Kate Riordan - Im Spiegel ferner Tage

  • Taschenbuch: 544 Seiten
    Verlag: Heyne Verlag
    erschienen am 14. Dezember 2015
    Originaltitel: Fiercombe Manor/THE GIRL IN THE PHOTOGRAPH


    zur Autorin:
    Kate Riordan lebt in Cheltenham. Sie ist freie Journalistin und schreibt unter anderem für den Guardian und Time Out.


    zum Inhalt:
    Alice wird nach einer Affäre mit einem verheirateten Kollegen ungewollt schwanger. Ihre Mutter ist bestrebt, Gerede und Verruf von ihrer Tochter abzuwenden und schickt sie nach Firecombe Manor im ländlichen Gloucestershire, wo sie selbst in ihrer Jugend gelebt hat. Die dortige Haushälterin Mrs. Jelphs wird Alice durch die letzten Wochen ihrer Schwangerschaft begleiten, bevor das Kind zur Adoption freigegeben werden soll. Während ihres Aufenthalts entdeckt Alice das geheime Tagebuch der einstigen Gutsherrin Elizabeth. Sie beginnt zu lesen und erfährt von einer verborgenen Familientragödie, die auch ihre eigenen Wurzeln betrifft.


    meine Meinung:
    Kate Riordan erzählt in ihrem zweiten Roman das Schicksal zweier Frauen. Das Thema Stimmungen in der Schwangerschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Die britische Autorin lässt beiden Protagonisten ihrer Zeit genügend Raum, ihre Gefühle zu formulieren. Alice lebt in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts und ihr Ruf wäre nach ihrer Schwangerschaft ruiniert. Sie würde es schwer haben, überhaupt eine angesehene Arbeit zu finden, um sich und das Baby zu ernähren. Das ist die Motivation der Mutter, Alice an einen fernen Ort zu schicken und hinterher ihren eigenen Enkel wegzugeben. Unter diesem Aspekt erscheint die Mutter nicht mehr hartherzig, sondern von Ängsten um ihre Tochter getrieben. Eine Aufklärung der Tochter fehlt gänzlich, sodass die Naivität von Alice die Handlung nur authentischer macht.


    Ganz anders erging es Elizabeth Ende des 19. Jahrhunderts als Frau eines Adeligen, die in bequemes Leben mit Personal führte. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, einen Erben für den Titel zu gebären. Die durch ihr Elternhaus gebildete junge Frau litt darunter, dass sie keine Söhne bekam und die Enttäuschung ihres Mannes zerstörte ihre Ehe. Elizabeth wurde mit jeder Fehlgeburt depressiver. Hier lässt Riordan die gängige medizinische Behandlung einfließen, die hysterische Frauen am besten in ihrer Kammer einschloss. Dieses Drama erlebte Mrs. Jelphs ebenso mit. Ihre Figur stellt die Verbindung zwischen den Zeitsträngen dar und lässt die Vergangenheit nicht ruhen.


    Die Figuren wurden facettenreich ausgearbeitet, sodass sie lebendig in ihrer Umgebung wirken. Die Umgebung um das Anwesen wurde ebenfalls bildhaft beschrieben. Man spürt den feuchtkalten Nebel wie er vom See aufsteigt und über den Wiesen hängt, praktisch zwischen den Zeilen und verläuft sich zwischen den grauen Mauern. Der Ort verströmt schon von allein genug Mystik, sodass der Geist der Margaret von Anjou gar nicht hätte heraufbeschworen werden müssen. Die Familiensaga weckt schon nach wenigen Kapiteln die Neugier, sodass die über 500 Seiten schnell gelesen sind. Gerne würde man die Haushälterin sowie den Gärtner bitten, schneller die Hinweise zur Lösung zu verraten. Die Kapitel wechseln zwischen Elizabeth und Alice, sodass der Leser jeweils die Ansichten nachfühlen kann. Die jeweiligen Gesellschaftsstrukturen wurden berücksichtigt, sodass die heute zum Teil ungewöhnlichen Gedanken erklärt werden. Wer Familiengeschichten einschließlich Geheimnisse bevorzugt, ist mit diesem Roman gut bedient.

  • Im Sommer 1932 verliebt sich die 21jährige Alice in einen verheirateten Mann und wird schwanger.
    Ihre Mutter ist davon nicht begeistert und veranlasst, dass sie zu einer Bekannten aus Jugendtagen fährt, damit sie dort ihr Kind bekommen kann.
    In Fiercombe Manor angekommen, findet Alice Hinweise auf die früheren Bewohner und möchte mehr darüber erfahren. So entdeckt sie eine tragische Familiengeschichte.


    Zeitgeschichtliche Aspekte findet man hier nicht, es geht vielmehr um die Gesellschaftstrukturen sowohl aus der Zeit der 1930er Jahre als auch jener aus der Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert.


    Erzählt wird die Geschichte auf diesen beiden Zeitebenen.
    Während der 30er Jahre des 20. Jahunderts begleiten wir Alice und im ausgehenden 19. Jahrhundert lernen wir Elizabeth und ihre Familie kennen.


    Natürlich gibt die Geschichte Kitsch und Klischees wieder, dennoch ist sie unterhaltsam und vermittelt eine Sogwirkung. Als Leser kann man quasi in die Geschichte eintauchen.
    In gewisser Weise war es für mich ein Wohlfühlbuch, da ich mich gut aufgehoben und ebenso gut unterhalten fühlte.
    Die Autorin hat einen bildhaften Schreibstil, der Personen und Umgebung lebendig werden lässt. Dadurch wird eine stimmungsvolle Atmosphäre spürbar, teils beklemmend, teils mystisch.
    Die Autorin erzählt beide Handlungsstränge ruhig, ohne einen Spannungsbogen in die Höhe zu treiben. Durch den Perspektivwechsel zwischen Elizabeth und Alice wird es nicht langweilig.


    8 Punkte