Wem die Stunde schlaegt - Hemingway

  • Titel: Wem die Stunde schlaegt
    Autor: Ernest Hemingway
    Originalsprache: Englisch
    Originaltitel: For Whom The Bell Tolls


    Über den Autor:
    Amerikanischer Journalist und Schriftsteller, Hemingway nahm am Spanischen Bürgerkrieg freiwillig gegen die Faschisten teil. Er war Kriegsberichterstatter im zweiten Weltkrieg. 1954 erhielt er den Literaturnobelpreis.


    Inhalt:
    Der Roman beschreibt drei Tage waehrend des Spanischen Bürgerkrieges auf der Seite der Partisanen. Ein junger amerikanischer Freiwilliger, Robert Jordan, ist damit beauftragt, waehrend der Offensive der Republikaner eine strategisch wichtige Brücke zu sprengen und muss dafür mit den Partisanen vor Ort zusammen arbeiten. Mit zahlreichen Flashbacks wird über die Umstaende in damaligem Spanien, die Kaempfe zwischen den Republikanern und Faschisten und sogar über den amerikanischen Bürgerkrieg berichtet.


    Meine Meinung:
    Vorab muss ich sagen, dass ich das Buch auf Englisch gelesen habe, obwohl ich bei der Rezension den deutschen Titel benutze. Über die Qualitaet der deutschen Übersetzung kann ich nichts sagen. Auf Englisch liest sich der Roman sehr flüssig, Hemingway benutzt eine sehr einfache, schlichte aber zugleich maechtige Sprache. Obwohl es nur eine kurze Zeit von 3 Tagen anspannt und obwohl die Handlung durch Flashbacks unterbrochen wird, bleibt der Spannungsbogen bis zur letzten Seite erhalten und es gibt im Verlauf reichlich überraschende Wendepunkte. Die Charaktere werden so gut dargestellt, wie jemand sie innerhalb 3 Tagen kennenlernen könnte. Die Handlungen werden sehr realitaetsnah geschildert, Hemingway schöpft hier eindeutig von eigenen Erfahrungen.
    Obwohl ich die Schreibweise von Hemingway sehr schaetze, ist das Thema meiner Meinung nach sehr oberflaechlich behandelt worden, insbesondere wenn man die Brisanz des Krieges und dessen Folgen betrachtet. Obwohl der Autor auf die Ideologie und die Beweggründe der einzelnen Charaktere eingeht, bleibt der Hauptcharakter eher unpolitisch, was zu seinen hingebungsvollen Handlungen eher nicht passt, dasselbe gilt für die meisten anderen Charaktere. Der Autor schafft es, über einen höchst ideologischen Krieg auf fast unparteiischer Art und Weise zu berichten, dadurch verliert der Roman meiner Meinung an Tiefgründigkeit.
    Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich den Roman für lesenswert halte. Vielleicht weil ich wegen dem Ruf des Buches sehr hohe Erwartungen hatte, finde ich es eher mittelmaeßig, von mir 6/10 Punkte.

  • Herzlichen Dank Dir für die erste Rezi zu diesem Buch.


    Bei mir ist es um die 20 Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber ich weiß noch genau, dass es mir nicht besonders gefallen hat. Ich kann aber grundsätzlich mit Hemingway nichts anfangen, alle 3 Bücher, die ich von ihm gelesen habe, konnten mich überhaupt nicht erreichen, geschweige denn berühren.


    Bei diesem Buch hat mich am meisten das vorangestellte Gedicht von John Donne berührt; das hat mir so gefallen, dass ich es sogar heute noch auswendig weiß.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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  • Zitat

    Original von parvati
    Obwohl ich die Schreibweise von Hemingway sehr schaetze, ist das Thema meiner Meinung nach sehr oberflaechlich behandelt worden, insbesondere wenn man die Brisanz des Krieges und dessen Folgen betrachtet. Obwohl der Autor auf die Ideologie und die Beweggründe der einzelnen Charaktere eingeht, bleibt der Hauptcharakter eher unpolitisch, was zu seinen hingebungsvollen Handlungen eher nicht passt, dasselbe gilt für die meisten anderen Charaktere. Der Autor schafft es, über einen höchst ideologischen Krieg auf fast unparteiischer Art und Weise zu berichten, dadurch verliert der Roman meiner Meinung an Tiefgründigkeit.


