Der Raub der Stephanskrone - Beate Maly

  • Klappentext laut Amazon:


    Österreich-Ungarn im 15. Jahrhundert. Sie ist die letzte Hoffnung für die ungarische Krone: Helene, die Kammerfrau der Königin Elisabeth. Als der König stirbt und die hochschwangere Königin vor dem aufständischen Adel fliehen muss, nimmt Helene die heilige Stephanskrone - die kostbare Insignie der ungarischen Könige - an sich. Eine gefährliche Reise durch das Land beginnt. Helenes Ziel: Die Donaustadt Komorn, in der Elisabeth sie erwartet, um ihren neugeborenen Sohn zum neuen Herrscher zu krönen. Kann Helene die Hoffnungen ihrer Königin erfüllen und ihr die Krone bringen?


    Über die Autorin nach Amazon:


    Beate Maly, geboren in Wien, ist Autorin zahlreicher Kinderbücher, Sachbücher und historischer Romane. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Wien.



    Meine Meinung bzw. Rezension:


    Im 15. Jahrhundert in Österreich-Ungarn wird Helene die Kammerfrau für die damals noch Herzogin Elisabeth. Schnell muss Helene feststellen, dass es mit Elisabeth nicht ganz so leicht ist.
    Als Dann aber König Albrecht stirbt ist Elisabeth hochschwanger, dadurch ist allerdings die Erbfolge nicht geregelt und deshalb soll Helene für sie die Stephanskrone holen um ihren Sohn gleich nach der Geburt als König von Ungarn krönen zu können.
    Für Helene beginnt nun eine Reise gegen die Zeit und gegen das Entdeckt werden. Ob es ihr gelingt die Krone wirklich bei Elisabeth abzuliefern?


    Dies ist nun schon das siebte Buch das die Autorin Beate Maly veröffentlich hat.
    Da ich schon einige Bücher der Autorin gelesen habe, war ich nachdem ich den Klappentext gelesen hatte gespannt ob mir dieses Buch genauso gut gefallen würde wie die beiden Bücher wo das Sündenbuch eine Rolle spielt.
    Aber leider hat der Klappentext nicht viel mit dem Roman zu tun, woher dieser Text stammt habe ich mich während des Lesens doch des Öfteren gefragt, denn entweder sollte das Buch einmal anders werden oder die Person die ihn geschrieben hat, hat nicht mal in das Manuskript reingelesen.
    Was aber nicht heißt, dass mir der Roman nicht gefallen hat, er hat mir sogar wirklich sehr gut gefallen.
    Der Einstieg ins Buch ist mir sehr leicht gefallen und ich bin recht schnell in die Handlung des Buches eingestiegen und die Seiten sind fast schon an mir vorbeigeflogen so war ich in den Roman vertieft.
    Auch wenn es einige Erzählstränge gab, war es doch so gehalten, dass man nicht durcheinander kam während des Lesens und der Hauptteil des Buches wird sowieso aus der Sicht von Helene erzählt. Mir hat auch der Erzählstil gut gefallen und zusammen mit dem klar durchstrukturierten Handlungsverlauf war es für den Leser auch ein leichtes allem ohne Probleme folgen zu können. Ich konnte auch die Entscheidungen die Helene im Laufe des Romans getroffen hat sehr gut nachvollziehen. Mit Königin Elisabeth hatte ich dagegen so meine Probleme und ich habe mich oft gefragt ob es wirklich nur die Erziehung war die sie so werden leis wie sie dann eben war.
    Aber auch alle anderen Figuren die im Laufe des Romans aufgetaucht sind waren sehr detailliert beschrieben, so dass man während des Lesens keine Probleme hatte sich diese vorzustellen.
    Mit haben aber auch die Beschreibungen der Handlungsorte sehr gut gefallen. Gerade bei Wien hat man gemerkt, dass dies die Heimatstadt der Autorin ist und sie die Stadt liebt. Wobei man sich auch die anderen Städte gut vor dem inneren Auge entstehen lassen konnte.
    Der Spannungsbogen war auch bis zum Schluss erhalten, was sich in einer in sich runden Handlung bemerkbar gemacht hat.
    Alles in allem hat mir der Roman wirklich sehr gut gefallen und ich habe ihn regelrecht verschlungen.
    Mit der Punktevergabe tue ich mich wirklich schwer, denn einerseits hat mir der Roman gut gefallen, aber auf der anderen Seite hatte ich durch den Klappentext etwas anderes erwartet was aber auf höchstens 90 Seiten des knapp 400 Seitigen Romans vertreten war. Deshalb vergebe ich schweren Herzens nur 8 von 10 Eulenpunkten.

  • Das historische Geschehnis, das unter dem Namen "Raub der Stephanskrone" seit dem 15. Jahrhundert überliefert ist (obwohl die Bezeichnung Raub eindeutig unrichtig ist), fand Anfang des Jahres 1440 statt, daher hätte ich eine Rezension zu diesen Roman eher in der Rubrik bis 1451 erwartet.


