, Wind von der Haschinsel der Toup-Brüder bekommen und sich auf die Suche nach ihr machen.
    Wir befinden uns im Sommer des Jahres 2011.


    Der Roman mit dem etwas unglücklichen und inhaltlich auch nicht ganz stimmigen deutschen Titel beginnt damit, dass dem behinderten Lindquist die teure Armprothese gestohlen wird. Relativ gemächlich, aber umso eindringlicher entwickelt sich ein Beziehungsgeflecht, das atmosphärisch ungeheuer dicht ist, und das von der Hitze, Feuchtigkeit, Lebendigkeit und Bedrohlichkeit der Region zusammengehalten wird. Es ist heiß und anstrengend, alle schwitzen fortwährend, ständig krabbeln ihnen irgendwelche Viecher über den Weg - von den omnipräsenten Moskitos über handgroße Spinnen bis zum Zwei-Meter-Alligator -, und dennoch ist diese eigenartige Gegend ihr Lebensinhalt, das Fundament ihres Seins, geliebt und gehasst zugleich, denn so fragil wie das ölpestbedrohte Biotop sind auch die menschlichen Abhängigkeiten. Während sich die Titelfigur Wes Trench sicher ist, das eigene Leben auch dort zu verbringen, verbringen zu wollen, träumen die meisten anderen Figuren davon, so schnell wie möglich wegzukommen. Ob das mittelbare Ziel darin besteht, den legendären Schatz, die Cannabis-Plantage oder den Fang des Lebens zu finden, oder einfach nur, möglichst rasch alle Fischer auf der Abfindungsliste abzuhaken, spielt dabei letztlich keine Rolle. Die wachsende Lebensfeindlichkeit kriecht aus jeder und in jede Ritze. Und schließlich in das Gehirn des Lesers.


    "Das zerstörte Leben des Wes Trench" erinnert nach dem - wie erwähnt etwas gemächlichen - Einstieg an T. C. Boyle zu seinen besten Zeiten. Lakonisch, ungeheuer rasant, eindringlich, sehr spannend, mit einem exzellenten sprachlichen Timing und mit einem guten Gefühl für Dramaturgie konstruiert Tom Cooper die Handlungsstränge, die diese Mischung aus Umweltroman, Regionalkrimi (im sehr weiten Sinn), Milieustudie, Underdog-Saga und Entwicklungsgeschichte in einen recht fulminanten Showdown münden lassen, der wohltuenderweise nicht alle Fragen beantwortet. Die größte Stärke dieses äußerst lesenswerten Romans besteht jedoch in der plastischen Vermittlung der umgebenden Situation. Großartig!

  • Schauplatz ist Louisiana 10 Jahre nach dem Hurrikan Katrina und kurz nach dem Ölunfall auf der Bohrplattform Deepwarter Horizon. Diese zwei Ereignisse haben das Leben in dieser Region sehr stark verändert und geprägt. Mit dem Shrimpfang ist kein Geld mehr zu verdienen, weil der Sprit teurer ist, als die Einnahmen für den Fisch. Außerdem gibt es auch nicht mehr viele Abnehmer für Fisch aus der Golfregion und die Restaurants haben keine Gäste mehr, weil die Touristen ausbleiben. Die Menschen sind gebeutelt und kämpfen um ihre Existenz, vor allem auch, weil das Ölunglück Auswirkungen auf ihre eigene Gesundheit hat, wie sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert.


    Der Autor erzählt die Geschichte einer Handvoll Menschen, die sich hier mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen, aber nie aufgeben. Die einen schlängeln sich mit kleinen Gaunereien durch, die anderen bauen auf einer Insel in den Sümpfen Marihuana an, einer ist tablettensüchtig und ständig mit dem Metalldetektor unterwegs, um alte Piratenschätze zu finden, andere helfen bei der Beseitigung des Ölfilms auf den Vögeln und dann gibt es noch die letzten Shrimpfischer. Zusätzlich kommt noch ein Mitarbeiter der Ölgesellschaft ins Spiel, der mit Geld versucht, die Einwohner dazu zu bringen, von einer Klage abzusehen.


