Der Autor: Peter Brechtel arbeitete für verschiedene Radio- und Fernsehsender, bis er sich kürzlich entschloss, einen Kriminalroman zu schreiben.
Und das war eine wirklich gute Idee!
Das Buch: Der Einsatz des SEK endet in einer Katastrophe: Zwei Menschen sterben.
Damit Gras über die Sache wachsen kann wird Lars Bosch - der die Verantwortung trug - zur Kripo abkommandiert, was viele seiner neuen Kollegen nicht gerade begrüßen, da sie dem Sonderkommando insgesamt eher skeptisch gegenüberstehen. Bosch sieht sich in ihren Reihen vielen Anfeindungen ausgesetzt, die seine neue Arbeit zusätzlich komplizieren.
Und sein neuer Fall hat es in sich: jemand tötet gezielt hochrangige Mitglieder des Organisierten Verbrechens - den letzten sogar spektakulär auf offener Straße.
Und nicht alle bei der Polizei halten das grundsätzlich für eine schlechte Idee!
Meine Rezension: Ja, all ihr Miesepeter, natürlich habt ihr recht! Der einsame, aufrechte Cop mit seiner kaputten Ehe, der gegen viele Widerstände, vor allem aus den eigenen Reihen, einen Fall bearbeiten muss - ein Cliche, hatten wir alles schon. Das weiß ich.
Viel wichtiger ist allerdings: Peter Brechtel weiß das auch! Deswegen behandelt er das alles einfach als die Geschichte hinter Lars Bosch, ohne all das über die Gebühr auf zu bauschen. Es ist einfach der Hintergrund seiner Hauptfigur, es wird nicht überdramatisiert oder wichtiger gemacht als es tatsächlich ist.
Peter Brechtel erzählt hier einfach die Geschichte eines Polizisten und die Bearbeitung eines schwierigen Falls.
Und das tut er verdammt gut!
Er begeht nicht den - ich möchte fast sagen typischen - Fehler, unwichtiges übermäßig hervorzuheben oder aber nichtssagende Actionszenen in seine Geschichte einzubauen, um den Leser nicht zu verlieren.
Das hat er auch gar nicht nötig! Seine Geschichte ist von Anfang bis Ende spannend und mitreißend erzählt - er braucht dieses Brimborium einfach nicht. Er vertraut zu Recht darauf das seine Geschichte - und die Art wie er sie erzählt - gut genug ist um den Leser zu fesseln, ihn Seite um Seite umblättern zu lassen um zu erfahren wie es weitergeht, welche Überraschungen er Bosch und den Lesern präsentieren wird.
Es ist durchaus interessant, das der Polizist erst recht spät als positive Hauptfigur im Kriminalroman auftauchte. In den Sherlock-Holmes-Geschichten ist Inspector Lestrade ein eher komischer Sidekick in Ergänzung zu Dr. Watson, in der frühen amerikanischen Hardboiled-Literatur ist die Polizei oft ein Gegner des PI (welcher der Polizei aus Gründen der Integrität den Rücken gekehrt hat) und Teil eines korrupten Establishment.
Die Polizei stand hier für ein System, gegen welches der Privatdetektiv rebellierte, ein System, welches den Werten und Idealen des PI zum Teil diametral entgegengesetzt war.
Die Polizei als positive Ordnungsmacht wurde im Kriminalroman erst später etabliert, und selbst dann agieren viele Polizisten eher wie Privatdetektive mit Marke und einem technischen Team im Hintergrund, sie sind immer noch Rebellen gegen die Obrigkeit und folgen nach Möglichkeit ihrem eigenen Wertekodex.
McBains Romane um das"78 Polizeirevier" sind gute Beispiele für gut gelungene Polizeikrimis, welche den Arbeits- und Ermittlungsalltag in eine spannende Krimihandlung integrieren.
