Worum es geht
Physikalisch lässt sich die Nacht seit knapp 500 Jahren erklären, und doch ist sie für uns Menschen immer noch mit tiefsitzenden Ängsten verwurzelt. Wie unsere Vorfahren ihre Nächte verbrachten, seit wann unsere Städte taghell erleuchtet sind, und das Nachtleben als neue Tageszeit Bedeutung erlangte, ist ebenso Thema des Buches wie die Schlaf- und Traumforschung.
Der Autor betrachtet aber auch andere dunkle Seiten, so etwa die der Wissenschaft als wichtige Ergänzung zur rationalen Forschung, oder die Doppelmoral, ohne die kaum eine Gesellschaft jemals ausgekommen ist.
Wie es mir gefallen hat
Mit dem Phänomen der Nacht, die ja ganz selbstverständlich zu unserem Leben gehört, und sicher genauso oft herbeigesehnt wie verwunschen wird, habe ich mich bisher noch nie näher beschäftigt. Deshalb war ich auf das vorliegende Buch, das mich nicht nur vom Klappentext, sondern auch von Titel und Cover her sehr angesprochen hat, doch recht neugierig.
Die Frage, warum es dunkel wird, können die meisten Menschen (Kopernikus & Co sei Dank) ja sicher richtig beantworten; schwieriger ist schon zu erklären, warum uns der nächtliche Sternenhimmel schwarz erscheint. Auch wenn man sich bewusst macht, dass jeder Blick zum Nachthimmel ein Blick in die Vergangenheit unseres Universums ist, kann ich mir doch schwer vorstellen, dass dieses Schwarz die undurchdringliche Materie etwa 300 000 Jahre nach dem Urknall zeigt, als sich noch keine Atome gebildet hatten. Warum der Himmel angesichts dieser gewaltigen Energiemengen nicht ständig blendend weiß erstrahlt, konnte erst die Relativitätstheorie mit ihrer Idee eines sich expandierenden Weltalls zufriedenstellend erklären.
Selbst die Nutzbarkeit des Feuers änderte nicht viel an den Ängsten der Menschen, die die Dunkelheit mit sich bringt. Im Schutz der Nacht treiben Geister und Dämonen ihr Unwesen, während Krankheiten sich oftmals verschlimmern, und zwielichtige Existenzen nichts Gutes im Schilde führen. Lange noch wurde die Nacht als "böse Tageszeit" bezeichnet, und doch kommt das Leben generell und individuell aus dem Dunklen.
Über die Schlafgewohnheiten unserer Vorfahren und die Geschichte der "Bettstatt" habe ich auch noch gerne gelesen, doch danach wird die Lektüre zeitweise recht mühsam. Sicher gehört auch das Schlafen und Träumen (aber nicht unabdinglich) zur Nacht, allerdings hätten mir die Erläuterungen im historischen Kontext, der sicher noch ausbaufähig gewesen wäre, genügt. Die Schlafforschung und Sigmund Freud mit seiner Traumdeutung hätte man meiner Meinung nach nicht bemühen müssen.
Das Kapitel über die dunkle Seite der Wissenschaft hat mich wiederum sehr zum Nachdenken angeregt, habe ich mir doch noch nie überlegt, dass bedeutende Fortschritte allein durch rationale Überlegungen oder Versuche erst gar nicht zu erbringen gewesen wären. Zwar ist die Vernunft die Basis jeder ernst zunehmenden Forschung, doch muss ihr eine Idee (heliozentrisches Weltbild, Existenz von Atomen, Mikroben ...) zugrunde liegen, die erst einer Verifizierung bedarf. Nicht wenige Wissenschaftler berichten, dass ihnen nach dem Erwachen plötzlich die Lösung eines Problems, das sie intensiv beschäftigt hatte, vor Augen stand, und sie in ihrer Arbeit den alles entscheidenden Schritt weiterbrachte.
Für sein Buch hat Fischer zwar sehr viele an sich interessante Themen aus der Naturwissenschaft, der Philosophie, Psychologie, Religion, der Sozial- und Kulturgeschichte, sowie dem Sexualverhalten und der klassischen Literatur angesprochen, doch gerade an dieser Vielfalt setzt meine Kritik an. Statt sich wenigen Gebieten auf den nur 240 Seiten ausführlicher zu widmen, überfordert der Autor seine Leser letztlich mit zu vielen verschiedenen Spektren, und lässt bedauerlicherweise auch einen systematischen Aufbau mit einem durchgehenden Leitfaden vermissen. Die Übergänge waren mir oft zu abrupt, die Argumentationskette wurde von allzu vielen, sehr persönlich anmutenden Behauptungen unterbrochen.
Irritierend finde ich im Nachhinein betrachtet auch den Untertitel des Buches - Eine Naturgeschichte der Dunkelheit - "Kulturgeschichte" würde vielleicht besser passen.
Atemlos vor Spannung bin ich Ernst Peter Fischer zwar nicht "Durch die Nacht" gefolgt, habe von der Lektüre aber trotzdem profitiert und einige Wissenslücken gefüllt.
Wer seine Erwartungen im Hinblick auf die Rätsel der Nacht nicht allzu hoch schraubt, und sich auf allerlei Plaudereien - natürlich auf hohem Niveau - einlassen möchte, dem kann ich von dem Buch zumindest nicht abraten.