    Der Titel wurde auf Wes Trench beschränkt. Wes ist gerade volljährig und seine Mutter ist beim Hurrikan Katrina ertrunken. Die Schuld daran gibt er bis heute seinem Vater, weil er nicht rechtzeitig aus Jeanette weggegangen ist. Die beiden gehen mit ihrer Trauer unterschiedlich um und zerstreiten sich darüber. Aber es gibt auch humorvolle Passagen – ein Beispiel dafür ist Lindquist. Der einarmige Shrimpfischer, dem die sündhaft teure Armprothese gestohlen wurde und durch Zufall wird sie in einer Blumenvase entdeckt und um dafür nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, wird sie kurzerhand im Wasser versenkt und Lindquist muß ohne sie auskommen. Hart im Nehmen muß der Leser hingegen sein, wenn es um Alligatoren, Schlangen, Insekten oder auch Wasserleichen geht. Die Atmosphäre und die Geräusche nachts in den Sümpfen ist so lebendig beschrieben, daß einem beim Lesen die Gänsehaut aufsteht. Das Ende lässt der Autor offen und jeder Leser kann sich seine eigenen Gedanken dazu machen.


    In einem eindrucksvollen Schreibstil erzählt der Autor diese bewegende Geschichte. Sehr viel zum Lachen haben diese Menschen nicht, die Kulisse kann man durchaus als trist bezeichnen, aber sie haben den Mut nicht verloren und sind am Ende Stehaufmännchen. Die Figuren haben alle ihre Eigenheiten und jeder hat einen ganz speziellen Charakter bekommen und das macht sie allesamt liebenswert, na ja fast alle. Der Autor wechselt mit kurzen Kapiteln ständig den Blickwinkel und auch die Personenkonstellationen, dabei entsteht ein Tempo, dem man sich beim Lesen nicht entziehen kann.


    Für mich ist dieser Roman ein echtes Highlight!

  • Tragische und sehr wütend machende Geschichte um die Bewohner in und um das vergiftete Gebiet am Barataria Bay.


    Wes, der sich wehrt genau so zu enden wie sein Vater als Shrimpsfischer, stellt dann doch fest, dass er es liebt rauszufahren, die Leute die Menschen, ganz im Gegensatz zu Grimes, der hier aufgewachsen aber nach New York geflohen und kann doch dort nicht den Geruch einer "Sumpfratte" loswerden und mutiert zum Handlanger der Ölindustrie.


    Sicher hat der Hurrikan Wes die Mutter genommen und sein Vater, dem er die Schuld gibt hilft ihm auch nicht den Verlust aufzuarbeiten allerdings ist am Ende das Leben doch nicht zerstört sondern er plant sogar einen Shrimpsversand aufzumachen und so die erst ungeliebte Arbeit zu verbessern.
    Zerstört ist allerdings das Leben vieler anderer durch die Katastrophe am Golf. 560 Millionen Liter Rohöl sind da ausgelaufen. Das muss man sich mal vorstellen und natürlich ist die Ölgesellschaft nicht gewillt, den tatsächlichen Verlust der Menschen zu bezahlen sondern versucht so billig wie möglich davonzukommen. Dazu hat sich ja Grimes erklärt und er lässt nichts unversucht den Menschen in allen Situationen aufzulauern und sie zur Unterschrift für ein bisschen Geld als Ausgleich zu bewegen.


    Ein sehr plastisch und detailgetreu geschriebener Roman um die Menschen am Bayou von denen es so eigenwillige Charaktere gibt wie auch Gauner. Jeder versucht eben zu überleben.
    Den Originaltitle weiß man nicht genau wem zuordnen, den Ölförderern die die Menschen und die Natur ausbeuten oder den Menschen, die das Wasser als Lebensgrundlage betrachten und alles rausholen was geht. Ich bin ja eher der meinung die Plünderer sind die Ölgesellschaften.


    Ein aufwühlendes Buch das noch lange im Gedächtnis bleibt.

  • „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ ist der Debütroman von Tom Cooper. In ihm erfüllt er ebenso skurrile wie tragische Figuren mit Leben. Aber auch die heutige Südstaatenatmosphäre, die Zustände in Louisiana 10 Jahre nach dem verheerenden Hurrikan werden glaubhaft realitätsnah geschildert.


    Im Mittelpunkt des Romans steht zwar Wes Trench, aber auch andere, die Handlung tragende Figuren weiß der Autor gekonnt in den Fokus zu rücken.


    Mir persönlich hat der Erzählstil sehr gut gefallen. Genre übergreifend wird die Geschichte erzählt. Abenteuer, Witz, Tristesse, alles findet seinen Platz, ohne aufgesetzt und gewollt zu wirken.


    Auf weitere Romane aus der Feder des Tom Cooper kann man gespannt sein.

