'Der Jahrhundertwinter' - Seiten 054 - 124

  • Den Abschnitt habe ich jetzt ziemlich glatt durchgelesen, ohne Erinnerungszettel ins Buch zu stecken.


    Im Prinzip gefällt mir das Buch. Was mir nicht zusagt, ist die massive Vermischung der beiden Geschichten. Zwei Zeitebenen in einem Buch gibt es ja öfters, mag ich oft auch. Hier ist es jedoch so, daß beide Handlungsstränge dermaßen „gewaltig“ sind, daß ich die Vermischung für ungünstig halte. Dramaturgisch mag sie Sinn ergeben, aber es erschwert das Lesen und das Verständnis ungemein.


    Wobei ich das zusätzliche Problem habe, daß ich die Mittelaltergeschichte alles andere als weihnachtlich empfinde.


    Interessant fand ich den Hinweis Pauls, daß jemand, der Bahnstrecken trassiert, einen guten Blick für die Landschaft haben muß und den idealen Streckenverlauf quasi sehen und fühlen kann, weswegen er ihm auch ohne sichtbare Schienen folgen kann. Am Ende verläuft er sich doch, weil er zu sehr in Gedanken war.


    Kühne ist ein Unsympath sondergleichen, vor allem macht er sich ständig wichtig, ohne viel Ahnung zu haben. Der aufgetauchte Reiter ist vermutlich eben jener Pfadfinder, von dem in der erzählten Geschichte zuvor die Rede war. In diesem Handlungsstrang finde ich Sage und „Realität“ sehr gut verbunden.


    Im Mittelalterstrang bin ich inzwischen etwas genervt, weil immer wieder Andeutungen über Rainalds Vergangenheit kommen, aber eben nix Genaues. Jetzt sieht es so aus, als ob er ein Raubritter war bzw. zu einem solchen geworden ist. Und auch Johannes muß irgendetwas getan - oder unterlassen - haben, weswegen ihm der Vater zürnt. (S. 98: „Worüber soll ich mich mehr freuen? Über deine vergangene Feigheit oder über deine gegenwärtige Dämlichkeit?)


    Wie gesagt, im Prinzip gefällt mir das Buch. Ob es das aber als Weihnachtsbuch auch tut, wird sich im letzten Abschnitt zeigen. Im Moment tendiere ich eher zu "Winterbuch" und nicht zu "Weihnachtsroman", wie es auf dem Cover heißt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ja, mit Weihnachten oder Weihnachtsstimmung hat das bislang nix zu tun. Aber gut zu lesen fand ich diesen Abschnitt. Mittlerweile gefallen mir auch beide Geschichten.


    Nun meinst Du, den Pfadfinder entdeckt zu haben? Jetzt glaube ich das nicht mehr, hätte aber auch keine bessere Idee. Ich lese einfach mal zu Ende und warte dann auf die anderen Eulen.

  • Zitat

    Original von xexos
    Nun meinst Du, den Pfadfinder entdeckt zu haben? Jetzt glaube ich das nicht mehr, hätte aber auch keine bessere Idee. Ich lese einfach mal zu Ende und warte dann auf die anderen Eulen.


    Ich kann (oder will) dazu hier nix schreiben, weil ich die Auflösung ja schon kenne und ich hier nicht spoilern will.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mir scheint, Rainald könnte sich als Raubritter betätigt haben? Jedenfalls hat(te) er wohl eine Fehde mit den Trierer Bürgern, obwohl er eigentlich deren Schutzherr sein sollte - kein Wunder, dass er nicht nach Trier will. Im Zuge dieser Fehde scheint seine Frau gestorben zu sein und er musste sein Anwesen aufgeben.


