Jonas Winner - Die Zelle

  • Autor: Jonas Winner wurde 1966 in Berlin geboren, wuchs in Rom auf und studierte Philosophie und schloss mit einer Promotion über Spieltheorie ab. Er drehte Reportagen fürs Fernsehen und schrieb Drehbücher für ARD, ZDF, Sat.1 und RTL.


    Buch: Sammy ist elf und gerade mit seinen Eltern nach Berlin gezogen. Im Luftschutzbunker der alten Jugendstilvilla, die die Familie im Grunewald bezogen hat, macht er eine verstörende Entdeckung. Ein vollkommen verängstigtes Mädchen, nicht viel älter als er, ist dort unten in einer Zelle eingesperrt, die man mit Gummifolie ausgekleidet hat. Nur durch einen winzigen Schlitz hindurch kann er sie sehen. Am nächsten Tag ist die Zelle leer, das Mädchen verschwunden. Und für Sammy kann es dafür eigentlich nur einen Grund geben: seinen Vater.


    Wow! Das ist mal ein Buch das mich richtig gefesselt hat. Die Nacht war schlaflos, weil ich einfach nicht aufhören konnte. Seite um Seite musste verschlungen werden. Das ganze Buch hat eine düstere Atmosphäre. Alles wirkt beklemmend und irgendwie auch unheimlich. Man versucht durchzusteigen was in dem Haus in Grunewald vor sich geht und wird immer tiefer in die Düsternis hineingezogen. Sammy versucht mit seinen 11 Jahren zu verstehen was da um ihn herum geschieht und auch ich als Leser wollte einfach begreifen wer Opfer und wer Täter ist und was wirklich geschehen ist. Von Anfang an spannend und das Ende setzt dem Ganzen die Krone auf.


    Sammy zieht mit seinen Eltern, dem älteren Bruder und dem Aupairmädchen von England nach Berlin. Seine Mutter ist aufgrund ihrer Karriere immer außer Haus, sein Bruder hat Freunde und eigene Interessen und sein Vater komponiert den ganzen Tag düstere Filmmusik. Es sind Ferien, Sammy ist langweilig und dann findet er unter der Villa einen verzweigten Bunker und erlebt dort unheimliche und verwirrende Dinge. Er sieht ein eingesperrtes Mädchen und versucht danach zu ergründen wer sie ist und wer sie dort unten gefangen hält. Wie kann es sein, dass er seinen Vater so wenig kennt? Warum verändert er sich immer mehr? Was weiss sein Bruder und kann ihm das Mädchen aus der Nachbarschaft vielleicht helfen?

  • Der elfjährige Sammy Grossman hat es nicht leicht: Seine Familie ist ausgerechnet in den Sommerferien von London nach Berlin umgezogen. Nun hat er sechs Wochen Zeit in einer Stadt, in der er nichts und niemanden kennt. Bei einem seiner Streifzüge entdeckt er nicht nur einen alten Luftschutzbunker, sondern auch, dass darin ein Mädchen gefangengehalten wird. Sammy ringt mit sich, was er tun soll. Als er zurückkehrt, um es zu befreien, ist das Mädchen verschwunden. Hat eventuell sein Vater damit zu tun, der sich auch zunehmend merkwürdiger verhält?
    Jonas Winner nimmt uns mit auf ein rätselhaftes Kammerspiel, das nur wenige Handlungsorte und Personen kennt. Genau wie der Protagonist Sammy rätselt der Leser, was es mit dem Mädchen und seinem plötzlichen Verschwinden auf sich hat. Zwangsweise stellt man eigene Vermutungen darüber an, aber erst auf den allerletzten Seiten erfährt man, wie wirklich alles zusammenhängt. Ich für meinen Teil hatte die ersten zwei Buchdrittel lang einen Verdacht, der sich im Nachhinein als falsch herausstellte, schwenkte dann aber mit den Überlegungen zu dem um, wie es tatsächlich aufgelöst wurde. Die große Überraschung blieb für mich somit aus. Gern gelesen habe ich "Die Zelle" dennoch.
    Nichtsdestotrotz habe ich auch etwas zu bemängeln: Es heißt zwar, dass die Geschichte "vor zwanzig Jahren" spielt, aber Details, die auf eine ungefähre Zeit bzw. ein Jahrzehnt hinweisen, gibt es nicht. Im Gegenteil: irgendwann wird Natascha Kampusch angedeutet, über deren Entführung man vor zwanzig Jahren aber definitiv noch nichts gewusst hatte. Vermutlich wollte der Autor seine Geschichte durch die fehlenden Zeitmarken alterslos erscheinen lassen. In meinen Augen gelingt ihm das jedoch nur bedingt.
    Etwas, das mich beim Lesen massiv gestört hatte, waren die ständigen Satz- und Wortwiederholungen. Sehr oft sagt Sammy etwas, nur um es zwei Sekunden später noch einmal zu sagen. Manchmal darauf gleich nochmal und nochmal. Vielleicht war es als Stilmittel gedacht, ich empfand es als anstrengend.
    Davon abgesehen ist "Die Zelle" ein interessanter und lesenswerter Psychothriller, der auch dadurch positiv auffällt, dass er von einem deutschen Autoren stammt.