  • „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ ist wahrlich kein Kuschelroman mit Wohlfühltitel. Dabei ist der Satz, der das Buchcover schmückt noch stark untertrieben. Denn in diesem Roman wimmelt es nur so von zerstörten Existenzen mit selbstzerstörenden Ansätzen. Tom Cooper entführt seine Leser nach Louisiana. Der Hurrikan Katrina hat die Region vor einiger Zeit heimgesucht. Im Bayou ist scheinbar Ruhe eingekehrt, die Gewässer stehen wie immer, alles könnte sein wie immer, doch die Menschen sind ein Schatten ihrer selbst, sie haben es den stehenden Gewässern gleich gemacht. Die Armut und Hoffnungslosigkeit hat sich durch sämtliche Bevölkerungsschichten gegraben. Jeder der sich bewegt wird nur noch tiefer in die Tiefe gezogen. Wer still steht wird von Drogen und Medikamenten dahin gerafft.


    Ein solcher Roman hat keine Helden, nur Typen wie Lindquist, der einarmig und vereinsamt durch das brackige Wasser stapft, um mit einem Metall-Detektoren nach Gold zu suchen, wobei ihn die Toup Zwillinge misstrauisch beäugen. Die Brüder verdienen ihren Bourbon mit dem Hanfanbau und trauen ansonsten nur ihrer stattlichen Waffensammlung. Schließlich wimmelt es nur so von Alligatoren in den nahen Gewässern. Schlimmer ist nur noch der Mensch. Wes Trench, der titelgebende Held reiht sich in dieses skurrile Männerensemble ein, noch bevor er das Erwachsenenalter erreicht hat verliert er seine Mutter durch den Wirbelsturm. Oder am Ende gar durch den Vater? Die Schuld, die Erinnerungen kreisen über Vater und Sohn, wie ein Geierpärchen. Tom Cooper fährt ein ganzes Arsenal an Südstaaten Tristesse auf. Interessant, dass ein Roman, der fast völlig ohne Frauen auskommt heutzutage noch den Weg in den Buchhandel findet. Hut ab, den Versuch war es wert.


    Die Männer in diesem Buch können nicht von der Vergangenheit lassen, der selbstständigen handwerklichen Arbeit, abseits der Normalowelt von Stadtmenschen, die von einem Heimgekommen in diesem Buch repräsentiert wird. Grimes stammt aus der Gegend. Für die BP ist er zurückgekehrt, vorgeblich, um Schadensersatz für die Ölverschmutzung zu leisten, eigentlich um die Einwohner abzuzocken. Wie ein Uhrwerk geht er seinem Schlips und Kragenhandwerk in einer börsenorientierten Welt nach, bis seine Mutter an die Reihe kommt. Es sind diese tiefschürfenden zwischenmenschlichen Momente, die den Roman zu einem Erlebnis machen.


    Das Buch hat insgesamt einen etwas zwiespältigen Eindruck bei mir hinterlassen. Das beginnt mit der Sprache, die ganz auf einen Abenteuerroman zugeschnitten zu sein scheint. Auf Unterhaltung, also. Doch so funktioniert der Roman letztendlich nicht. Das ist ein Stück amerikanischer Literatur, keine große, aber auch keine kleine. Aber auf jeden Fall ein Stück Wahrheit. Leider wird einiges an ironischem Potential verschenkt. Wenn ich allein an Lindquist und seinen verlorenen Arm denke, den Alligatorenausflug oder die Hanf Gangster. Aber um Effekte ging es dem Autor offensichtlich beim Schreiben nicht. Er macht sich sehr viel Mühe sein Personal aufzubauen und bekommt seine Geschichte sauber in die Gänge und in der Tat entfaltet dann das Buch eine Kraft und Sogwirkung, die bis mich bis zum Ende bei der Stange gehalten hat. Überzeugend finde ich vor allem die Figurenzeichnung und die sehr interessante Geschichte. Man meint die Verzweiflung fast spüren zu können. Insgesamt ein gelungenes Buch!

  • Das zerstörte Leben des Wes Trench


    Ein Buch über Männer, die ein Leben führen wollen, das längst zerstört wurde. Männer, die eine Vergangenheit haben, aber keine Zukunft.
    An der Küste Louisiannas hat erst Hurrikan Katrina gewütet, danach die von der Explosion der Deepwater Horizon verursachte Ölpest die Lebensgrundlage der Shrimpfischer und damit der Bewohner der Küstenregion zerstört.
    Frauen kommen nur als Abwesende vor. Entweder tot, sterbend oder davongelaufen erscheinen sie in Erinnerungen oder Träumen.