    Ich bin etwas verwirrt, wie alt Johannes ist. Ich meine mich zu erinnern, er sei 8 Jahre alt, aber er wirkt auf mich viel älter. Jetzt hat er auch gezeigt, dass er auf keinen Fall ein Feigling ist. Offenbar hat er der Vater das darauf zurückgeführt, dass er sich mit Blanka in einer Truhe verborgen hat, während die Mutter getötet wurde, dass er dadurch Blanka das Leben gerettet hat, hat Rainald offenbar erst jetzt kapiert. Rainald finde ich fürchterlich. Johannes dagegen und auch Venia beeindrucken mich.


    Auch Paul hat etwas Beeindruckendes. Ob seine Gruppe dem Pfadfinder begegnet sind? Jedenfalls scheint sich Paul sicher mit der richtigen Richtung und ich glaube, er hat Recht. Jetzt steht er jedenfalls allein und ich hoffe, er begegnet bald Alvin und Bismarck.


    Dass die Wölfe Rainald und die Seinen regelrecht jagen und verfolgen, erscheint mir schon ungewöhnlich, sicher gibt es auch leichtere Beute im Wald. Vor allem auch die Mordlust. Wenn, dann würde die Wölfe doch nur aus Hunger jagen, oder? Womöglich stehen sie sinnbildlich für die anderen Verfolger?


    So ganz weiß ich nicht, was ich von dem Roman halten soll, teilweise lese ich ihn ganz gern, vor allem die Passagen mit Paul, teilweise nervt er mich etwas, hier vor allem bei Rainald und den Wölfen. Jedenfalls bin ich gespannt auf beide Auflösungen.

  • Das Buch habe ich schon fertig gelesen. Ein paar Anmerkungen habe ich hier aber noch.


    S. 55: "Beide stolzierten hinaus."
    Wenn ich diesen Satz lese, verstehe ich darunter, dass beide schon auf den Füßen stehen und zur Tür stolzieren. Der nächste Satz lautet aber: "Rainald verbeugte sich vor dem Bett. Als er sich aufrichtete, tat Johannes es ihm nach. Rainald fing einen Blick seiner Frau auf. Sie warf ihm einen verstohlenen Kuss zu. Er grinste."
    Mir gefällt das nicht. Geschriebenes in der Art zu lesen bin ich einfach nicht gewohnt. "Beide stolzierten hinaus." etwas abgeändert und hinten angestellt hätte besser gepasst.




    Zitat

    Original von PMelittaM
    Ich bin etwas verwirrt, wie alt Johannes ist. Ich meine mich zu erinnern, er sei 8 Jahre alt, aber er wirkt auf mich viel älter.


    Johannes fand ich für einen 9-jährigen auch überraschend schlau.


    Zitat

    Original von PMelittaM
    Jetzt hat er auch gezeigt, dass er auf keinen Fall ein Feigling ist. Offenbar hat er der Vater das darauf zurückgeführt, dass er sich mit Blanka in einer Truhe verborgen hat, während die Mutter getötet wurde, dass er dadurch Blanka das Leben gerettet hat, hat Rainald offenbar erst jetzt kapiert.


    Als ich die Szene mit der Truhe gelesen hatte, standen mir schon fast die Tränen in den Augen. Damit hat wohl der Konflikt zu tun, der zwischen Vater und Sohn steht. Jetzt, da Rainald diese Sitation der Entscheidung selbst erlebt hat, wird im anscheinend klar wie sein Sohn gelitten haben muss. Und dann bekommt sein Sohn immer wieder die Vorwürfe von seinem Vater zu spüren.


    Zitat

    Original von PMelittaM
    Rainald finde ich fürchterlich.


    Rainald wirkt fürchterlich, doch im Inneren nehme ich eher war, dass er eigentlich ein lieber Kerl ist. So etwas macht mich immer ganz traurig und frage mich dann, was da schreckliches passiert ist. Jetzt weiß ich es und hoffe, dass wieder Frieden in der Familie einkehrt.