  • Kurz zur Geschichte:
    Sammy, 11 Jahre, zieht mit seinen Eltern, seinem Bruder und einem Au-pair-Mädchen von London nach Berlin. Im Garten der Grunewald Jugendstilvilla entdeckt Sammy einen unterirdischen Tunnel und hört Geräusche. Er verfolgt diese und findet in einer Zelle die völlig mit Gummi ausgekleidet ist und mit einem winzigen Guckloch versehen, ein verängstigtes Mädchen. Am folgenden Tag, als er wieder hinunter geht, ist die Zelle völlig leer und das Mädchen ist weg. Seit dem Umzug nach Berlin benimmt sich Sammy´s Vater komisch. Hat er etwas mit dem gefangenem Mädchen zutun? Wo ist das Mädchen hin? Lebt es noch?

    Meine Meinung:

    Die Situationen sind von Anfang an sehr dicht und atmosphärisch beschrieben, so das man mit Sammy fühlt und leidet. Hinzu kommt dass das Buch fast nur im Haus und auf dem Grundstück spielt, das macht es auch nochmals spannend, da es ein beengter Raum ist und die Charaktere sich fast immer im Blick haben. Ein ungewohnter Hauptcharakter für einen Thriller, ein 11-jähriger Junge. Von Beginn an hat mich die Story in ihren Bann gezogen und bei dem gut zu lesenden Schreibstil, flog ich von Kapitel zu Kapitel. Zwischen den Zeilen spürt man die Verzweiflung von Sammy, da er in seinem Alter gar nicht weiß, wie man mit so einer Situation umgehen soll. Wem kann er sich anvertrauen? Hat er das wirklich alles so gesehen? Wissen vielleicht noch mehr aus der Familie bescheid, oder wollen sie es nicht sehen und verstehen? Selbst als Leserin zweifelt man auf einmal, ob das wirklich alles so gewesen sein kann, wie Sammy es beschreibt? Wem kann man trauen, wem nicht? Diese Ungewissheit macht das Buch für mich extrem spannend und ungewöhnlich.
    Wer einen Thriller lesen will der durchgehen mit Spannung gespickt ist, mit einer außergewöhnlichen Story und wo man als Leser/in selbst nicht mehr weiß was und wem man glauben soll, der kommt mit diesem Buch voll auf seine Kosten.
    Das Buch macht auch Lust auf die anderen Bücher des Autors.

  • x Autor: Jonas Winner
    x Originaltitel: Die Zelle
    x Genre: Psychothriller
    x Erscheinungsdatum: 11. Januar 2016
    x bei Droemer Knaur
    x 336 Seiten
    x ISBN: 3426512769
    x Erste Sätze: Prolog, Winter 2016. Berlin. Schwarzes Aufflackern einer nächtlichen Erinnerung. Dunkelheit. Feuchtigkeit. Kälte. Eine fahle Morgensonne. Trübes Nachmittagslicht. Endlose Nächte. Wenn ich an Berlin zurückdenke, sehe ich eine Stadtwüste vor mir, Brandmauern, Sackgassen, Baugruben – in Schwärze erstarrt.