    Allerdings habe ich das Buch nicht gelesen, ich kann daher nicht beurteilen, welchen tatsächlichen zeitlichen Rahmen die Autorin Beate Maly gewählt hat. Da die Kottannerin erst in den 1460er Jahren gestorben sein dürfte, könnte sie die Geschichte noch bis dorthin fortgeführt haben.


    Zitat

    Original von Juliane
    Aber leider hat der Klappentext nicht viel mit dem Roman zu tun, woher dieser Text stammt habe ich mich während des Lesens doch des Öfteren gefragt, denn entweder sollte das Buch einmal anders werden oder die Person die ihn geschrieben hat, hat nicht mal in das Manuskript reingelesen.


    Eine kleine Überlegung meinerseits zum Klappentext (als Ergänzung zu Deiner sehr ausführlichen und aus meiner Sicht auch hilfreichen Rezension):


    Der Klappentext ist immer eine Bewerbung für ein Buch und soll Leser/innen und vor allem Käufer/innen für dieses gewinnen.


    Bei diesem Buch gibt es offensichtlich zwei Gruppen von möglichen Leser/innen: Leser/innen, die schon einmal etwas vom "Raub der Stephanskrone" und von Helene Kottanner gehört haben und Leser/innen, denen diese historische Episode ganz unbekannt ist.


    Wenn die historische Helene Kottanner nicht einen Bericht über die Wegschaffung der Stephanskrone aus der Plintenburg hinterlassen hätte, der im 19. Jahrhundert wiederentdeckt wurde, wäre dieses Geschehnis heute wahrscheinlich vollkommen vergessen. Dieser Bericht, bei dem leider nicht klar ist, für wen er bestimmt war (leider fehlen der Anfang und das Ende), gilt als die "ältesten" Memoiren, die eine Frau hinterlassen hat. Daher hat er in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem in der Genderforschung große wissenschaftliche Beachtung gefunden. Da hier außerdem sehr viele Informationen über den damaligen Alltag an einem Fürstenhof enthalten sind, gilt er auch als interessante Quelle für sozialgeschichtliche Forschungen und Mentalitätsgeschichte des Spätmittelalters.


    Das historische Geschehnis selbst, mit dem die historischen Elisabeth von Luxemburg, einzige (legitime) Tochter von König / Kaiser Sig(is)mund (auch ungarischer und böhmischer König) und Ehefrau / Witwe von Herzog Albrecht V. (als König Albrecht II.) ihrem postum geborenen Sohn Ladislaus wenigstens die ungarische Krone zu sichern suchte, hatte letztlich keine weitreichenden Folgen, nicht zuletzt, da dieser mit ca. 17 Jahren ohne Nachkommen starb. (Die Todesursache, eine Form der Leukämie, ist inzwischen wissenschaftlich bewiesen. Allerdings finden sich im Internet und in älteren Fachbüchern und populärwissenschaftlichen Fachbüchern noch immer Behauptungen, dass er an der Pest verstorben oder vergiftet worden wäre.)


    Mein Eindruck zum Klappentext:
    Er dürfte in erster Linie auf jene Gruppe abzielen, die von der Wegschaffung der Stephanskrone aus der Plintenburg 1440 durch Helene Kottanner und ihre beiden (bis heute unbekannten) Helfer bereits einmal gehört oder vielleicht sogar den Bericht der Kotannerin, der immerhin 1965/71 herausgegeben wurde, gelesen hat.
    Wenn diese Annahme stimmt (was ich natürlich nicht mit Sicherheit wissen kann, da müssten wir wohl den Verlag fragen) dürfte der Klappentext eine Werbung für jene Leser/innen bzw. Käufer/innen sein, die aufgrund ihres Vorwissens an einem Roman über Helene Kottanner interessiert sein könnten.


    Nach den bisherigen Rezensionen zu schließen, dürfte das Buch bisher nur von Leser/innen ohne Vorkenntnisse gelesen worden sein, und die dürften sich aufgrund des Titels wohl eher einen Krimi vor historischer Kulisse erwartet haben, was das Buch nach den Rezensionen nicht sein dürfte.


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    Zitat

    Original von Juliane
    Mit Königin Elisabeth hatte ich dagegen so meine Probleme und ich habe mich oft gefragt ob es wirklich nur die Erziehung war die sie so werden leis wie sie dann eben war.


    Wobei sich für mich gleich auch die Frage stellt, wie diese Frau tatsächlich gewesen ist?
    Nach den Rezensionen zu schließen, dürfte sie bei Maly eine ausgesprochen negative, sehr klischeelastige Frauenfigur sein, sozusagen die Gegenfigur zur guten Helene.


