Ich heisse nicht Miriam - Majgull Axelsson

  • Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
    Verlag: List Hardcover (23. Oktober 2015)
    ISBN-13: 978-3471351284
    Originaltitel: Jag heter inte Miriam
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 20.00
    Preis Kindle E-Book: Euro 16.99


    Autorin


    Majgull Axelsson gehört zu den derzeit erfolgreichsten Autorinnen Schwedens. Ihren Durchbruch hatte sie 1997 mit dem Roman Die Aprilhexe für den ihr der renommierte August-Preis der schwedischen Verlegervereinigung verliehen wurde. Weitere Romane von ihr wurden ins Deutsche übersetzt. Als ausgebildete Journalistin hat sich Majgull Axelsson schon immer für gesellschaftliche Randgruppen interessiert und ihnen in ihren Büchern eine Stimme verliehen.


    Kurzbeschreibung / Klappentext


    Wie fühlt sich nackte Angst ums Überleben an? Wie ist es, sein Leben lang verfolgt zu werden? Wie kann man als Ausgestoßene einen Platz in der Gesellschaft finden? Und wie kann man den Menschen je wieder vertrauen, wenn sie zu so grausamen Taten in der Lage sind? Majgull Axelsson erzählt die Geschichte von Miriam, die einst Roma war und dann Jüdin wurde und bis ins tiefe Alter an ihrer Lebenslüge festhielt aus Angst davor, verstoßen zu werden. Ein intensives Buch über das Recht des Stärkeren, den unbedingten Willen zu überleben, Liebe, Vertrauen, Verrat und das Glück, einen Menschen zu treffen, der zuhört.


    Meine Meinung


    Romane über den 2. Weltkrieg und den Schrecken des Holocaust gibt es zig tausende, warum also noch einen Roman aus dieser düsteren Zeit lesen oder gar schreiben? Weil das Thema des Dritten Reiches ungemein vielfältig ist und es tausende von verschiedenen Blickwinkeln gibt sich mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte auseinander zu setzen mit dem Millionen von individuellen Schicksalen verbunden sind. Wer sich nicht oder nicht mehr mit dieser Materie befassen mag oder deren überdrüssig ist, der braucht jetzt nicht mehr weiterzulesen und kann auf den Kauf und die Lektüre dieses Buches verzichten. Wem es so geht wie mir, den dieses Thema ab und an reizt und wer sich in literarischer Form eines sehr gut geschrieben Romans damit beschäftigen möchte, der kann dieses Werk der schwedischen Schriftstellerin Majgull Axelsson kaufen und lesen.


    Nein, sie heisst nicht Miriam, die 85 jährige Frau die ein bewegtes Leben in turbulenten Zeitepochen geführt hat. Und doch ist ihr Name Miriam. Zumindest ab dem Moment, als sie ihre zerschlissenen Kleider abgelegt und die saubere Kluft einer toten Frau übergestreift hat. Die brutalen Aufseherinnen im Konzentrationslager mögen keine zerlumpten Gefangenen also musste sie schnell handeln und passable Kleidung anziehen. Mit dem neuen Gewand hat die junge Zigeunerin Malika eine neue Identität angenommen. Sie ist nun die Jüdin Miriam Goldberg. Ihre Lage verändert sich, wird aber nicht besser. Dank eisernem Willen überlebt sie die Lager Auschwitz-Birkenau und Ravensbrück. In der Nachkriegszeit verschlägt es sie nach Schweden und sie lebt unter dem Deckmantel der falschen Religion und Personalien. Juden werden im Gegensatz zu Roma in westlichen Ländern in den ersten Nachkriegsjahren akzeptiert und nicht angefeindet. Der Zustrom von ehemaligen KZ-Gefangenen, die über Europa verteilt werden, ist einerseits ein schwelender Brandherd zur heimischen Bevölkerung und andererseits schlägt dieser Vorgang einen Bogen zur aktuellen Lage im hier und jetzt im Herbst/Winter 2015 mit der Zuwanderung von Flüchtlingen.


    Dem Wahnsinn dieser schrecklichen Zeit begegnet die Autorin mit Sensibilität und stilistischer Klasse. Sie erzählt eine tiefgründige Lebensgeschichte über das Verschweigen der eigenen Herkunft und dem fremden Leben, dass immer mehr zur Realität wird bis die Vergangenheit nur noch Erinnerungsfragemente sind. Wie Majgull Axelsson das Schaurige mit der Schönheit der Sprache verbindet ist bemerkenswert. Ein wahrhaftiges Werk über den Überlebenskampf und die entwurzelte Existenz in der Fremde nach dem Krieg dessen emotionaler Wirkung man sich kaum entziehen kann. Die Handhabung der zahlreichen Zeitsprünge innerhalb des Romans stellt kein Problem dar. Schnell erkannt man an welchem Schauplatz und welcher Zeit die Handlung aktuell spielt und welcher zwischenzeitlich abgelegte Handlungsfaden wieder aufgenommen wird.


    Ein fesselnder Roman, der tief in eine dunkle Ära der Geschichte eintaucht und sie gekonnt zum Leben erweckt. Ich möchte dieses grossartige Buch jedem lesebegeisterten Menschen ans Herz legen. Wertung: 9 Eulenpunkte

  • Ich kann mich den Darstellungen von sapperlot nur anschließen.


    Die Autorin hat hier ein sprachlich rundum gelungenes, kitschfreies und ergreifendes Buch über das dunkelste Kapitel des Nationalsozialismus vorgelegt. Ihre Darstellungen des Überlebenskampfes in Auschwitz und Ravensbrück, insbesondere die Untaten des sogenannten Arztes Mengele, sind ungewöhnlich detailliert und explizit, was das Buch zu einer oft bedrückenden Lektüre gemacht hat und bei mir immer wieder neu die Frage aufwirft, wie Menschen nur in der Lage sein können, einander solche Grausamkeiten anzutun. Darunter haben die Roma, am untersten Ende der Gefangenenhierarchie, auf besondere Weise gelitten. Anders als bei den Juden war bei ihnen nach Kriegsende die Zeit der offenen Anfeindungen und Verfolgung nicht vorbei, sodass Malika / Miriam ihr trauriges Versteckspiel bis ans Ende ihrer Tage aufrechterhalten muss, um ein halbwegs sicheres und würdevolles Leben führen zu können - so ein Leben mit der Notwendigkeit einer solchen Lüge überhaupt als würdevoll erachtet werden kann.


    Es war für mich persönlich das erste Buch, das die Verfolgung der Sinti und Roma unter den Nazis in den Mittelpunkt gestellt hat, und ich bin der Autorin sehr dankbar für ihre genaue, aufrüttelnde und bewegende Darstellung dieses Themas.


    Ich kann das Buch also Menschen, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch den grundsätzlichen Mechanismen von Ausgrenzung und Unterdrückung beschäftigen, wärmstens empfehlen und vergebe 10/10 Punkten.



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