    Klappentext:


    Warte, warte nur ein Weilchen …


    Sammy ist elf und gerade mit seinen Eltern nach Berlin gezogen. Im Luftschutzbunker der alten Jugendstilvilla in Grunewald macht er eine verstörende Entdeckung. Ein vollkommen verängstigtes Mädchen, nicht viel älter als er, ist dort unten in einer Zelle eingesperrt, die man mit Gummifolie ausgekleidet hat. Nur durch einen winzigen Schlitz hindurch kann er sie sehen. Am nächsten Tag ist die Zelle leer, das Mädchen verschwunden. Und für Sammy kann es dafür eigentlich nur einen Grund geben: seinen Vater.


    Rezension:


    Da mir alle bisher gelesenen Bücher von Jonas Winner richtig gut gefallen haben, war ich sehr gespannt auf seinen neuesten Thriller „Die Zelle“. Zwar ist der Plott dieser Story nicht ganz so ‚anspruchsvoll-verwirrend‘, wie z. B. bei „Der Architekt“, doch eine spannende Geschichte steckt dennoch dahinter.


    Bis auf die letzten wenigen Seiten und gelegentliche Zwischensequenzen ist alles aus der Egoperspektive des damals 11-jährigen Sammy erzählt, der sich in der Gegenwart an die Geschehnisse seiner Kindheit zurückerinnert. Zeitsprünge gibt es aber kaum, so dass sich der Hauptplott in der Kindheit des Protagonisten Sammy abspielt – perfekt , um direkt in die Vergangenheit einzutauchen.


    Richtig gut gemacht fand ich vor allem, dass immer wieder in kursiver Schrift Sammys Gedanken aufgeführt werden. So kann sich der Leser noch besser in das Kind hineinversetzen, wenn es z. B. mit seinem Vater redet, ihn aber aus Angst anlügt, da die wirkliche Meinung direkt hinter der wörtlichen Rede steht – nur eben in kursiver Schrift. Außerdem in kursiver Schrift findet man hin und wieder Auszüge aus Sicht des Täters während seiner Taten. Spannend an dieser Stelle ist, dass man bis auf ein, zwei Hinweise nicht erfährt, wer sich genau dahinter verbirgt. Man sollte dieses Buch auf jeden Fall sehr aufmerksam lesen, damit einem nichts entgeht.


    Zur Story selbst – Sammys Familie, inkl. dem Au-pair-Mädchen, zieht von London nach Berlin. Die Mutter ist Theaterschauspielerin, der Vater komponiert düstere Filmmusik. Da die Ferien gerade erst beginnen und er noch niemanden in Berlin kennt, langweilt sich der 11-Jährige natürlich und stromert über das große Grundstück. Dabei stößt er auf einen Luftschutzbunker und in ihm auf ein völlig verstörtes, eingesperrtes Mädchen, das er durch ein Gucklock beobachten kann. Für Sammy steht fest – eigentlich kann nur sein Vater dahinterstecken, der mit Sammys Bruder schon ein paar Wochen eher nach Berlin fuhr. Diesen darauf ansprechen traut er sich aber nicht. In dem Jungen baut sich dadurch ein unglaublicher Druck auf, der sich schließlich auf eine für die ganze Familie sehr unangenehme Art und Weise in der Öffentlichkeit entlädt und die Geschichte richtig ins Rollen bringt. Zudem findet Sammy noch eine Gefährtin, das Nachbarsmädchen, die er einweiht und die ihm versucht zu helfen, sich dabei aber selbst in höchste Gefahr bringt.


    Mir hat dieser Thriller richtig gut gefallen, vor allem, weil der Autor immer wieder mit den möglichen Wahrheiten spielt. Nimmt der Leser an, er ist dem Geheimnis auf die Spur gekommen, lässt Winner den Wind drehen und plötzlich scheint wieder alles ganz anders zu sein. Und so viel kann ich verraten: Wie die Sache letzten Endes tatsächlich ausgeht, hatte ich als Lösung überhaupt nicht in Betracht gezogen.