    S. 78: Die Pfadfindergeschichte wurde fortgesetzt.
    Ich dachte mir dann: "Aha. Soll ich jetzt Angst kriegen? Ich bin gespannt, was sich Dübell für den weiteren Verlauf ausgedacht hat."
    Dann S. 91: Die 4 Personen vom Zugunglück begegnen einem Auskundschafter aus Genthin.
    Ich wusste aber zu dem Zeitpunkt, dass er gar nicht mehr unterwegs war. Und als Paul auch noch skeptisch wurde, verband ich den Auskundschafter sofort mit dem Pfadfinder und es schüttelte mich.


    S. 103: "Tatsächlich könnte ich nicht mal beschwören, dass wir hier nicht schon waren."
    Ich finde das mit den zweimal 'nicht' interessant. Bei so Sätzen bleib ich dann hängen und fange an daran herumzuspielen. Schon irgendwie reizvoll.


    S.122: Rainald kämpft mit den Wölfen.
    Ich muss sagen, hier bin ich total fasziniert von Dübells Schreibweise. Vergangenheit/Flashbacks verwebt mit der Aktuellen Situation. Erst hatte ich das gar nicht bemerkt, weil mich Dübell schlichtweg reingelegt hatte. Und dass er das geschafft hat find ich toll. Keine Ahnung, ob ihr jetzt versteht was ich meine. Aber ich bin beeindruckt.


    Ich konnte das Buch dann auch nicht mehr aus der Hand legen um hier erst zu schreiben. Ich lag eigentlich auch schon im Bett. Ich habe es in der Nacht schießlich fertig gelesen.

    Sasaornifee :eiskristall

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    "Ich habe nicht mehr Ambitionen zum Fliegen als ein verdammter Strandlöper!" - Die Insel der Tausend Leuchttürme - Walter Moers

  • Zitat

    Original von xexos
    Beim zweiten Kampf wunderte mich, wo plötzlich das Schwert wieder herkam. Am Fluss hatte Rainald noch gesagt, dass er es an der Hütte liegen gelassen hatte. Auf der Lichtung stand es dann plötzlich wieder zur Verfügung.


    So ging es mir auch, ich habe dann noch einmal zurückgeblättert: Er hat das Seil liegen lassen, nicht das Schwert.

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Wobei ich das zusätzliche Problem habe, daß ich die Mittelaltergeschichte alles andere als weihnachtlich empfinde.


    So ging es mir auch.


    Zitat

    Original von SiCollier


    Interessant fand ich den Hinweis Pauls, daß jemand, der Bahnstrecken trassiert, einen guten Blick für die Landschaft haben muß und den idealen Streckenverlauf quasi sehen und fühlen kann, weswegen er ihm auch ohne sichtbare Schienen folgen kann. Am Ende verläuft er sich doch, weil er zu sehr in Gedanken war.


    Aber ist das überhaupt möglich, wenn man keine Ahnung hat, wo in diesem Fall Genthin liegt? Ich meine, wenn er die Richtung nicht mal kennt und sie waren ja auf freiem Feld unterwegs, da kann man sich doch auch irren...?


    Zitat

    Original von PMelittaM


    Auch Paul hat etwas Beeindruckendes. Ob seine Gruppe dem Pfadfinder begegnet sind? Jedenfalls scheint sich Paul sicher mit der richtigen Richtung und ich glaube, er hat Recht. Jetzt steht er jedenfalls allein und ich hoffe, er begegnet bald Alvin und Bismarck.


    Paul fand ich total toll! Und ich kann total verstehen, dass Louise etwas mit ihm hat ;-)


    Zitat

    Original von PMelittaM


    So ganz weiß ich nicht, was ich von dem Roman halten soll, teilweise lese ich ihn ganz gern, vor allem die Passagen mit Paul, teilweise nervt er mich etwas, hier vor allem bei Rainald und den Wölfen. Jedenfalls bin ich gespannt auf beide Auflösungen.