    Nach den seriösen Fakten, die über sie bekannt sind, gehört sie jedenfalls zu jener Gruppe von Frauen, die für sich, ihre Söhne oder die Dynastie / Familie in einem Machtkampf aktiv mitgewirkt haben. Ein Merkmal dieser Frauen ist, dass sie gewöhnlich in der gängigen Geschichtsschreibung sehr negativ wegkommen bzw. eine schlechte Presse haben. (Dies besonders, wenn sie zuletzt zu den Verliererinnen gehörten).


    Dazu gehören z. B. Matilda (Mutter des englischen Königs Henry II.), Margaret of Anjou (Ehefrau des englischen Königs Henry VI.), Elisabeth von Bosnien (ihre Tochter war ebenfalls ungarische Königin und die erste Ehefrau vom Vater jener Elisabeth, um die es in Malys Roman geht) oder Beatrice von Aragon (bzw. Neapel) (Witwe des ungarischen Königs Matthias Corvinus, des Nachfolgers von Ladislaus Postumus, und Sohn von jenem Janos Hunyady, um den es im "Dunklen Herz der Welt" von Liliana LeHingrat geht).


    Hinzu kommt, dass die Sachquellen und zeitgenössischen Quellen zur Charakteristik von historischen Persönlichkeiten bis ins 16. Jahrhundert nicht unbedingt unparteiisch oder über jeden Zweifel erhaben sind.


    In seiner Biographie zu Herzog Sigmund den Münzreichen (ein Cousin des Ehemanns der Elisabeth von Luxemburg) hat Wilhelm Baum z. B. die Probleme bei einem Charakterbild von Personen (zudem in einer Position, wo sie auf ihre Darstellung selbst Einfluss nehmen konnten) im Mittelalter und in der Frührenaissance gut auf den Punkt gebracht.
    Positive Urteile hat die Person gewöhnlich selbst in Auftrag gegeben, negative sind meistens von der Gegenseite und bei sachlichen Quellen wie Rechnungsbüchern, Akten, von der Kanzlei gefertigte Briefe etc. lässt sich gewöhnlich nie sicher beurteilen, welchen Anteil da andere Personen wie Schreiber, Ratgeber etc. hatten. :grin
    (Vgl. Wilhelm Baum: Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter, Athesia, Bozen 1987)


    Noch lustiger war das in einem Fachbuch über Condottiere im 14. und 15. Jahrhundert formuliert, wo der Autor darauf aufmerksam machte, dass die Beschreibungen zu ein und derselben Person meistens den Eindruck vermitteln würden, dass wir es mit verschiedenen Personen zu tun haben.


    Da ich Malys Buch bisher nicht selbst gelesen habe, kann ich natürlich nicht beurteilen, in wie weit Malys Figur der Königin tatsächlich eine Annäherung an die historische Elisabeth von Luxemburg sein dürfte (und wie weit dies überhaupt für die Autorin selbst wichtig war).


    Nach den bisherigen Rezensionen bei Amazon wirkt ihre Elisabeth-Figur jedenfalls auf mich als typisches Zeitgeistprodukt des 21. Jahrhunderts.


    Beatrix Eichinger gibt übrigens in ihrer Diplomarbeit, die leider nie gedruckt wurde, einen recht interessanten (vergleichenden) Überblick über die verschiedenen Deutungen der Historiker/innen zur Figur der ungarischen Königin Elisabeth (von Luxemburg) in jenem Bericht, den Helene Kottanner hinterlassen hat. Da finden sich z. B.:
    - die starke, autonome Herrscherin, die selbstbewusst eine Krone "rauben" lässt.
    - eine wankelmütige Königin, die ständig ihre Verbündeten wechselt (und vielleicht selbst nicht einmal weiß, was sie wirklich will).
    - eine bedrängte Frau in einer wichtigen Position, die von allen Seiten unter Druck gesetzt wird und sich dagegen zu wehren versucht.
    - eine passive Frau, für die ein Mann (wie z. B. Ulrich von Cilli) alle Entscheidungen trifft. (Die Planung einer Aktion wie die Sache mit der Stephanskrone kann Frauen schließlich nicht zugetraut werden.)
    - etc.
    Vgl. Beatrix Eichinger: Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert? Die autobiographischen Schriften einer Frau und zweier Männer im Vergleich. Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottanerin ..., Diplomarbeit, Universität Wien, 1994.


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    Leichte Überarbeitung und Ergänzung am 23. November 2015; Beseitigung eines dummen Tippfehlers (2 Striche z viel) am 9. März 2016.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

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  • "Das dunkle Herz der Welt" lese ich gerade und es hat nur am Rande mit dem Thema aus "Der Raub der Stephanskrone" zu tun.
    Es geht um Vladislav Draco, den Fürsten der Walachei und Vater des später als Vlad Tepes gefürchteten Herrschers Draculea.
    Elisabeth und Albrecht kommen allerdings auch darin vor, das ist richtig.