    Wer also auf Psychothriller steht, die nicht so leicht zu durchschauen sind: Der neue Thriller von Jonas Winner ist euer Ding.


    Fazit:


    Spannend und fesselnd bis zur letzten Seite.


    Bewertung:


    8 von 10 Sternen

  • Jonas Winner: Die Zelle. Thriller, München 2016, Knaur Taschenbuch, ISBN 978-3-426-51276-0, Softcover, 336 Seiten, Format: 12,5 x 2,7 x 19 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 9,99.


    „Ich habe etwas gesehen, aber keiner glaubt mir. Und als die Polizisten gekommen sind, haben sie auch nichts gefunden. Deshalb muss ich jetzt Tabletten nehmen, weil sie sagen ... dass ich spinne. Ich habe etwas gesehen, und jetzt muss ich die Pillen schlucken.“ (Seite 208)


    Berlin, im Sommer vor 20 Jahren: Die Künstlerfamilie Grossman zieht von London nach Berlin, weil Rebekka, die Mutter, dort ein Engagement als Opernsängerin bekommen hat. Sie ist die Hauptverdienerin. Ihr Mann Nathan konnte nie als Komponist ernster Musik reüssieren, er hält sich notgedrungen mit dem Komponieren von Filmmusik für dubiose Videoproduktionen über Wasser. Seine Söhne Linus (15) und Sam (11) haben den Verdacht, dass er die düstere Jugendstilvilla im Ortsteil Grunewald extra deshalb gemietet hat, um für seine gruseligen Melodien in die richtige Stimmung zu kommen.


    Linus findet schnell Anschluss in Berlin, Sam tut sich damit schwer. Er wollte nicht weg aus London und fühlt sich einsam und unverstanden. Ausgerechnet jetzt sind auch noch Sommerferien, und er hat praktisch keine Chance, jemand Gleichaltriges kennenzulernen. Die Eltern sind mit ihren beruflichen Problemen beschäftigt und scheinen auf sämtliche Anliegen ihrer Söhne nur eine Reaktion zu kennen: Sie schicken sie zur Hausangestellten Hannah. Die ist selbst erst Mitte 20 und mit der Erziehung zweier Jugendlicher überfordert.


    Eine Gefangene im alten Luftschutzbunker!
    Aus Langeweile stromert Sam über das verwilderte Grundstück und stößt auf eine Falltür, die in einen alten Luftschutzbunker führt. Da drunten hat’s eine Kegelbahn, Schallplatten von Elvis – und Whisky. Seinen Vater hat Sam dort schon hinuntergehen gesehen. Offenbar gibt’s mehrere Zugänge, denn auch der Nachbarshund streift durch den Bunker, und der kann bestimmt keine Falltür öffnen.


    Groß ist Sams Entsetzen, als er in dem Bunker ein junges asiatisches Mädchen entdeckt, das in einen Verschlag gefangen gehalten wird. Als er seinen Vater zu Hilfe holen will, reagiert Yoki panisch. Sam wird stutzig: Hat etwa Nathan sie da unten eingesperrt?


    Sam gelingt es nicht, Yoki zu befreien, doch er verspricht ihr, schnellstmöglich wiederzukommen. Er ist durcheinander. Wen soll er jetzt um Hilfe bitten, wem sich anvertrauen? Seinen Vater mit der Entdeckung zu konfrontieren wagt er nicht. Und der Rest der Familie hört entweder nicht zu oder glaubt ihm nicht.


    Als Sam wieder in den Bunker zurückkehrt – allein – ist das Mädchen verschwunden. Hat sein Vater es fortgeschafft? Weiß die übrige Familie Bescheid? Argwöhnisch beobachtet er seine Angehörigen und steigert sich immer mehr in die Sache hinein. Sein verzweifelter Versuch, einen Wildfremden ins Vertrauen zu ziehen, beschert das den Grossmans einen Besuch vom Jugendamt und Sam eine Psychotherapie in Verbindung mit starken Medikamenten. Jetzt ist der Junge völlig durch den Wind und weiß selbst nicht mehr, ob da nun ein Mädchen im Keller war, oder ob er sich das nur eingebildet hat, wie alle sagen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass er etwas zu sehen glaubt, das nur in seiner Phantasie existiert.


