Ulla Hahn, Das verborgene Wort.
- OA: HC DVA, München 2001 (10.Aufl. 04/2004). ISBN 3-421-05457-6, Preis: EUR[De] 25,00 / EUR[At] 25,70 / SFr 43,60.
- TB dtv, München 2003. ISBN 3-423-13089-X, EUR[De] 12,50 / EUR[At] 12,90 / SFr 21,90.
Über die Autorin:
Ulla Hahn (* 30. April 1946 in Brachthausen, Sauerland) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie schreibt Lyrik und Romane. Heute lebt sie in Hamburg und ist mit Klaus von Dohnanyi verheiratet. 1987/88 wurde sie mit dem Literaturpreis Stadtschreiber von Bergen ausgezeichnet. 2002 erhielt sie den Deutschen Bücherpreis, 2006 wird sie mit dem Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis ausgezeichnet.
Ulla Hahn ist promovierte Germanistin. Zunächst war sie als Lyrikerin bekannt geworden. Ein großer Erfolg wurde vor allem ihr zweiter Roman »Das verborgene Wort«, in dem sie die Nachkriegszeit im katholisch geprägtem Rheinland aus der Sicht eines Kindes erzählt, das aus der geistigen Enge in die Welt der Bücher, der Wörter flieht.
(Quelle: Wikipedia, s.v. Ulla Hahn)
Ulla Hahn ist promovierte Germanistin, war Lehrbeauftragte an den Universitäten Hamburg, Bremen und Oldenburg, anschließend bis 1989 Literaturredakteurin bei Radio Bremen. Ihr lyrisches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die Bücher Ulla Hahns erscheinen in der DVA: u. a. die Lyrikbände »Herz über Kopf« (1981), »Unerhörte Nähe« (1988 ), »Liebesgedichte« (1993) und »Epikurs Garten« (1995), die Anthologie »Gedichte fürs Gedächtnis« (1999), zuletzt, neben dem Roman »Ein Mann im Haus« (1991) ihr zweites Prosawerk, der große Roman »Das verborgene Wort« (2001).
(Quelle: DVA)
Der Verlag über das Buch:
»Mit Schreiben und Lesen fängt eigentlich das Leben an.«
Ein Mädchen, Arbeiterkind, voller Neugier und Lebenswille sieht sich im Käfig einer engen katholischen Dorfgemeinde gefangen. Sie stößt an die Grenzen einer Welt, in der Sprache und Phantasie nichts gelten. Fast zerbricht sie an der Härte und Verständnislosigkeit der Eltern, die sie in den eigenen Lebensgewohnheiten festhalten wollen. Im Deutschland der fünfziger und frühen sechziger Jahre sucht das Mädchen seinen Weg in die Freiheit: die Freiheit des verborgenen Worts.
(Quelle: DVA)
Meine Meinung:
Die Kritiken zu diesem Roman sind unterschiedlich: Die einen loben die sprachliche Virtuosität dieses Entwicklungsroimans zwischen Kindergarten und Backfischzeit im muffigen Proletarierkatholizismus der deutschen Nachkriegszeig -- die anderen kritisieren das "biedere Strickmuster" dieser Emanzipation eines Kindes aus dem engen Korsett, das familiäres und soziales Umfeld ihr bestimmt haben.
Der in der Rezension von Jens Dirksen ausgemachte Vergleich mit dem Taugenichts Joseph von Eichendorffs paßt in der Tat besser als der mit Heinrich Böll: Schwerpunkt von Ulla Hahns Erzählung ist nicht die Macht der anderen, sondern das Ich in seinem Ringen um Eigenständigkeit.
Hildegard Palm, von ihren Eltern nur "platt" Heldejaad genannt, ist quasi ein Ohrenmensch: Geräusche, Worte, Geschichten sind ihre Gegenwelt zu der muffigen Enge des Elternhauses, der feigen Gleichgültigkeit der Mutter und der hilflosen Gewalttätigkeit des Vaters. Wen wundert 's, daß sie mit den ersten Schultagen erkennt, welches Potenzial an aufgehobenen Geräuschen, Worten, Geschichten Bücher bieten.
Was ihre Eltern erbittert einzudämmen versuchen, wird von manchem Außenstehenden wohlwollend beobachtet, ja sogar gefördert. Und gerade weil diese nur gelegentliche Unterstützung stets aus der Distanz erfolgt und nicht immer glückt, ist und bleibt dieses Ringen Hildegards ureigene Leistung.
Die unterstellte "Geradlinigkeit" und "schiere() Ungebrochenheit einer Heldinnen-Perspektive", die "nicht ganz auf der Höhe der Zeit" sei, ist gerade das große Plus, dieses bei all seiner Breite sehr leisen Romans. Die beliebte "multipersonale Perspektive" mancher zeitgenössischer Romane (eigentlich eine Adaption des in den Köpfen aller seiner Figuren heimischen Erzählers im Trivialroman), hätte die Dichte zu postmoderner Beliebigkeit mit sozialkritischem Touch zerfasert.
Ulla Hahn ergeht sich nicht in postmoderner Larmoyanz, sie sucht auch nicht nach Schuldigen, sondern beschwört in geradezu klassischer Tradition die Macht des Geistes über die Dinge: Nicht das Sein beherrsche das Bewußtsein, sondern indem das Bewußtsein durch die Sprache die Macht über die Dinge erringt, gelingt der Aufbrauch aus der selbstgewählten Abhängigkeit, wie Kant die »Aufklärung« bestimmt.
Nicht umsonst ist der Titel eine Anspielung auf die neutestamentarische Apokalypse: »Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen Stein und auf den Stein einen neuen Namen geschrieben, welchen niemand kennt, denn der ihn empfängt.« (Off.Joh. 2,17)
In seiner wundervollen sprachlichen Umsetzung und "unmodernen" Parteinahme für den Menschen als geistiges Wesen m.A.n. einer der besten Romane, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.