Brigitte Halenta: Die Breite der Zeit

  • Brigitte Halenta: Die Breite der Zeit
    Orlanda Frauenverlag 2007. 300 Seiten
    ISBN-13: 978-3936937497
    kindle-Ausgabe ASIN: B019LT9I9O


    Verlagstext
    Ist das Leben nach 70 noch lebenswert? Und ob! Henriette, die Heldin dieses Romans nimmt sich das Recht, im Alter endlich nur noch ihren eigenen Lebensvorstellungen zu folgen. Behutsam schält sie sich aus dem Kokon ihres alten Lebens heraus, zieht in die Großstadt und kommt ihrem künstlerischen Talent auf die Spur. Und da geschieht es: Im Alter von 74 verliebt sich Henriette zum zweiten Mal in ihrem Leben. Mit dem Galeristen Carl erlebt sie eine späte Liebe, die die Zeit außer Kraft setzt. Es entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die nur so wunderbar sein kann, weil die beiden Menschen, die sich hier begegnen, auf über 70 Jahre Lebenserfahrung zurückblicken können.


    Die Autorin über sich:
    Ich wurde 1937 im Zeichen der Fische geboren; allerdings bin ich ein ziemlich trockener Fisch, weil Saturn gleich neben meiner Sonne steht: deshalb sind Intuition und Phantasie mit Struktur und Arbeitsdisziplin gepaart. Schreiben war mir schon immer wichtig. Seit ich mit 10 Jahren meinen ersten Roman auf ein Blöckchen schrieb, sind viele Texte entstanden - Gedichte, Kurzgeschichten, auch Romananfänge - aber 3 Ehen, 3 Kinder, und die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, haben mich lange davon abgehalten, mich um Veröffentlichung zu bemühen.


    Nach dem Studium der Germanistik in München und Göttingen war ich als Lehrerin im bremischen Schuldienst tätig. Mit 40 fing ich wieder von vorne an und begann das Studium der Psychologie in Kiel zusammen mit Ausbildungen in Psychoanalyse und Psychodrama. Seit 1984 war ich in freier Praxis in Lübeck als Psychotherapeutin tätig. Mit den Jahren hat sich ein Fundus an Wissen über Menschen gebildet: was sie motiviert, wie sie reden, wovon sie träumen und warum sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Dazu ein schier unerschöpflicher Pool an Geschichten. Mit 60 fand ich, dass ich doch nun endlich das tun sollte, was ich schon immer wollte: SCHREIBEN.


    Für das Drehbuch Lavendel ist blau bekam ich 2000 den Förderpreis der MSH (Mediengesellschaft zur Förderung audiovisueller Werke in Schleswig-Holstein) Weil sich für dieses Drehbuch aber kein Produzent fand, schrieb ich die Geschichte einer Hochbegabten, die wie das hässliche Entlein in die falsche Familie geboren wurde, gleich noch einmal als Roman. 2 Theaterstücke folgten: "Teresa muss sterben" und "PAFF - Perspektive alte fröhliche Frauen", aber für die zeitraubenden Bemühungen um Veröffentlichung blieb neben der Arbeit als Psychotherapeutin keine Kraft mehr übrig.


    Erst nach einer Krebs-OP 2005 fand ich mit meinem Roman DIE BREITE DER ZEIT den Weg zu einem Verlag. Als ich mir die ersten Gedanken zu dem Stoff machte und eine Siebzigjährige als Hauptfigur erfand, war ich selbst noch 62. Inzwischen hatte ich meine Figur eingeholt. Als das Buch im März 2007 bei Orlanda in Berlin erschien, war ich gerade 70 geworden. Seitdem habe ich zwei weitere Romane geschrieben, die noch nicht veröffentlicht sind und Kurzprosa in den Literaturzeitschriften "Der Dreischneuß", "Macondo", "Entwürfe und 2012 der Roman "Lavendel ist blau" als eBook. Seit ich 2010 meine Tätigkeit als Psychotherapeutin eingestellt habe ist SCHREIBEN mein Lebensmittelpunkt.


    Inhalt
    Als Rike Bosselmeyer in einer fremden Stadt, in der sie niemanden kennt, noch einmal völlig von vorn anfangen muss, ist sie schon 70 Jahre alt. Sie braucht ein Bankkonto, eine Wohnung - und Malerei studieren will sie auch. Bei ihren ersten Schritten in ein eigenes Leben findet Rieke Unterstützung von liebenswerten, leicht chaotischen Menschen. Rike geht mit ihren jungen Kommilitonen, ihrer ersten Vermieterin und den Kindern ihrer Krankenpflegerin liebevoll und unkompliziert um. Der neue Clan schätzt die alte Dame; sie empfindet ihn schon bald als Ersatzfamilie. Doch die persönlichen Probleme all dieser Menschen haben sich nach kurzer Zeit so penetrant in Riekes Leben eingenistet, dass sie kaum noch Zeit für sich selbst hat. Die Malerei vermittelt der betagten Künstlerin, die sich jetzt Henny nennt, ein neues Verhältnis zur Zeit und hilft ihr, sich wieder Freiräume zu erkämpfen. Henny stellt sich den Herausforderungen Schritt für Schritt, geht mit dem eigenen Altern selbstkritisch um und verliebt sich noch einmal.


    Fazit
    Brigitte Halenta hat Rikes märchenhafte Geschichte mit zahlreichen sorgfältig gezeichneten Nebenfiguren und Details ausgestattet. Mit hintergründigem Humor schildert sie treffend das Altern einer beeindruckenden Frau und die Reaktionen auf diese unternehmungslustige Seniorin. In der Figur der Rike zeigt die Autorin Alterungsprozesse, die zunächst fast unbemerkt verlaufen; mit Rikes Erlebnissen als Patientin führt sie ihren Lesern drastisch vor Augen, wie alte Menschen von ihrer Umgebung wahrgenommen und behandelt werden. Ein außergewöhnlicher Entwicklungsroman, der Liebe und Erotik im Alter sehr feinfühlig beschreibt.


    9 von 10 Punkten