    Was ist Wahn und was ist Wahrheit?
    Der Leser weiß auch nicht, ob die Gefangene real ist oder nur eine Halluzination. Zwar sind in die Geschichte jenes Sommers, die Sam 20 Jahre später im Rückblick erzählt, immer wieder die Gedanken eines Menschen eingestreut, der Frauen gefangen hält, foltert und tötet, aber es wird nie klar, ob sie wirklich von Yokis Peiniger stammen, oder ob wir hier nur lesen, wie Sam sich die Gedankenwelt des Täters vorstellt. Im ersten Fall wäre Yoki real, im zweiten Fall wahrscheinlich ein Phantasieprodukt.


    Schließlich gelingt es dem Jungen doch, näheren Kontakt zu einem Menschen außerhalb seiner Familie zu bekommen. Er freundet sich mit Marina Kaplan an, der gleichaltrigen Nachbarstochter, und erzählt ihr alles. Marina glaubt ihm und sucht mit ihm zusammen im Bunker und im Haus nach Spuren. Dabei stoßen sie auf so einiges, was die anderen Hausbewohner lieber für sich behalten hätten. Marina macht das so zu schaffen, dass sie ihrem Vater davon berichtet. Der setzt eine Maschinerie in Gang, die dramatische Folgen hat ...


    Die Stimmung in der Villa ist beklemmend. Weil die Familie praktisch keine Außenkontakte hat und nur „im eigenen Saft kocht“, ist Sam der Situation hilflos ausgeliefert. Er weiß nicht, ob sein Vater ein Monster ist oder ob er den Verstand verliert – und niemand hilft ihm. „Wir können nicht dauernd um dich kreisen“, bekommt er von seiner Mutter zu hören. Die ganze Zeit über habe ich gehofft, dass sich in New York, Tel Aviv oder sonstwo auf der Welt eine resolute Oma oder energische Tante in den Flieger schwingt und beim Berliner Zweig der Familie mal ordentlich den Rauch reinlässt. So kann man doch nicht mit Kindern umgehen! Aber es kommt keiner. Sam muss alle Ängste, Schuldgefühle, Zweifel und das allmähliche Auseinanderbrechen seiner Familie ganz alleine durchstehen.


    Der Rückblick – ein kluger Kunstgriff
    „Es stimmte nicht, dass man keine Angst haben musste. Es gab Dinge, die einem geschehen konnten, entsetzliche Dinge, die so fürchterlich waren, dass, wenn sie einem widerfuhren, es die ganze Zeit war, als würde sich ein Schrei aus der Brust winden.“ (Seite 120). Solche Dinge gehen Sam durch den Kopf.


    Möglich werden Sätze wie diese, weil der mittlerweile erwachsene Sam versucht, in Worte zu fassen, was er als Elfjähriger erlebt, gedacht und empfunden hat. Ein kluger Kunstgriff. Sonst hat man mit sehr jungen Ich-Erzählern nämlich das Problem, dass ihnen die Lebenserfahrung fehlt, um das Gesehene und Geschehene angemessen beschreiben und bewerten zu können. Und nutzt der Autor sein Wissen als Erwachsener, wirkt das unnatürlich altklug.


    Genretypisch wird’s hier gelegentlich blutig, grausig und recht unappetitlich, und so wirklich sympathisch ist eigentlich keine der Figuren. Okay, Sam genießt noch Welpenschutz. Auf jeden Fall will man als Leser wissen, was wirklich vorgefallen ist und man liest und liest – bis zum finalen Paukenschlag. Nein, mit diesem Ende habe ich nicht gerechnet! Plausibel ist es, es kommt nur sehr zufällig ans Licht.


    Der Showdown (vor allem die Axt-Szene!) war mir ein bisschen zu sehr „amerikanischer Actionfilm“ und will nicht so ganz zum kammerspielartigen Rest passen. Und ein wenig ging es mir am Schluss so, wie dem armen Sam in der Geschichte: Ich frage mich immer noch, was Realität und was Psychose war. Ist der Roman so perfide aufgebaut, dass der Leser das gar nicht wissen soll – oder stimmt mit mir was nicht, weil ich die Story nicht restlos begriffen habe?


