Gert Brantenberg, Die Töchter Egalias; aus dem Norwegischen von Elke Radicke unter Mitarbeit von Wilfried Sczepan.
Verlag Frauenoffensive, München 2001 (neue Auflage). ISBN: 3-88104-163-X, Preis: EUR[De] 14,90 / EUR[At] 15,40 / SFr 26,80.
OA: Egalias Døtre, 1977.
dt. EA: Olle und Wolter, Berlin 1980; Verlag Frauenoffensive, München 1987.
Über die Autorin:
Geboren in Oslo. Brantenberg wuchs in der norwegischen Kleinstadt Fredrikstad auf. Sie studierte Englisch, Geschichte und Staatswissenschaft und war ab 1971 als Lehrerin tätig. Sie war von Anfang an aktiv in der Frauenbewegung, rief die lesbische Bewegung Norwegens ins Leben, war Mittbegründerin des Krisenzentrums für mißhandelte Frauen in Oslo und einer homosexuellen LehrerInnengruppe. 1978 gründete sie ein literarisches Frauenforum, das Frauen zum Schreiben und Veröffentlichen ermunterte. Sie hat mehrere erfolgreiche Romane veröffentlicht, aber nur einen 'phantastischen'.
(Quelle: Feministische phantastisch-utopische Literatur s.v. Brantenberg, Gerd)
Über das Buch:
Im Land Egalia frauscht die Gleichberechtigung der Geschlechter. Keine käme auf die Idee, ihren Mann, der zu Hause auf die Kinder aufpaßt, respektlos zu behandeln. Oder den Begriff Wibschen, der für Frauen und Männer gleichermaßen gilt, durch eine Konstruktion wie »Menschen« zu ersetzen, weil dam so dem männlichen Anteil der Bevölkerung zuviel Gewicht beimessen würde. Immerhin arbeiten Männer sogar in verantwortlichen Positionen, zum Beispiel das Herrlein Uglemose. Daß er nur deshalb Lehrer wurde, weil seine Mutter die Direktorin der Schule war und er irgendwie keine Frau abgekriegt hat, ist nicht mehr als üble Nachrede.
Doch wenn der junge Petronius davon träumt, in der Weibschaft eines Fischkutters zu arbeiten und männliche Seefrau zu werden, geht das eindeutig zu weit. Schließlich wäre ein Taucheranzug, in dem er seinen PH unterbringen könnte, einfach zu unpraktisch. Und wenn er sich des Nachts ganz allein am Strand herumtreibt, geschieht es ihm ganz recht, wenn er von einer Horde übermütiger Frauen vergewaltigt wird.
Trotzdem läßt sich Petronius nicht von der Idee abbringen, für die Emanzipation des Mannes zu kämpfen. Die niedlichen Jungs gründen sogar eine politische Partei. Schade, daß ihre Phantasie nur für geschmacklose Aktionen wie öffentliche PH-Verbrennungen reicht. Und dann schreibt er auch noch ein völlig irrsinniges Buch über eine fiktive Gesellschaft, in der Männer das Sagen haben. Obwohl doch jeder weiß, daß so etwas einfach der natürlichen Ordnung der Geschlechter widerspricht!
(Quelle: Bernhard Kempen über G. Brantenberg, Die Töchter Egalias (Alien Contact 43, AC Award))
Weitere Rensionen
über diesen Link: Feministische phantastisch-utopische Literatur s.v. Brantenberg, Gerd: Die Töchter Egalias)
Meine Meinung:
Wenn jemand behauptet, feministische Literatur sei humorlos, dann reiche frau ihr/ihm dieses reichlich geschmacksfrei aufgemachte Paperback.
In diesem Roman ist alles anders: Hier sind die Frauen die "Männer" und die Jungen die "Mädchen", und sehr schnell wird offenbar, daß soziale Geschlechterdifferenz ("gender") keine Frage der Körperkraft ist, sondern eine mentale, die sich in der Sprache ausdrückt. Kreativ und clever formt Gerd Brantenberg (und mit ihr die Übersetzer Elke Radicke und Wilfried Sczepan) die real existierende Sprache und ihre gendertypischen Ausprägungen um -- und den LeserInneN bleibt das Lachen im Halse stecken! Auf der einen Seite die offensive Ausdrucksweise derer, die ihre "biologische" Höherrangigkeit zu rechtfertigen wissen, auf der anderen die zwischen Beschwichtigung und hinterlistigen Umtrieben changierenden Dialekte des minderen Geschlechtes. Es gibt weder "gut" noch "böse", denn alle Beteiligten sind mehr oder weniger krampfhaft damit beschäftigt, die bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten, denn es kann ja eigentlich nur schlimmer werden.
Und der arme Petronius stellt diese Ordnung nachdrücklich in Frage ...
Die Geschichte ist zwar inzwischen etwas hausbacken, dennoch stellt sie auf witzige und scharfzüngige Weise aktuell gebliebene Fragen. Und man versteht plötzlich sehr gut, was die Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahre antrieb, was immer noch akut ist, und wo es sich lohnt weiterzustreiten.