  • Versuch einer Analyse
    (Wertungen sind nicht beabsichtigt, die User/innen des Forums werden daher ausdrücklich von mir gebeten, diese auch nicht von sich aus in meine Analyse hineinzuinterpretieren.)


    Ich habe den Eindruck, dass beide Bücher sehr verschieden ist, auch wenn die Geschehnisse um den "Raub" der Stephanskrone in beiden Büchern eine Rolle spielen, und es dürfte sicher nicht uninteressant sein, zu sehen, wie die rumänische Autorin Figuren wie Königin Elisabeth, König / Herzog Albrecht oder auch die Kottannerin agieren lässt.
    Nach den Rezensionen zu Malys "Raub der Stephanskrone" (dieses Buch habe ich im Unterschied zum "Dunklen Herz der Welt" noch nicht selbst gelesen) dürften beide Bücher auf eine unterschiedliche Leserschaft abzielen.


    "Das dunkle Herz der Welt" (Rezensionen hier im Forum siehe den folgenden Link) ist wohl in erster Linie etwas für Leser/innen sein, die mehr über die Geschichte des damaligen Königreichs der Ungarn erfahren möchten und die sich nicht nur für die historische Figur von Vlad Tepes (dem angeblichen Vorbild für Graf Dracula) interessieren, sondern auch für sein geographisches / politisches Umfeld und die Zeit, in der er gelebt hat.


    Der Roman erzählt die Geschichte von Männern (beide historisch belegt, beide Zeitgenossen, beide Väter von Söhnen, die im Vergleich zu ihnen (gerade am deutschen Buchmarkt) bekannter sind:
    - Vlad Dracul war der Vater von Vlad Tepes
    - Janos Hunyady (im Buch sein "Gegenpart") der Vater des späteren Ungarnkönigs Matthias Corvinus. (Die Karriere dieser Familie Hunyady ist übrigens für das 15. Jahrhundert ungewöhnlich. Offensichtlich eine Familie von nicht gerade bedeutender Herkunft, von den Vorfahren ist nur der Vater als walachischer Adeliger gesichert, dennoch gelang Janos der Aufstieg in den Hochadel und zum "Gouverneur" des Königreiches Ungarn, sein jüngerer Sohn Matthias konnte sich schließlich als König behaupten, auch wenn es ihm letztlich nicht gelungen ist, eine eigene Königsdynastie zu begründen.)


    Indem die rumänische Autorin zwischen Janos Hunyady und Vlad Dracul eine Beziehung aufbaut, sie sind zunächst Freunde, bis einer der beiden diese Freundschaft beendet, schafft sie den dramaturgischen Angelpunkt, durch den sie ihre Handlungsstränge bestens verknüpfen kann. (Insgesamt habe ich den Eindruck, dass "Der dunkle Herz der Welt" der komplexere der beiden Romane sein dürfte, und wohl auch mit grausigeren Details arbeitet.)


    Liliana Le Hingrat ist nach den biographischen Angaben auf dem Buchcover eine Rumänin, daher ist es zumindest naheliegend, dass sie diesem Buch am deutschen Buchmarkt auch die Geschichte ihres Heimatlandes ein wenig präsentieren möchte.


    "Das dunkle Herz der Welt" ist angeblich ihr Debütroman, sicher ist es zurzeit der einzige Roman von ihr, den ich über Goggle gefunden habe, und sie soll angeblich einige Jahre dafür recherchiert haben. Ob diese Angaben nun zutreffen oder nur Behauptung (des Verlags?) sind, auf jeden Fall ergibt sich daraus, dass sie als eine Autorin vermarktet wird, die nicht nur schreibt, um Geld zu machen oder (durch einen Verlag) publiziert zu werden, sondern mit ihrem Schreiben auch Ambitionen verbindet.


    Beate Maly ist Österreicherin, lebt in Wien, das auch oft Schauplatz ihrer Bücher ist, und hat mehrere Bücher als Ebook und in wenigen Jahren über einen Verlag auf den Markt gebracht, was zumindest auf eine Vielschreiberin hindeutet. (Der Begriff Vielschreiberin ist grundsätzlich nicht abwertend, sondern meint lediglich eine/n Autor/in, die in kurzer Zeit Mengen von Büchern verfasst. Das dies allerdings auf die Qualität der Bücher Einfluss haben kann, kommt vor.)


    Nach den Angaben auf ihrer Website ist Maly (noch?) keine Berufsschriftstellerin, sondern hat einen Brotberuf, neben dem sie schreibt. Der Hinweis, dass sie sich dank eines Stipendiums (das ihr von einer staatlichen Institution gewährt wurde und somit aus Mitteln der österreichischen Steuern finanziert war) vorübergehend einige Monate für ihr erstes Buch eine berufliche Auszeit nehmen durfte, berechtigt zu der Annahme, dass sie langfristig als Berufsschriftstellerin reüssieren möchte. Um das zu schaffen, ist sicher eine marktorientierte Buchproduktion ihrerseits notwendig, wobei offenbleibt, wie sie das selbst erlebt - ist sie davn selbst überzeugt oder ist es eine Notwendigkeit, die sie hingenommen muss. (Jedenfalls ist sie offensichtlich nicht in der sozialen Notlage, schreiben zu müssen, um damit ihre Lebenskosten und die ihrer Familie zu decken.)


