'Der Fänger im Roggen' - Kapitel 22 - Ende

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    Original von Matoaka
    Was war das denn mit Mr. Anatolini? Er beobachtet Holden nachts beim schlafen? Sehr beunruhigend. Die Reaktion von Hol.den kann ich verstehen. Ich wäre auch direkt abgehauen.


    Ich weiß nicht :gruebel. Bisschen seltsam ist es wohl, aber ich hatte an der Stelle eher das Gefühl, dass Holden überreagiert, weil er in fast jeder Hinsicht am Ende ist und nicht mehr klar denken kann.


    Zitat

    Original von Clare
    Ich frage mich, ob es da früher, vielleicht in der Kindheit auch schon Übergriffe oder Missbrauch gab, was so einiges erklären würde in Holdens Verhalten.Am Ende des24. Kapitels steht:"Wenn so etwas passiert, fange ich immer an zu schwitzen. So'n Zeug habe ich mindestens zwanzigmal erlebt, seit ich klein war."


    Das wäre natürlich eine Möglichkeit, die einiges erklären könnte.


    Zitat

    Inzwischen hast du es sicher auch gelesen. Ein schlüsselerlebnis war für Holden scheinbar, dass sich ein Schulkamerad, der von anderen gequält und in die Enge getrieben wurde, aus dem Fenster stürzte. Das Bild hat er wohl verdrängt, aber verlassen hat es ihn nicht. Vielleicht geht es ihm deshalb so oft um Stürze und Abstürze.


    An dieser Stelle musste ich denken, dass Holden schon einiges erleben musste, das ihn traumatisiert und aus der Bahn geworfen hat. Einen psychologischen Dienst gab es damals wohl noch nicht, der Schülern bei derartigen Dramen "erste Hilfe" geleistet hab.


    Wenn man sich intensiv mit der Geschichte von Holden beschäftigt bleiben viele Fragen offen. Z. B. hätte ich gern etwas mehr Informationen über die Eltern gehabt.
    Aber ok, man erfährt alles nur aus Holdens Sicht, und da scheinen die Eltern keine allzu große Rolle zu spielen.


    Letztlich hat die Verzweiflung und Zerrissenheit des "guten" Holden schon "irgendwie" mein Mitgefühl geweckt, aber der Nervfaktor seines oftmals verqueren Geplappers und der öden Sprache war leider ziemlich groß.


    Ich bin froh, dass ich das Buch gelesen und diese Bildungslücke geschlossen habe und hoffe, dass Holden seinen Weg gefunden haben wird.
    Aber ich gestehe, der Abschied fällt mir nicht schwer und ich glaube nicht, dass der Fänger im Roggen lange in mir nachhallen wird ;-).


    Dank euch für die wieder mal großartige Leserunde. Die hat wirklich Spaß gemacht :knuddel.

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    Original von Lumos


    An dieser Stelle musste ich denken, dass Holden schon einiges erleben musste, das ihn traumatisiert und aus der Bahn geworfen hat. Einen psychologischen Dienst gab es damals wohl noch nicht, der Schülern bei derartigen Dramen "erste Hilfe" geleistet hab.


    Ja, da ist schon einiges zusammengekommen.


    Vermutlich will ich deshalb einfach nicht glauben, dass Antolini ihm böses wollte, weil ich denke, er hat doch schon genug erlebt. Nicht auch noch das!
    Holden tut mir leid, ich habe auch liebenswerte Seiten an ihm entdeckt. Das ändert nichts an der Tatsache, dass er oft unerträglich ist.

  • Zitat

    Original von Lumos


    Ich weiß nicht :gruebel. Bisschen seltsam ist es wohl, aber ich hatte an der Stelle eher das Gefühl, dass Holden überreagiert, weil er in fast jeder Hinsicht am Ende ist und nicht mehr klar denken kann.


    Ich glaube auch nicht, dass Mr. Antolini wirklich sexuelle Hintergedanken hatte. Ich denke, es war eine zärtliche Geste, die Holden falsch interpretiert hat. Er scheint ja grundsätzlich Angst vor Homosexualität zu haben.


    Er hat ja auch grundsätzliche Probleme mit körperlicher Nähe, selbst bei seiner Schwester:


    "Holden!", sagte sie sofort und schlang die Arme um meinen Hals und so. Sie ist sehr zärtlich. Ich meine, für ein Kind ist sie wirklich sehr zärtlich. Manchmal sogar zu zärtlich.


    Insofern würde ich auch seine Aussage, dass ihm sowas schon oft passiert ist, nicht als Zeichen für Missbrauch werten, sondern im Zusammenhang mit seinem grundsätzlichen Problemen, mit anderen wirklich in Kontakt zu kommen.