    Dass ein Roman dadurch, dass über einen höchst ideologischen Krieg auf fast unparteiische Weise berichtet, an Tiefgründigkeit verlieren soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. Gerade eine gewisse unparteiische Erzählweise, die dem/der Leser/in auch selbst die Wertung überlässt, statt sie diesem/dieser "vorzuschreiben", ist doch ein Kennzeichen für Tiefgründigkeit.


    Könnte Dein Problem vielleicht darin liegen, dass Hemingway sich eben nicht auf eine eindeutige Wertung in Bezug auf den Spanischen Bürgerkrieg festgelegt hat, womit er dir und auch uns anderen Lesern/innen die Möglichkeit nimmt, sein Buch daran zu messen / zu bewerten, inwiefern er deine bzw. unsere eigene Meinung zum Spanischen Bürgerkrieg "bestätigt" oder dieser "widerspricht"?


    Vielleicht ist unser Problem mit Ernest Hemingway (1899 - 1961) aber einfach nur, dass er, wie auch seine Lebensdaten zeigen, sozusagen aus einer ganz anderen Zeit ist, und seine Bücher uns heute nichts mehr zu sagen haben, weil wir einfach in einer ganz anderen Zeit leben, seine Zeit aber (im Gegensatz zu früheren Zeitepochen wie dem Mittelalter) noch keineswegs als endgültige Vergangenheit abtun können.


    Hinzu kommt auch, dass wir heute, nicht zuletzt auch durch den dominanten Einfluss von Fernsehen und Internet eine ganz andere Lesetechnik entwickelt haben, als noch seine Zeitgenossen. Bliebt noch, dass sich auch unsere Wertvorstellungen stark geändert haben.


    "Wem die Stunde schlägt" (For Whom The Bell Tolls") wurde 1940 publiziert, es geht um den Spanischen Bürgerkrieg aus den Jahren 1936 bis 1939. Für uns ist das heute längst Geschichte, zur Entstehungszeit war "Wem die Stunde schlägt" ein Zeitroman, das Thema brandaktuell.


    Im Gegensatz zu den meisten von uns (zumindest im deutschsprachigen Raum), deren Erfahrung mit Kriegen und Gewalt sich doch zum Glück eher auf Bilder aus Fernsehen und Internet beschränkt, befand Hemingway sich, wie aus seiner Biographie hervorgeht, im Spanischen Bürgerkrieg direkt "an der Front". Er schrieb also über ein Geschehnis, in das er persönlich und direkt involviert war, und es spricht einiges dafür, dass in seinen Werk viel Autobiographisches eingeflossen ist, auch wenn er darüber einen Roman mit "fiktiven" Figuren und keine Memoiren geschrieben hat.

    Da der Krieg in vielen seiner Werken Thema ist, ist es sicher nicht falsch, davon auszugehen, dass ihn die persönlichen Erfahrungen, die er mit den beiden Weltkriegen und dem Spanischen Bürgerkrieg gemacht hat, stark beeinflusst haben. Gut vorstellbar, dass er so auch versucht hat, eigene traumatische Erfahrungen zu bewältigen, und die "Sachlichkeit", mit der er über vieles berichtet, vielleicht ein gewisser Schutzschild für ihn war oder für ihn notwendig, um darüber überhaupt in einer Form berichten zu können, mit der er es schaffte, seine Leserschaft zu erreichen, bei der er seine eigenen Erfahrungen in dieser Form nicht voraussetzen konnte.