    Bei Malys bisherigen Büchern dominieren eindeutig die historischen "-in-Bücher", da gibt es bereits eine "Hebamme von Wien" (zu der es schon die Fortsetzung gibt) und eine "Zeichenkünstlerin von Wien" und außerdem eine "Donauprinzessin". (Letzteres Buch hätte ich aufgrund von Titel und Cover für einen Heimatroman á la 1950er-Jahre gehalten und keineswegs für einen historischen Kriminalroman, der um 1530 spielt, wie der Klappentext verrät.) Die Buchcover haben einen einheitlichen "Look", egal ob die Handlung im 14., 15. oder 17. Jahrhundert spielt, offensichtlich wird beim Marketing (durch den Verlag oder die Literaturagentur?) mehr Wert auf den Widererkennungseffekt gelegt, als auf eine Abstimmung mit den Buchinhalten.


    Bei den bisherigen Rezensionen bei Amazon zum "Raub der Stephanskrone" fällt auf, dass der Titel als irreführend gesehen wird. Was lässt sich daraus schließen? Offensichtlich wurde das Buch von allen bisherigen Rezensenten/innen nicht gelesen, weil sie das historische Geschehnis, auf das der Titel hinweist, interessiert. Nach den Rezensionen dürften die meisten Leser/innen einen Kriminalroman vor mittelalterlicher Kulisse (um eine weibliche Hauptfigur?) erwartet habe. Dazu passt auch, dass sich ein solcher Roman von Maly bereits mit ihrer "Donauprinzessin" am Buchmarkt findet. (Die Ähnlichkeit der Buchcover der "Donauprinzessin" und der "Stephanskrone" ist vielleicht beabsichtigt.)
    In den meisten Rezensionen findet sich außerdem der Hinweis, dass Renzensent/in schon das eine oder andere Bücher von Beate Maly gelesen hat, für den Kauf bzw. das Lesen der "Stephanskrone" ist also auch eine bisher positive Erfahrung mit Malys früheren Büchern ausschlaggebend.


    Die ausschließlich positiven, auf den ersten Blick jedenfalls auch hilfreichen Rezensionen sind ein weiteres Indiz dafür, dass "Der Raub der Stephanskrone" bisher nur von jenen Leser/innen rezensiert wurde, für die er auch geschrieben wurde.
    ("Auf den ersten Blick jedenfalls auch hilfreich" ist von mir nicht als Abwertung gemeint. Aber da ich das Buch bisher nicht gelesen habe, kann ich natürlich noch nicht beurteilen, ob ich die Rezensionen danach noch hilfreich finden würde. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist es schon öfter vorgekommen, dass ich leider feststellen musste, dass sich Rezensionen als wenig hilfreich herausstellten, nachdem ich das Buch gelesen hatte und danach feststellen musste, dass ich die Meinung in einer Rezension, nachdem ich das Buch kannte, nicht wenigstens nachvollziehen konnte.)


    Wahrscheinlich würde Malys Roman ein Titel wie z. B. "Die Kammerfrau", "Die Gehilfin des Kronenräubers" oder "Die Beschützerin der Stephanskrone" gerechter werden, geht es in dem Buch offensichtlich weniger um die Beschaffung der Stephanskrone aus der Plintenburg für eine Krönung, sondern um die Geschichte der Frau, die diese Aktion mit Helfern durchgeführt hat. (Ergänzung am 10. Juli 2017: Nach dem Lesen hatte ich den Eindruck, dass der "Kronenraub" bei Maly, politisch betrachtet, vollkommen unnötig ist, eine unsinnige Maßnahme, deren vermeintliche Notwendigkeit sich eine machtgeile, dümmliche "Tussi", das ist die Königin Elisabeth bei Maly nämlich, und ihr Liebhaber, dem sie aus der "Hand frisst", halt einbilden.)


    Offensichtlich ist der Roman etwas für Leser/innen, denen Bücher wie zum Beispiel "Die Wanderhure", "Die Vergolderin" oder "Die Reliquienjägerin" gefallen haben. Auch solche Bücher haben manchmal eine weibliche Hauptfigur, die auch historisch belegt ist. Beispiele neben dem "Raub der Stephanskrone" wären z. B. "Die Hexe von Freiburg" (von Astrid Fritz) oder "Die Königsdame" (von Sabine Weigand).

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  • Dieses Posting ist jetzt eindeutig eine Rezension und betrifft das von mir inzwischen gelesene Buch.


