Zum Inhalt
Warum wird ein Kind schuldig? Margaret Forster erzählt in ihrem neuen Roman von der dunklen, rätselhaften Seite der Kinderseele. Die achtjährige Julia darf Brautjungfer sein auf der Hochzeit ihrer schönen Cousine Iris. Eine lästige und teure Familienverpflichtung in den Augen ihrer Mutter, aber Julia ist überglücklich. Nicht lange danach fällt jedoch ein Schatten auf ihr noch junges Leben: Als ihr das Baby der Cousine während einer Spazierfahrt mit dem Kinderwagen umkippt und es danach aus unerklärlichen Gründen stirbt, fühlt sie sich unendlich schuldig. Jahrzehnte später arbeitet Julia als Kinderpsychologin. Ihre jungen Klienten sind verhaltensauffällig: Sie stehlen, lügen, brennen durch oder wollen nicht essen und tragen alle ein dunkles Geheimnis in sich. Julia versucht, ihnen zu helfen, und wird dabei mit ihren eigenen verdrängten Schuldgefühlen konfrontiert.
(Verlagsangaben)
Über die Autorin
Margaret Forster, 1938 in Carlisle geboren, studierte Geschichte in Oxford. Sie hat zahlreiche Romane und mehrere Biografien veröffentlicht. Bei Arche erschienen zuletzt: Ein Zimmer, sechs Frauen und ein Bild (2006), Miranda (2007) und Isa & May (2011). Margaret Forster wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Sie ist verheiratet, lebt in London und im Lake District.
(Verlagsangaben)
Meine Meinung
Julia arbeitet als Kinderpsychologin und ist dabei ausgesprochen erfolgreich, was auf den ersten Blick irritiert: ihre spröde Persönlichkeit und ihr Bedürfnis, Menschen und geselligen Kontakten auszuweichen, lassen vermuten, dass ihr jegliches Interesse an ihren Mitmenschen fehlt. Tatsächlich aber hat sie ein echtes Gespür für die ungelösten Konflikte, die Kinder und Jugendliche verhaltensauffällig werden lassen, und ihr unkonventionelles Herangehen ermöglicht kluge Lösungswege, die nicht immer offensichtlich sind. Es heißt, die Fehler anderer aufzuspüren sei einfacher als seine eigenen zu sehen, und dies offenbart sich auch in Julias persönlicher Geschichte: während sie die Persönlichkeiten ihrer Patienten beinahe liest wie ein offenes Buch, versagt ihr Gespür bei ihrer eigenen Familie. Ihre eigene Kindheit war nicht wirklich glücklich, obwohl es ihr - objektiv gesehen - immer gut erging. Zu einem glücklichen Heranwachsen gehört jedoch mehr als "satt, sauber, ausgeschlafen". In der Auseinandersetzung mit den Lebenswegen ihrer jungen Patienten wird Julia mit ihrer eigenen Geschichte konfrontiert und muss sich der Frage nach ihrer eigenen Verantwortung stellen.
Die Autorin erzählt ihren Roman auf zwei Ebenen: die Gegenwart zeigt Julias Arbeit mit den Jugendlichen, von ihrem Heranwachsen erzählt ein zweiter Handlungsstrang. Beide Ebenen sind sehr passend ineinander verbaut, so dass die Geschichte trotz der unaufgeregten Erzählweise und den sparsamen Beschreibungen ihren ganz eigenen Sog entwickelt. Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen und es hat mich lange beschäftigt. Wer unbedingt Knalleffekte, große Gefühle und überspitzt dramatisierte Entwicklungen benötigt, der hat hier definitiv das falsche Buch. Hier geschieht das "große Drama" wie es auch im richtigen Leben zuschlägt - oft ganz nebensächlich, ohne große Fanfaren, und trotzdem von durchgreifender Konsequenz. Ein tolles Buch!