    Berücksichtigen würde ich außerdem, dass Hemingway zu einer Zeit schrieb, wo es noch üblich war, "Informationen" auch zwischen den Zeilen zu geben, und er für eine Leserschaft schrieb, die daher noch gewohnt war, auf so etwas beim Lesen zu achten.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Hm, ich denke, ich habe mich vielleicht unzureichend ausgedrückt. Mich stört es nicht, dass Hemingway unparteiisch ist, sondern dass seine fiktiven Charaktere im Roman es sind, die ja bereit sind, für eine Ideologie zu sterben, ohne mit den Wimpern zu zucken. Dadurch, dass die Beweggründe der Charaktere nur unzureichend behandelt worden sind, bleiben ihre selbstopferischen Handlungen in der Luft, sie wirken ja fast bizarr. Man könnte meinen, dass der Autor dadurch die Absurdität des Krieges zeigen wollte, das kommt meiner Meinung nach aber auch nicht rüber. Ich finde, die Charaktere hätten besser aufgearbeitet werden können und sollen. So berührt mich dieser Roman nur wenig. Vielleicht wollte es Hemingway aber auch bewusst vermeiden, weil er davor Angst hatte, in der damaligen Zeit mit bestimmten Ideologien abgestempelt zu werden, was verständlich ist.
    Ich glaube nicht, dass meine Unzufriedenheit damit zusammenhängt, dass Hemingway aus einer anderen Zeit stammt, weil ich doch regelmäßig und sehr gerne Klassiker lese, die aus der Vorkriegszeit stammen, aber in dem Roman blieben mir die Charaktere fern und unwirklich. Im Gegensatz dazu sind die Kriegshandlungen und die Brutalität des Krieges sehr direkt und realitätsnah erzählt, da zeigt Hemingway seine Erfahrungen als Journalist, was meiner Meinung nach sehr positiv zu bewerten ist.

  • parvati : Du musst Dich nicht rechtfertigen, ich fand Deine Rezi klasse. Und ich kann mit Hemingway auch nichts anfangen, "Klassiker" hingegen lese ich eigentlich gern. Z.B. Dostojewski. Aber Hemingway bleibt mir immer seltsam fern und fremd und dann gefällt mir ein Buch halt nicht, wenn es wie ein Zeitungsbericht ist und ich nicht wirklich mitfühlen kann.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Hi Parvati,


    du musst dich sicher nicht dafür rechtfertigen, wenn du zu einem Buch keinen Zugang findest oder es dir nicht gefallen hat. Was mir an deinen Rezensionen immer gefällt, ist, dass du durchaus versuchst, uns auch verstehen zu lassen, warum in Buch, in diesem Fall von Ernest Hemingway, nicht "dein" Buch ist. Es spricht besonders für dein eigenes Urteilsvermögen, dass du dich bei persönlichen Buchbesprechungen bzw. -beurteilungen an das Buch hältst und z. B. nicht von Informationen wie Autor/in hat Literaturnobelpreis bekommen, Autor/in gilt als Star etc. beeinflussen lässt.


    Ich selbst erlebe im Reallife immer wieder, dass Menschen sich gerade von so etwas in ihren eigenen Urteil verunsichern lassen. Offensichtlich ist da zu viel Angst da, mit einer Meinung, die nicht der "Mehrheit" entspricht, anzuecken, besonders wenn Argumente wie Auszeichnungen oder Popularität von Autor/in vorliegen.


    Ich kann diese Angst übrigens vollkommen verstehen, obwohl wir glücklicherweise in einem Land leben, wo für eine eigene Meinung, die anderen nicht passt (oder von diesen nicht akzeptiert bzw. toleriert wird, weil sie es offensichtlich nicht ertragen können, dass es auch andere Meinungen und unterschiedliche Sichtweisen gibt), nur folgende (private) "Bestrafungen" üblich sind: ausgelacht werden, verspotter werden, nicht für voll genommen werden, gezielt beleidigt werden, von einer Leserunde ausgeschlossen werden etc. Alles Dinge, die nicht angenehm sind, die sehr verletztend sind, die für die meistens von uns wirklich nicht leicht zu ertragen sind - aber wenigstens gibt es im Bereich Literatur / Lesen etc. keine staatlich sanktionierten Konsequenzen wie z. B. eine Gefängnisstrafe für eigene Meinungen.


    Danke übrigens noch für deine Antwort:
    Ich hätte eher vermutet, dass Hemingway mit seiner Zurückhaltung vielleicht sich vor seinen eigenen Traumata schützen wollte, und manches unausgesprochen lässt, weil es für seine Leserschaft (im Gegensatz zu uns heute) ohnehin klar gewesen sein dürfte. Aber vielleicht wollte er so wirklich nur vermeiden, dass er mit bestimmten Ideologien abgestempelt wird.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

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