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    Original von PMelittaM


    Und im ersten Abschnitt steht auch (bei mir auf S. 8, habe ich jetzt extra herausgesucht): " Deshalb bekam ich auch sozusagen Tb und musste mich hierher begeben, für alle diese verdammten Untersuchungen und so weiter" Gut, dieses "sozusagen" schränkt ein bisschen ein, aber ich habe daraus gelesen, dass er in eine Tb-Klinik kam. Dass er dort auch Psychoanalyse hatte, warum nicht, in USA war das ja modern. Auch bei uns gibt es in jeder Kur-/Rehaklinik Psychologen. Nirgendwo steht explizit, dass er sich in einer psychiatrischen Anstalt befindet.


    Ich gehe auch eher davon aus, dass es sich um eine psychatrische Anstalt handelt.


    Die Logik von Holden, dass er TB hat, weil er raucht und in kurzer Zeit stark gewachsen ist, klingt genau so an den Haaren herbeigezogen, wie seine anderen Geschichten (der angebliche Hirntumor, von dem er der Mutter berichtet, die er im Zug trifft; die wunde Stelle im Mund, die ein Hinweis auf Krebs sein soll...). TB ist eine bakterielle Erkrankung, die man sich von anderen Erkrankten holt, nicht vom Rauchen, nicht vom Wachsen und nicht, weil man im Regen rumrennt. Außerdem war sie zu dem Zeitpunkt der Geschichte spielt, schon mit Antibiotika zu behandeln und die Lungenheilanstalten waren auf dem absteigenden Ast...


    Holden ist wohl das klassische Beispiel für einen unzuverlässen Erzähler. Krankheitssymptome bekommen wir nur in Holdens Erzählung serviert. Die Symptome für einen Zusammenbruch, gegen Ende sogar ziemlich akut (die Angstanfälle auf der Straße) sehen wir aber von außen. Deshalb gehe ich von einer Nerven-, nicht von einer Lungenheilanstalt aus.


    Möglicherweise möchte er das auch verschleiern, indem er in seiner Erzählung die angebliche TB als Grund angibt...

  • Wie geht es mit Holden weiter? Es ist beschlossene Sache, dass er weiter zur Schule geht. Das Hamsterrad beginnt von vorn. Hat er klein beigegeben? Oder haben seine Eltern es geschafft, ihn zu überzeugen? In dem Zustand, wie er war, hat er sicher nicht viel Gegenwehr leisten können.
    Oder haben ihn tatsächlich Antolinis Argumente über den Sinn einer akademischen Laufbahn überzeugt? Es klingt nicht danach.
    Wäre es nicht besser, er würde tatsächlich mal arbeiten gehen, wie er es vorhatte, bis er Phoebes Frage beantworten kann: was er nämlich wirklich gern hat.

  • Antolinis Streicheln war sicher seltsam, ich denke aber, dass es eher nur das Streicheln eines Kranken war.


    Das Gespräch mit Antolini fand ich sehr gut. Holden geht also an seinen hohen eigenen Moralvorstellungen zugrunde und kommt mit der Schlechtheit der Welt und der Menschen nicht klar. Er hat zwar in vielen Versuchen geprüft, ob er sich auch so verhalten.kann, ist aber immer dabei gescheitert. Der edle Mensch.


    Den letzten Abschnitt fand ich nun insgesamt sehr gut und vor allem Phoebe hat mir sehr gut gefallen.

  • Ich bin froh, dass ich dieses Buch nun ausgelesen habe.


    Mein Fazit:
    Ich freue mich auf die nächsten Querbeet-Runden in diesem Jahr mit euch und hoffe, dass wir auch weiter so lebendig miteinander diskutieren. Das hat mir großen Spaß gemacht.


    Ich bin froh, dass es in Mr. Antolini einen Menschen gibt, der mit Holden ein halbwegs vernünftiges Gespräch führen kann. Ob das Streicheln einen sexuellen Hintergrund hatte oder nicht, es zerstört auf jeden Fall das Vertrauen, das Holden zu Mr. Antolini hatte, und das ist natürlich angesichts seiner Entkräftung mehr als tragisch.
    Ein Glück, dass der Junge am Ende in einer Psychatrie behandelt wird. Das steht ja schon auf der ersten Seite und das war auch meine Lesemotivation, dieses Buch durchzuhalten. Ich wollte nämlich wissen, wie er da landet.


    Das offene Ende ist das Beste in dem ganzen Buch. Anonsten ist mir der (Welt)-Erfolg immer noch schleierhaft.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Für mich war das Beste an diesem Buch auch eindeutig die Leserunde :-]


    Der letzte Abschnitt hat mir besser gefallen, als der Rest vorher, vor allem das Gespräch mit Antolini fand ich sehr interessant und auch, dass ihn quasi seine kleine Schwester vor sich selbst rettet, fand ich gut.
    Ansonsten habe ich die ganze Zeit auf den großen Rebellen Holden Caulfield gewartet, aber für mich war da die ganze Zeit nur Verzweiflung und Einsamkeit, wirklich als rebellion habe ich sein verhalten nie empfunden.

  • Zitat

    Original von Zwergin


    Der letzte Abschnitt hat mir besser gefallen, als der Rest vorher, vor allem das Gespräch mit Antolini fand ich sehr interessant und auch, dass ihn quasi seine kleine Schwester vor sich selbst rettet, fand ich gut.