    Neben Julianes hilfreicher Rezension, die hier den Thread eröffnet, gibt es auf Amazon inzwischen ausreichend Rezensionen, alle im Feld 3-5 Sterne, wobei die 5 Sterne eindeutig die häuftigste Bewertung sind. Alle diese Rezensionen wie auch die von Juliane vermitteln hier sehr gut, warum dieses Buch Leser/innen gefallen könnte. Meine Rezension ist eine Ergänzung, hier wird gezeigt, warum das Buch vielleicht der/m einen oder anderen Leser/in nicht gefallen könnte.


    In allen Rezensionen, die bei Amazon bisher gepostet wurden, hat es sich nach ihren eigenen Aussagen um Leser/innen gehandelt, die auf das Buch aufmerksam wurden, weil sie schon andere Bücher von der Autorin gelesen haben oder sich von dem Buch aufgrund des Titels und der Vermarktung einen historischen Krimi versprochen hatten.


    Bei mir war die Ausgangssituation zum Lesen dagegen eine ganz andere, wie ich in diesem Thread bereits angedeutet habe. Nach längerer Überlegung (die Rezensionen bei Amazon ließen mich bereits befürchten, dass mir dieses Buch wohl nicht gefallen dürfte) habe ich dem Buch eine Chance gegeben, weil mich einfach interessiert hat, was für eine Geschichte die Autorin Beate Maly aus jenem historischen Geschehnis, das als "Raub der Stephanskrone" in die Geschichte eingegangen ist, gemacht hat bzw. was für eine Geschichte sie darum gebastelt hat.


    Sie verweist übrigens im Buch selbst auf die Hauptquelle zum "Raub der Stephanskrone", Helenes Bericht darüber, dies einerseits im Nachwort, wo sie dessen Lektüre empfiehlt und andererseits auch im Buch selbst, wo Helene beschließt, ihre Abenteuer für die Nachwelt aufschreiben zu lassen, aber gleich meint, dass sie einiges weglassen wird. Sollen damit die wesentlichen Abweichungen von der historischen Quelle (und von den Informationen dort ist wirklich fast nichts im Roman zu finden) erklärt werden?


    Jedenfalls wird so von der Autorin vermittelt, dass sie die "wahre" Geschichte geschrieben hat, die dieser Quelle zugrundeliegen könnte. Doch leider erfährt ihre weibliche Hauptfigur dadurch gleich einmal eine wohl unbeabsichtigte Abwertung. Bei einem Vergleich Buch und Quelle entsteht nämlich der Eindruck, dass die historische Helene eine ziemliche Angeberin gewesen ist, denn im Roman ist sie im Gegensatz zu ihrer eigenen Erzählung in erster Linie nur die brave und treue Dienerin, die sich zum Mitmachen bei einem heiklen historischen Coup verleiten lässt.


    Eine Sicht, die sich übrigens auch mit der des Historikers Franz Theuer deckt. Er geht in seinem Buch "Der Raub der Stephanskrone" aus dem Jahr 1994 davon aus, dass der "Kronenraub", die "Handschrift" des Grafen Ulrich II. von Cilli (dem Cousin von Königin Elisabeth) trägt und von ihm ausgeführt wurde. Theuer begründet das damit, dass Elisabeth und Helene als Frauen zu einer solchen Unternehmung sicher nicht selbst imstande gewesen sein können.


    Sowohl bei ihm als auch bei Maly bedarf es also doch eines Mannes, der Geschichte macht, wobei die Frau auf die untergeordnete Rolle der Hilfskraft beschränkt ist.


    Für mich stellt sich die Frage, warum Maly nicht gleich auf diesen Grafen Ulrich zurückgegriffen hat, da er in den "Denkwürdigkeiten" eine keineswegs unwichtige Rolle spielt. Aber offensichtlich erschien ihr ein fiktiver Liebhaber der Königin als Ideengeber und Ausführender, der nebenbei in Helene ein wenig verliebt ist, viel interessanter.
    (Der verrückte Name dieses fiktiven Grafen soll wohl selbst begriffstutzigen Leser/innen deutlich machen, dass er der wirkliche Vater von Ladislaus Postumus [den Jungen, für dessen Krönung die Krone "geraubt" wird] ist.)


    Ganz anders wirkt die historische Helene in ihrem eigenen Bericht, hier ist sie dagegen eine Frau mit Eigeninitiative, Planungsvermögen und Tatkraft. Sie übernimmt von der Königin den Auftrag und kümmert sich dann selbst um die Planung und Durchführung. Die Männer, die ihr bei dem Einbruch helfen (ihre Namen hat sie uns nicht überliefert) führen dabei jene Aufgaben aus, die sie selbst nicht übernehmen kann, wie z. B. das Auffeilen der Türschlösser, und sie werden von ihr dafür gewonnen.