(Interessant ist hier das Verhältnis zwischen Mike Hammer und seinem Polizistenfreund Pat Chambers, welcher oft Schwierigkeiten hat seine Seite zu rechtfertigen und der immer wieder gerne die Freiheiten seines Kumpans Hammer bei der Aufklärung eines Falles hätte)
Diese Charaktere bleiben ihrem Hardboiled-Charakter treu, auch wenn sie - so mag es scheinen - die Seiten gewechselt haben und nun "Offiziell" Verbrechen aufklären.
(David Grays "Kanakenblues" ist ein gutes Beispiel für das Verweben der Noirtradition mit einem modernen - und glaubwürdigen - Polizeithriller)
Peter Brechtel geht hier einen anderen Weg, indem er seine Hauptfigur nicht komplett aus seiner Umgebung herauslöst. Bosch ist immer Teil eines Teams, welches zusammenarbeitet, auch wenn er aufgrund der Ereignisse für viele ein Außenseiter bleibt, den sie ablehnen. Bosch ist hier nicht ein Rebell gegen das System, geschildert wird hier eine Gruppe von Menschen, die trotz aller Antipathien einen Job zu erledigen hat. Und wenn persönliche Abneigungen dazwischen kommen, wenn die Professionalität dabei auf der Strecke bleibt, funktioniert das ganze System nicht mehr.
Ich bin kein Polizist, ich kenne die Polizeiarbeit nur aus Kriminalromanen und -filmen, also mag meine folgende Aussage als vollkommen wertlos erachtet werden, aber ich halte die hier geschilderte Polizeiarbeit für ausgesprochen realistisch - im Rahmen der Notwendigkeit eine spannende Geschichte zu erzählen.
Und diese Arbeit ist tatsächlich spannend - so spannend das wir nicht ständig mit Schießereien, Verfolgungsjagden und ähnlichem von der eigentlichen Geschichte abgelenkt werden müssen. Szenen dieser Art würden vermutlich nicht nur mich tatsächlich erheblich stören, weil sie den Fortgang der eigentlichem Handlung verzögern....
Bei all den Schilderungen der Polizeiarbeit - verschiedene Abteilungen tragen ihren Teil dazu bei aus den verschiedenen Puzzleteilchen ein erkennbares Bild zusammenzusetzen - vergisst Peter Brechtel niemals das menschliche Drama, welches ein konstanter Teil dieser Art von Arbeit ist. Menschen werden verletzt oder gar getötet, und das bedeutet nicht nur einen Haufen Fakten, welche sortiert und geordnet werden müssen um daraus Schlüsse zu ziehen. Solche Ereignisse haben einen großen Einfluss auf die Menschen, die in so etwas involviert sind, und Peter Brechtels Erzählung trägt dem Rechnung. Er vergisst nie das er über Menschen schreibt, und nicht einfach über Abläufe.
Krimis aus Deutschland - von den sich immer noch übermäßig vermehrenden Regionalkrimis einmal abgesehen - führten lange Zeit ein Nischendasein gegenüber der britischen und amerikanischen Konkurrenz. Weckte tatsächlich einmal ein deutscher Krimi das Interesse eines der großen Verlage, konnte es vorkommen, das dem Autor nahegelegt wurde sich doch ein amerikanisch klingendes Pseudonym zuzulegen.....
Es gibt jedoch immer noch Verleger, die einfach einen guten Krimi sehen wenn er auf ihrem Schreibtisch landet.
Und wenn dieser Schreibtisch zufällig in Bielefeld steht (auch wenn es diese Stadt garnicht gibt kann man doch Post dorthin aufgeben!) kann der Autor sicher sein dort ein gutes Zuhause zu finden, und der Leser kann vertrauensvoll zugreifen, in dem Wissen nicht enttäuscht zu werden.
Zwei meiner drei Krimihighlights des letzten Jahres wurden bei Pendragon veröffentlicht - und von beiden Autoren werden wir noch großes hören und Lesen!