    Wobei es durchaus nicht sicher ist, dass das für Holden wirklich die Rettung ist.

  • Zitat

    Original von xexos
    Holden.ist kein Mitläufer und er funktioniert nicht im Sinne des Systems und der sozialen Ordnung. Vielleicht wurde dies damals schon als Rebellion angesehen?


    Aber zu einer Rebellion gehört etwas, gegen das man rebelliert. Das sehe ich bei Holden nicht. Er lehnt sich nicht auf gegen alterhergebrachte Zustände, gegen Personen oder seine Eltern. Er ist allein und traurig und verzweifelt und betrunken und so vieles, aber kein Rebell für mich.
    Vielleicht verstehe ich das Buch auch nur nicht... :rofl

  • Das kann natürlich sein, dass einfach nicht ins Schema zu passen und nicht richtig zu "funktionieren" damals schon als große Rebellion angesehen wurden, ich hatte da mehr erwartet.


    Allerdings lese ich grade "Der Anschlag" von Stephen King und der Ich-Erzähler ein Englischlehrer aus dem Jahr 2011 schwärmt auch von den Mut und dem rebellischen Geist von Holden. :gruebel kam bei mir so gar nicht an.

  • Er widersetzt sich der Leistungsgesellschaft. Sein Wunsch ist es, auszusteigen. Kein Konsum, kein dickes Gehalt, höchstens ein bisschen Benzin nachfüllen, um überlebenden.zu können. Nicht einmal reden möchte er mehr. Spielte das Buch in der Schweiz, ginge er vielleicht auf eine einsame Alm und würde Senner?

  • Zitat

    Original von xexos
    Er widersetzt sich der Leistungsgesellschaft. Sein Wunsch ist es, auszusteigen. Kein Konsum, kein dickes Gehalt, höchstens ein bisschen Benzin nachfüllen, um überlebenden.zu können. Nicht einmal reden möchte er mehr. Spielte das Buch in der Schweiz, ginge er vielleicht auf eine einsame Alm und würde Senner?


    Das sagt er zwar, ich nehme ihm keine Sekunde ab, dass er das wirklich aussteigen würde. Er kann sich seine Verweigerung leisten, weil seine Eltern ihn finanziell unterstützen. Er kotzt sich über die Snobs aus und fährt mit demTaxi, wohnt im Hotel, trägt einen Kamelhaarmantel etc. Tut mir leid, aber das reicht für mich nicht für einen Rebell.
    Ich suche mal ein paar Kritiken im Netz, ich will das auch verstehen, warum sich immer wieder Leute und Literatur auf ihn beziehen.


    Edit:
    Artikel

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • Für mich ist Holden ein Schwätzer, einer der große Reden schwingt, aber sowieso so weitermacht wie bisher. Dafür ist Daddys finanzielle Unterstützung und der damit einhergehende Luxus viel zu wichtig für ihn. Wenn überhaupt, dann ist er ein "Möchte-gern-Rebell". :rolleyes

    "There is beauty in imperfections. They made you who you are. An inseparable piece of everything…" Arcane

  • Zu dem von dir verlinkten Artikel, Regenfisch, kann ich nur schreiben, dass ich weitaus bessere Bücher zum Thema gelesen habe, vor allem sprachlich.
    Den Hype dieses Buches erkläre ich mir persönlich so, dass Salinger wohl der erste war, der in dieser "rotzigen Art" in den prüden 50ern das Thema angesprochen hat. Mich wundert deshalb nicht, dass es solche Reaktionen ausgelöst hat.


    Behaupten, so ein bekanntes Buch, habe ihn inspiriert, kann jeder. Ob man das allerdings jedem Promi/Künstler auch abkaufen kann? Ich weiß nicht.
    Dass ein psychisch kranker Mörder sich allerdings auf dieses Buch beruft, kann ich mir da schon eher vorstellen.


    Ich finde das Buch einfach schlecht. Und Holden ist für mich kein Held. Viele Klassiker überraschen mich positiv. Dieses gehört nicht dazu.

    "There is beauty in imperfections. They made you who you are. An inseparable piece of everything…" Arcane

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Saiya ()

  • Als ich in diese Leserunde startete, kannte ich vom Buch nicht mehr als den Titel. Deshalb war ich zunächst verwundert, dass das einige Mitleser auf der Suche nach einem rebellierenden Helden waren. Irgendwann verstand ich, dass Holden ein entsprechender Ruf vorauseilte.


    Die Frage ist, wo denn Rebellion anfängt. Um das zu beantworten, muss man sich in die damaligen Zustände, an die Erwartungen an die Kinder hineinfühlen, was mir schwer fällt.


    Dass ihn die Zustände ankotzen, wie sehr er darunter leidet, wird mehr als deutlich. Wie hätte "wahre" Rebellion als Nicht-Volljähriger aussehen können, außer Leistungsverweigerung? Der Plan mit der Blockhütte war ja doch unrealistisch.