    In Helenes Bericht zeigt sich übrigens wieder einmal, dass das Leben noch immer die besseren Geschichten schreibt, denn ihre "Denkwürdigkeiten" erzählen eine spannende, auch psychologisch interessante Geschichte, in der Leser/in außerdem noch viel über den Alltag im königlichen Frauenzimmer im Spätmittelalter und andere Lebensbereiche erfährt.


    Helenes Bericht erfüllt also bereits alle Anforderungen, die die meisten Leser/innen heute von einem gelungenen historischen Roman erwarten. Da ist es wirklich nur schade, dass Maly für ihren Schluss nicht gleich ihre Quelle adaptiert hat, sondern diese durch eine klischeelastige 08/15-Actionstory (inklusive fiktiver Verfolgungsjagd) ersetzt. Diese von Maly erfundene Story, wirkt (auf mich jedenfalls) im Vergleich zu dem, was uns Helene selbst darüber erzählt, langweilig und auch etwas billig.


    Nun gut, vielleicht erwartet das der Buchmarkt, aber ich kann mir nicht helfen, bei den "Denkwürdigkeiten", die immerhin schon fast 600 Jahre alt sind, habe ich mehr mitgefiebert, wenn Helene z. B. für den Einbruch in die Schatzkammer der Plintenburg ein zweites Mal Kerzen beschaffen muss (ohne dass irgendjemand Verdacht schöpft), nachdem die bereits beschafften Kerzen dummerweise verschwunden sind, oder während die Schlösser aufgefeilt werden, bei jedem Geräusch zusammenzuckt, weil sie berechtigte Angst hat, dass jemand von der Wache die Geräusche auch hören könnte.


    Ähnliches gilt auch für die Figurenzeichnung: die historische Elisabeth mag nach Helenes "Denkwürdigkeiten" tatsächlich eine launenhafte Person gewesen sein, aber so wie das in den "Denkwürdigkeiten" rübergebracht wird, wirkt es viel subtiler. Davon abgesehen aber wird in den "Denkwürdigkeiten" eine Frau gezeigt, die aus ihrer Zeit heraus durchaus nachvollziehbare Motive für ihr Handeln hat, wenn sie versucht, ihrem Sohn das Erbe zu sichern, soweit ihr das möglich ist.


    Maly dagegen bedient das (übrigens nicht erst für das 21. Jahrhundert typische) Zerrbild einer Rabenmutter, die von ihrem Machthunger und ihren Launen bestimmt wird.
    Dass Elisabeth "Liebhaber" hat, dürfte allerdings im Roman weniger dazu dienen, sie als miesen Charakter / moralisch-zweifelhafte Figur zu zeigen, als ihren Ehemann, den späteren König Albrecht II. zu einer lächerlichen Figur zu machen.


    Wie wenig Mühe sich Maly bei der Gestaltung ihrer historischen Figuren gemacht hat, zeigt sich z. B. an der Nebenfigur dieses Habsburgers, der nicht nur eine farblose Karikatur ist, sondern natürlich auch durch die "Habsburger-Lippe" entstellt wird, offensichtlich weil das halt das "Habsburger"-Klischee ist, das heute um jeden Preis verwendet werden muss. Dumm nur für Maly, dass es keineswegs bewiesen ist, dass er diese "Lippe" tatsächlich hatte, nach einigen sehr verbreiteten Theorien kann er sie schon aus genealogischen Sicht gar nicht gehabt haben.


    Ein anderes Beispiel: Die Mutter der Königin Elisabeth wird stets als Barbara von Chilli bezeichnet, eine komische Schreibweise für die Grafen von Cilli / Celje [in zeitgenössischen Quellen auch Cili], die mir noch nie untergekommen ist.


    Was Maly mit einem zur Abwechslung wirklich subtilen Detail dagegen recht gut gelungen ist: zu zeigen, dass ihre Königin Elisabeth als Herrscherin eine Niete ist. War das von ihr beabsichtigt?) Eine gute Herrscherin sollte z. B. über die Länder, über die sie herrscht oder herrschen will, ein wenig informiert sein. Malys Elisabeth aber, als Ehefrau Albrechts längst Markgräfin von Mähren, träumt noch immer davon, einmal Königin von Böhmen, Ungarn und Mähren zu sein. Sie weiß also im Roman nicht einmal über ihre Positionen Bescheid (bzw. weiß nicht einmal, dass dieses Mähren eben kein Königreich, sondern nur eine Markgrafschaft ist).


    Dass Malys Königin Elisabeth durchaus das Potential zu einer interessanten Romanfigur gehabt hätte, zeigen einige Ansätze zu Beginn des Romans (z. B. ihre Einsamkeit und ihre Sehnsucht nach einer wirklichen Freundin). Wirklich schade, dass Maly die letztlich nicht weitergeführt hat, wie überhaupt der Roman einen recht vielversprechenden Anfang gehabt hätte, der im Verlauf der weiteren Handlung nicht fortgesetzt wird.