    :write

  • Nicht nur, wenn man Genthin nicht kennt, kann man irren. Der Beschreibung nach, war nur Schnee zu sehen und die Landschaft nicht einmal über 20 Meter. Allein deswegen ist das schon Unsinn, mit dem planerischen Spürsinn. Aber es ist ja Weihnachten, da sind wir ja alle nicht so streng. ;-)

  • Vielleicht ist es im Buch etwas übertrieben, aber den "planerischen Spürsinn" als Unsinn zu bezeichnen, so weit würde ich nicht gehen. Die Eisenbahn war in Deutschland seinerzeit gerade mal zehn Jahre alt. Man bedenke die damaligen technischen Möglichkeiten, eher vermutlich Nicht-Möglichkeiten im Vergleich zu heute. Wenn heute eine Strecke gebaut wird, wird die Landschaft notfalls dem Bahnverlauf angepaßt. Damals ging das nicht, da mußte man den Streckenverlauf der Landschaft anpassen. Daß dazu ein gewisser "Spürsinn" notwendig ist, kann ich mir schon vorstellen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Der "Unsinn" bezieht sich auf die schlechten Wetterverhältnisse und das "allein" darauf, dass nicht nur die mangelnde Kenntnis von Genthin der Grund ist. Das man grundsätzlich und bei besseren Wetterbedingungen auch seinem Spürsinn folgt, ist klar. Wenn man aber überall nur weiß sieht und nicht mal die Schienen und den Bahndamm, auf dem man steht, erkennen kann, dann ... ;-)

  • Ich schon. Bei einem Buch, das als "Weihnachtsbuch" bezeichnet ist (selbst, wenn es sich beim Lesen nicht unbedingt als ein solches herausstellen sollte) ist meine Toleranzschwelle ziemlich bis extrem hoch. Ein Fluß sollte vielleicht nicht gerade bergauf fließen, aber unterhalb dessen kann ich in so einem Buch ziemlich viel einfach als gegeben hinnehmen, was ich in einem - z. B. - historischen Roman als unpassend bis falsch empfinden würde.


    Insofern hatte ich in dieser Hinsicht mit dem Buch überhaupt keine Probleme.



    Edit Tippfehler

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von xexos
    Der "Unsinn" bezieht sich auf die schlechten Wetterverhältnisse und das "allein" darauf, dass nicht nur die mangelnde Kenntnis von Genthin der Grund ist. Das man grundsätzlich und bei besseren Wetterbedingungen auch seinem Spürsinn folgt, ist klar. Wenn man aber überall nur weiß sieht und nicht mal die Schienen und den Bahndamm, auf dem man steht, erkennen kann, dann ... ;-)


    Also, ich habe das gekauft. Es ging ja darum, dass er erkennt, wo am besten Schienen zu verlegen sind, irgendwelche Landmarken waren doch sicher zu erkennen oder eben grob die Gegend, er musste auch gar nicht wissen, ob er nach Genthin geht, es ging nur darum, der Schienenlegung zu folgen, irgendein Ort würde schon kommen. Wie gesagt, ich habe das so geglaubt bzw. Dübell hat das für mich glaubhaft geschrieben.

  • Ich fand das auch gar nicht so tragisch. Allerdings stand irgendwo auch, dass sie gerade mal 20 Meter weit gucken konnten. Und dann sieht man halt auch keine Landmarken. Ist aber auch wurscht, darauf kam es bei dem Buch nicht an und es diente ja auch der Dramaturgie. Mir gefiel das Buch trotzdem. :wave

  • Zitat

    Original von PMelittaM
    [...], ich habe das so geglaubt bzw. Dübell hat das für mich glaubhaft geschrieben.


    Oh ja. Glaubhaft schreiben, das kann er. Zumindest ist mir das an einigen Stellen aufgefallen. Die fand ich genial.
    Ich habe es Paul übrigens einfach abgekauft, dass er gut 'unsichtbaren' Schienen folgen kann. In solch einem Fachgebiet kenn ich mich nicht aus, um da mitreden zu können. Daher habe ich auch gar nicht weiter darüber nachgedacht.

    Sasaornifee :eiskristall

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