    Normalerweise hasse ich es ja wie die Seuche, wenn mich ein Buch mit dem Gefühl zurücklässt, das Geschehen nicht durchschaut zu haben. Hier begeistert es mich auch nicht, aber zu dieser Story passt’s. Man bekommt den Hauch einer Ahnung, wie der arme Protagonist sich die ganze Zeit über gefühlt haben muss ...


    Der Autor
    Jonas Winner, geboren 1966 in Berlin, aufgewachsen in Rom und den USA, ist promovierter Philosoph. Er arbeitete nach dem Studium in Berlin und Paris als Journalist, Redakteur für das Fernsehen und als Drehbuchautor (ARD, ZDF, Sat.1). Sein Selfpublishing-Bestseller "Berlin Gothic" sorgte im Netz für Furore. 2012 feierte er mit dem Thriller "Der Architekt" einen großen Erfolg, 2014 folgte "Das Gedankenexperiment". Der Autor lebt mit seiner Familie in Berlin.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Der 11 jährige Sammy zieht mit seinen Eltern,Bruder Linus und dem AuPair Hannah von London nach Berlin, weil seine Mutter dort eine Anstellung an der Oper bekommen hat. Sein Vater arbeitet zu Hause an Kompositionen für Filmmusik, sehr düsterer Filme. Eines Tages bemerkt Sammy wie sein Vater in einer Hütte im Garten verschwindet und als er ihm nachfolgt ist die Hütte leer, nur eine Falltür in den Keller sieht er. Neugierig wie er ist steigt er hinab und entdeckt ein Tunnelsystem (u.a. auch mit einer Bowlingbahn), sehr wahrscheinlich aus dem 2 Weltkrieg. Als er wieder nach oben klettert entdeckt er eine gummiausgekleidete Zelle in dem ein junges Mädchen steckt, das er sprachlich nicht versteht, aber das dort gefangen gehalten wird. Dieses Ereignis lässt ihn nicht mehr los und so geht er am nächsten Tag wieder zur selben Stelle, allerdings ist die Zelle leer. Aber diese Erlebnis beschäftigt ihn weiter, da er seinen Vater verdächtigt dem Mädchen etwas getan zu haben, will er sich seinem Bruder anvertrauen. Linus glaubt jedoch Sammy kein Wort, als dann der Nachbar die Geschichte der Vorbesitzer erzählt, werden die Ängste Sammy´s immer größer bis hin zu Tagträumen. Einige Zeit später lernt er dann Marina das Nachbarkind kennen, ihr kann er sich das erste Mal so richtig anvertrauen. Doch dann ist auch sie verschwunden und wer wird verdächtigt Sammy´s Vater und die Ereignisse spitzen sich immer mehr zu.


    Meine Meinung:
    Schon lange habe ich kein so ein emotional spannendes Buch gelesen. Der Autor fesselt den Leser ein bißchen in Steven King Manier, so das man von dem Roman so fasziniert ist das man ihn nicht mehr aus der Hand legen kann. Es erwartet einen in diesem nicht nur actionreiche Spannung, sonder vor allem emotionale Spannung die einen nicht mehr los lässt. Dieser Autor weiß nur zu gut wie man die Leser überraschen und täuschen kann. Mehrmals werden in diesem Buch falsche Fährten gelegt, so das man dadurch immer noch neugieriger wird.Das Ende hat mich dann etwas verstört zurück gelassen. Ich muss sagen das diese Buch eher in die Psychothriller Genre gehört. Das Cover ist sehr einfach gehalten, jedoch durch die düsteren Farben spricht es einen an. Auch der Titel und die Kurzinfo hatten zu mindestens mich sehr neugierig gemacht und ich wurde nicht enttäuscht. Manche Seiten und Szenen sind sicher für etwas zartbesaitete Leser nichts, aber die sollten dann auch besser keine Thriller lesen. Für mich ist Jonas Winner eine absolute Überraschung und ich kann diese Buch nur jedem weiterempfehlen. Darum auch die Höchstnote für dieses Meisterwerk.

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."