    Man könnte sie Abenteurer nennen, die Gestalten dieses Buchs, nur sind es Abenteurer, denen keine Hoffnung geblieben ist. Die Brüder Troup, die sich mit dem Anbau von Marihuana über Wasser halten, dabei aber jeden verfolgen, den sie verdächtigen, es auf ihre Pflanzen abgesehen zu haben. Der einarmige alte Lindquist, dem seine wertvolle Armprothese gestohlen wird und darauf hofft, einen Piratenschatz auf den einsamen Inseln zu finden.
    Wes Trench und sein Vater, die es kaum miteinander aushalten, nachdem Wes' Mutter währende des Hurrikans ums Leben kam und dennoch gemeinsam versuchen vom Shrimpsfang zu leben.
    Cosgrove und Hanson, zwei Kleinkriminelle, die die Ableistung von Sozialstunden zu Diebstählen nutzen und sich schließlich Hoffnungen machen, das Marihuana der Brüder Troup zu klauen.
    Grimes, der im Auftrag der Ölfirma die Not der Fischerfamilien ausnutzt, um sie durch die Auszahlung von lächerlichen Summen zur Unterzeichnung von Verzichtserklärungen zu bringen.


    Es ist ein böser Roman, mit gelegentlich aufblitzendem schwarzen Humor, einer teilweise rüden Sprache und einer scheinbar aus den Sümpfen aufsteigenden Tristesse. Besonders gelungen finde ich die Schilderungen der alles und alles verschlingenden Natur. Die Flucht des bedauernswerten Lindquist vor den Baumstümpfen ist fabelhaft grausig und lebendig geschildert. Fast sucht man selbst nach Kobolden.


    Leider ist der deutsche Titel nicht gerade gelungen, weist dem jungen Wes eine Rolle in diesem Buch zu, die er tatsächlich nicht einnimmt. Der englische Titel: "The Marauders" - die Plünderer, ist sehr viel stimmiger.


    Insgesamt ein Buch, das mich fasziniert hat.
    8 von 10 Punkten

  • So die letzten Tränchen sind abgewischt, jetzt versuche ich meine Eindrücke festzuhalten. In dem Buch kommen verschiedene Personen vor, die fast alle in Jeanette wohnen. Die sympathischste war eindeutig Wes Trench für mich. Die anderen kamen mir irgendwie alle ziemlich strange, verhaut und abgedreht vor. Ich mag solche Filme, das Buch gäbe bestimmt genügend Stoff für einen Film. Als Buch gelesen, dachte ich mir oft nur…kaputt. Die Sprache war schön, teilweise aber auch derb, passend zu dem chaotischen Clan. Skurrile Szenen wechseln sich ab mit sehr emotionalen Ereignissen und im Hintergrund läuft so ganz leise die Geschichte ab über die verschiedenen Katastrophen.


    Bitter, wenn einem äußere Umstände die Existenz rauben und manch einer daraus noch Geld schinden will.


    Ich bleibe etwas zwiegespalten zurück und vergebe 7 Punkte.

  • Das Entscheidungskriterium, warum ich diesen Roman lesen wollte, war der Handlungsort. Louisiana, der Bayou. Aus mir unerfindlichen Gründen (da ich mich für die Gegend eigentlich gar nicht interessiere) haben Südstaatenromane einen Charme, dem ich mich nicht entziehen kann. Und auch diesmal wurde ich nicht enttäuscht.


    Kraftvoll, unerbittlich, ungeschönt zeigt uns der Autor eine Welt, die in ihrer Wildheit und Zerstörung aufrüttelt. Und dennoch ist sie für viele Menschen Heimat, die sie trotz ihrer Unzulänglichkeiten lieben.


    Tom Cooper erzählt eine Geschichte von Menschen, die die Fesseln der Heimat nicht abschütteln können und das zum Teil auch gar nicht wollen. Der Autor zeigt uns, welche Früchte es tragen kann, wenn man an Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Überzeugungen festhält, selbst wenn sie einem mehr schaden als nützen.


    Es ist ein Abenteuerroman voll skurriler, zum Teil tragischer Figuren. Manche mag man, andere sind zutiefst unsympathisch, aber allen ist gemeinsam, dass sie plastisch und eindringlich gezeichnet werden. Ihr aller Leben ist miteinander verbunden, selbst wenn sie sich dessen gar nicht bewusst werden.


    Obwohl es kein Wohlfühlroman ist, wohnt ihm ein gewisser Humor inne. Ein Kunststück, diese Kombination zu schaffen, meine Hochachtung an den Autor.


