Deckname Lyrik – Reiner Kunze

  • Sachbuch Fischer
    128 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Obwohl der Staatssicherheitsdienst der DDR im Januar 1990 auf dem Buchenberg bei Pößneck (Thüringen) Aktenmaterial über den Schriftsteller Reiner Kunze verbrannt hatte, fand sich im Archiv die vollständige Originalakte von zwölf versiegelten Bän-den zu insgesamt 3491 Blatt, die bis zur Übersiedlung Reiner Kunzes in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1977 reicht. Mit einem Bruchteil dieses Materials macht Reiner Kunze sichtbar, was wohl, wenn überhaupt, nur mit Dokumenten und nur in dieser »Brechung« sichtbar gemacht werden kann. Dieses Buch ist die Dokumentation eines Lyrikers, der »nicht geeignet« war, einen Decknamen zu tragen, und deshalb in einem Operativ-Vorgang mit dem zynischen Deck-namen »Lyrik« zermürbt werden sollte. Dieses Buch überführt, und es liegt an uns, den Überführten, ob wir bereit sind, uns der Wirklichkeit zu stellen.


    Über den Autor:
    Reiner Kunze, geboren 1933 in Oelsnitz im Erzgebirge; Bergarbeitersohn, Studium der Philosophie und Journalistik in Leipzig. 1977 Übersiedlung in die Bundesrepublik. Zuletzt erschienen im S. Fischer Verlag die gesammelten Gedichte in dem Band »gedichte«, »Der Kuß der Koi. Prosa und Fotos«, die Nachdichtungen »Wo wir zu Hause das Salz haben« sowie der Gedichtband »lindennacht«. Für sein umfassendes lyrisches, essayistisches und erzählendes Werk erhielt Reiner Kunze zahlreiche Literaturpreise, darunter den Georg-Büchner-Preis, den österreichischen Georg-Trakl-Preis und den Friedrich-Hölderlin-Preis. Seine Lyrik und Prosa wurden in dreißig Sprachen übersetzt.


    Mein Eindruck:
    Eine Dokumentation von Reiner Kunze


    Schon sehr früh, im Dezember 1990, hat der Dichter Reiner Kunze eine dokumentarische Verarbeitung seiner Stasiakte veröffentlicht.


    Reiner Kunze galt in der DDR als Dissident, sein Name fiel gleichwertig wie Wolf Biermann. Entsprechend stark war die Stasiaufmerksamkeit. Bis Reiner Kunze aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen wurde und 1977 schließlich ausreiste, gab es viele Bespitzelungen, Aktionen und Einschüchterungsversuche.


    Das Buch ist immer noch lesenswert, weil diese Form, wie ein Land sein Volk bewachte, jegliche Grenzen überschritt. Es sollte nicht vergessen werden, wie leicht so etwas passieren kann.
    Dass ein enger Freund und auch Nachbarn zu den IMs gehörten, die Kunze jahrelang bespitzelten, ist besonders tragisch.


    Dabei blieb es aber nicht. Wie die Karteikarte auf dem Cover zeigt, gab es regelrechte Aktionen, sogar Maßnahmenpläne gegen Kunze und seine Literatur.
    Traurig-ironisch, dass ein Stasi-Mitarbeiter sogar seine Gedichte analysierte, um zu Beweisen gegen Kunzes Lyrik zu kommen.
    Das jemand wie Hermann Kant gegen Reiner Kunze agierte ist schon weniger verwunderlich.


    Reiner Kunze hat die Ausschnitte aus seiner Stasi-Akte sinnvoll zusammengestellt und enthält sich weitgehend Kommentaren. Das Buch spricht für ihn.