Kugeln in unseren Köpfen - Max Goldt

Kann es wahr sein, dass das Eulenverzeichnis Max Goldt noch gar nicht führt? Dann soll das schnellstens geändert werden.

Das Buch (Auszug aus der NZZ-Rezension bei Amazon):

Komisch ist an den in den beiden Büchern gesammelten Goldtschen Kolumnen – sie sind über die letzten Jahre in der Zeitschrift «Titanic» erschienen –, dass dem Gestus des tantenhaft-kulturkritischen Mahners der fünfziger Jahre die Durchschnittsansichten des aufgeklärt-deklassierten Kleinbürgers von heute aufgetragen sind. Semi-Einsichten des in der Neubauwohnung herummosernden akademisch ausgebildeten Halbarbeitslosen der neunziger Jahre.

Komisch ist ausserdem, dass sich in diesem «Onkel Max» und im erhabenen Quatsch seines «Kulturtagebuchs» in «Titanic» fast jeder Leser unwillkürlich wiedererkennt. Ich jedenfalls fühle mich von seinen Deliberationen, Reformprojekten, Verdammungen und Handreichungen lebhaft erinnert an die Gedanken, die ich selber mir so beim Bügeln mache – oder während ich mein Badezimmer putze. Millionen von Hausfrauen, vermute ich, denken wie Max Goldt, und das ist passagenweise wirklich unwiderstehlich komisch.

Beispielsweise, wenn Jedermann Goldt über die «Unsitte» (um den Zentralterminus des kleinbürgerlichen Kulturkritikdiskurses zu benutzen) sinniert, allerlei im Supermarkt wohlfeil und qualitativ hochwertig erstehbare Esswaren auf Biegen und Brechen selbst herzustellen, einzukochen, einzulegen, zu backen und zu marinieren. Dann stellt er fest: «Mir fallen auf Anhieb lediglich drei Dinge ein, von denen ich noch nie gehört habe, dass jemand sie selber macht: Salzstangen, Mohrenköpfe und Fischstäbchen.»

Derlei also ist komisch. Unter dem Blickwinkel der richtigen Beleuchtung jedoch läuft es einem bei der Lektüre dieser komischen Texte kalt den Rücken herunter, und darin besteht das wirklich kritische Moment der Goldtschen Kolumnen.

Der Autor

Max Goldt, geboren 1958 in Göttingen, siedelt 1977 nach dem Abitur nach Berlin über, wo er eine Fotografenausbildung beginnt. Er bricht diese jedoch ab und widmet sich der Musik. Auf den Wogen der Neuen Deutschen Welle schwimmt er als Frontmann der Gruppe "Foyer des Arts" ("Wissenswertes über Erlangen" - wer erinnert sich?). Er ist als Musiker ebenso erfolgreich wie als Autor. Seine Titanic-Kolumnen sind legendär; zudem macht er als "Katz und Goldt"-Duo erfolgreiche Comics. Max Goldt lebt und arbeitet in Berlin. (mehr)

Meine Meinung

Ich kann verstehen, dass manche mit Max Goldts Texten nichts anfangen können. Ich selber finde seinen Wortwitz und seine Art der Beobachtung einfach genial. Zum Langsamlesen und Geniessen. Ich bereue jede zu Ende gelesene Seite, weil ich dann eine weniger vor mir habe - so ähnlich wie bei einer angefangenen Pralinenschachtel. Max Goldt zitiert Schopenhauers "Architektur ist gefrorene Musik" und sagt dann zu irgendeiner Musikrichtung, die ihm nicht gefällt, die sei wie "geschmolzene Stadthalle". Besser geht's nicht.