    Kapitelweise wird aus Sicht von sieben verschiedenen Personen erzählt. Dadurch liest sich das Buch sehr lebendig und kurzweilig. Sprachlich schreibt der Autor kraftvoll und teilweise mit sehr schönen Wortbildern:


    S. 234
    Cosgrove schlug das Herz bis in die Ohren, ein Lärm wie ein in Baumwolle gewickelter Hammer auf Blech.


    Ich gebe 9 von 10 Eulenpunkten.

  • Das bodenständige Sub-Genre der "Country-Noir" Romane erkämpfte sich in den letzten Jahren einen kleinen aber festen Platz im weitläufigen Literaturmarkt. Etablierte Schriftsteller wie Pete Dexter, Cormac McCarthy, Joe R. Lansdale, Donald Ray Pollock oder Daniel Woodrell erhalten Unterstützung von Debütanten wie Brian Panowich oder in diesem Fall Tom Cooper. Ich darf erfreut feststellen: Das kleine Genre mit den rustikalen Geschichten lebt! Und es scheint zu wachsen und neue starke Autorenstimmen erreichen neue Leserschichten und können diese für sich vereinnahmen.


    Tom Cooper nimmt sich den vom Schicksal gebeutelten Krabbenfischer an der Küste des Golfstroms im US Bundesstaats Louisiana an. Erst kämpfen sie mit den Folgen des verheerenden Hurricans Katrina und nur ein paar Jahre später ereignet sich die Umweltkatastrophe Deepwater Horizon der die Gewässer mit einer Ölpest verseucht. Die Fischer sehen sich ihrer Fanggründe und Existenz beraubt und die verantwortliche Ölfirma BP will sie mit einer mickrigen Geldsumme entschädigen. Die knorrigen Menschen im Mündungsdelta des Mississippi, den sogenannten Bayous, sind ein karges Leben mit langen arbeitsreichen Tagen bei geringem Lohn gewöhnt. Sie sind Gefangene der Umstände haben aber ihr eintöniges Dasein so wie es ist grösstenteils akzeptiert. Sie schlagen sich auf Gedeih und Verderb durchs Leben und nehmen es notfalls in Kauf, mit dem Gesetz und dessen zu Durchsetzung verpflichteten Vertreter in Konflikt zu geraten.


    In diesem Roman wird abwechslungsweise aus der Sicht verschiedener, gleichberechtigter Figuren erzählt. Das es ausgerechnet Wes Trench ist der im deutschen Titel erwähnt wird, dürfte seinem jugendlichen Alter geschuldet sein und weil er sein Leben noch vor sich hat. Ansonsten dürfte am ehesten der einarmige Lindquist, dem sogar seine Armprothese gestohlen wird, der mit einem Metalldetektor durch das Moor irrt und nach einem angeblichen Piratenschatz sucht die Gunst der Leser gewinnen. Die anderen "Sumpfratten" der Geschichte stecken bis zu den Knöcheln im Morast ihres beschwerlichen Lebens fest und sind sich ihrer Chancenlosigkeit bewusst. Im Prinzip ist die schöne aber gefährliche Sumpflandschaft mit ihrer Flora und Fauna der heimliche Star der Geschichte. Sie ist mehr als bloss die Kulisse für die Geschichte und der Autor würdigt mehrfach den (bösen) Zauber der in ihr liegt und den sie verströmt. Diese widerspenstige Umgebung ist es auch der die Menschen kontinuierlich über die Jahre hinweg schleift und teilweise zermürbt bis sie zu dem werden die sie sind.


    Die Erzählung beginnt verhältnismässig gemächlich mit textlich längeren Kapitel um die Protagonisten vorzustellen damit wir Leser eine erste Tuchfühlung aufnehmen können. Sofern man als Leser mit den ungehobelten und teils unsympathischen Hauptfiguren überhaupt eine gefühlsmässige Nähe aufbauen will. Nach und nach verkürzt der Autor Tom Cooper die Kapitel und es fühlt sich beim Lesen so an, als würde sich die Handlung fortlaufend beschleunigen. Das Geschehen fesselt einem zunehmend an die Geschichte und es warten zwei, drei skurrile Szenen darauf entdeckt und gelesen zu werden.


    Ein grandioses Buch mit grossartigen Beschreibungen von Land und Leuten in einer in Auflösungserscheinungen zeigenden Region das gänzlich ohne strahlende Helden auskommt. Wertung: 9 Eulenpunkte