Kurzbeschreibung:
Jeremy Pauling ist ein kauziger, aber liebenswerter Eigenbrötler, der Angst vor den simpelsten Dingen des Alltagslebens hat. Er fürchtet sich davor, die Haustür aufzumachen, Briefe zu öffnen, Elektrogeräte einzuschalten oder das haus zu verlassen. Ohne es zu wollen, bringt er in seiner rührenden Hilflosigkeit die verschiedenen Frauen seiner Umgebung dazu, sich seiner anzunehmen. Da sind zum Beispiel eine verständnisvolle alte Jungfer, ein flippiges junges Mädchen und vor allem seine mütterliche Untermieterin Mary, die einen extrem ausgeprägten Familiensinn besitzt. Mary stürmt in sein Leben hinein, erst als Untermieterin, dann als Partnerin und innerhalb weniger Jahre als Mutter zahlreicher Kinder.
Über die Autorin:
Anne Tyler wurde 1941 in Minneapolis geboren, studierte Russisch in New York und lebt heute in Baltimore. Mit ihren bislang 20 Romanen gilt sie als eine der renommiertesten amerikanischen Schriftstellerinnen. Für "Atemübungen" erhielt sie 1989 den Pulitzer-Preis, "Die Reisen des Mr. Leary" wurde erfolgreich verfilmt.
Meine Meinung:
Die Geschichte um Jeremy Pauling wird aus der Sicht verschiedener Personen geschildert. Es beginnt im Herbst 1960 aus der Sicht seiner älteren Schwester mit dem Tod ihrer Mutter, für die Jeremy ihr Ein und Alles war. Sie hat ihn versorgt, seine Kunst gefördert und ohne sie ist er hilflos. Sie hatte ihr Haus untervermietet an diverse Personen und Jeremy macht einfach weiter wie bisher.
Weitere Erzähler sind Jeremy selbst, dann Mary, die nachdem sie ihren Mann verlassen hat, bei ihm als Untermieterin mit ihrer kleinen Tochter Unterschlupft findet, bis Jeremy und sie schließlich ein Paar werden.
Die Geschichte endet 1973 aus der Sicht der älteren Buchhändlerin Miss Vinton, die schon ewig in diesem Haus wohnt.
Mir hat die Art des Buchs gefallen, die diversen Erzählperspektiven ergeben einen umfassenden Einblick in das Leben, das Jeremy führt, aber zugleich auch auf die Beziehungen der verschiedenen Personen, ihre Gedanken und Erwartungen. Jeremy ist "anders", er ist Künstler, für den zwischenmenschliches Mühe bedeutet, er geht nicht vor die Tür und ist total weltfremd. Und so ist es traurig mitzuerleben, wie sich die Beziehung von Mary zu ihm wandelt und wie unterschiedlich beide es sehen und was sie für Erwartungen haben.
Die Abschnitte aus Jeremys Sicht haben mir am wenigsten gefallen, weil es sich hauptsächlich um seine Kunst dreht und um die Dinge, die er nicht will und nicht kann. So hätte ich ihn so manches Mal ordentlich schütteln wollen, um seinen Blick auf die Menschen richten zu lassen.
Mary tat mir leid, doch sie hat die größte Entwicklung gemacht, von der Frau, die abhängig ist zu einer starken Matriarchin, die sich jedoch immer zurücknimmt, um Jeremy Raum zu lassen.
Mich lässt das Buch mit gespaltenen Gefühlen zurück, denn einerseits mag ich Anne Tylers Art zu schreiben und Beziehungen zu schildern, doch das Ende war für mich nicht zufriedenstellend, wobei ein anderes Ende nicht überzeugend gewesen wäre.
Von mir 7 Punkte