    Gegen diese fragwürdigen Figuren, die - so ein Zufall! - aus der Oberschicht sind, gibt es die netten (fiktiven) Figuren aus unteren Schichten wie die liebe, fürsorgliche Köchin Anna oder die tapfere und brave Hebamme. Helene ist zwar eine Adelige, aber zumindest nicht aus dem Hochadel.


    Selbstverständlich die die Heldin Helene, über deren tatsächliches Aussehen nichts bekannt ist, auch keine graue Maus, sondern eine hübsche Frau mit Augen, deren Schönheit und Farbe immer wieder beschrieben werden. Anders als die Rabenmutter Elisabeth ist Helene eigentlich eine gute Mutter, aber durch ihre erste Ehe mit einem gewalttätigen Menschen leider schwer traumatisiert. Zum Glück gibt es den sympathischen Johann Kottanner, der sich als ihr Mister Right entpuppt, ein herzensguter Mensch, ein verständnisvoller Ehemann und Partner und ein guter Vater, und nebenbei der tüchtige Mann aus der Unterschicht, der sich mit eigener Leistung empor gearbeitet hat - der Traummann per Excellence. Da bedarf es tatsächlich Helenes Trauma durch die erste Ehe, dass Leser/innen überhaupt verstehen können, warum Helene nicht sofort begreifen kann, dass sie mit diesem Johann doch wirklich das große Los gezogen hat.


    Johann hat übrigens keine Einwände, dass Helene bei der Königin im Dienst ist, aber diese beginnt in der Geschichte selbst zu kapieren, dass ihr Platz nicht dort, sondern an seiner Seite ist, was wiederum ideal zum Frauenbild der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts passt, das Helene offensichtlich vermitteln soll: Ehefrau, Mutter, Hausfrau.


    Bleibt noch die Stadt Wien als historischer Hauptschauplatz - Maly lebt in Wien, und das Wien, das sie zeigt, wirkt auf den ersten Blick sehr vertraut, eben das Wien der Gegenwart. Als Stadt im Spätmittelalter hat mich dieses Wien aber nicht überzeugt, und ein paar Versatzstücke wie die Erwähnung der Bauhütte von St. Stephan können diesen Eindruck nicht wirklich beheben.


    Ob die römischen Ausgrabungen am Hof und am Michaelerplatz damals schon sichtbar waren und ob sie die Bewohner/innen von Wien in diesem Fall als römische Ausgrabungen wahrgenommen hätten? (Das versuche ich zurzeit zu eruieren, und ebenso, ob es die Maronibrater damals schon gegeben hat.)


    Die Wollzeile, damals Wollzeil, die Maly vorkommen lässt, hat es bereits gegeben, sie entsprach aber keineswegs der Straße, die wir in Wien heute als Wollzeile kennen. Eine Weihburggasse hat es dagegen um 1440 noch nicht gegeben, damals hieß die Gegend noch "Weiherburg/en. Nun, wenigstens erleichtern heutige Straßennamen die Orientierung.


    Das Problem mit Malys spätmittelalterlichen Wien ist sicher, dass es als ziemlich menschenleere Stadt rüberkommt und mich schon deswegen nicht wirklich überzeugt. Dabei war Wien im 15. Jahrhundert nach Blick in das Fachbuch von Opll und Csendes eine Metropole, wichtiger Handelsplatz und eine der wichtigsten Städte im damaligen Herzogtum Österreich ob und unter der Enns, eine pulsierende Metropole, wie wir heute sagen würden.


    Auch sonst ist es in Malys Roman um die historische Genauigkeit nicht allzu gut bestellt.
    Das Gebiet des Herzogtums Österreich z. B., dem Land, zu dem Wien damals gehört hat, umfasste zu dieser Zeit nur Teile der heutigen Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich in der Republik Österreich.


    Die Hauptstadt der österreichischen Kronländer, als die Malys Helene diese Stadt Wien kennt, war das damalige Wien noch nicht, aus einem einfachen Grund, da es eine Hauptstadt von österreichischen Kronländern und österreichische Kronländer nämlich im 15. Jahrhundert noch gar nicht gegeben hat. (Die Kronländer des Habsburgerreiches entstanden erst Jahrhunderte später als Folge einer Verwaltungsreform, in einer ganz anderen Zeit und in einer ganz anderen Welt.)


    Interessant ist auch, dass Wien im 15. Jahrhundert gerade für seinen Weinhandel bekannt war. (Wien gilt als die einzige Großstadt, die durch den Weinbau entstanden ist :grin.) Der Export von Wien war damals eine der wichtigsten Einnahmequellen der Wiener/innen, vielleicht sogar die wichtigste Handelsware und gerade die Weinlese und der Handel mit Weinen führten immer wieder zu Konflikten mit der Landesherrschaft. Sehr befremdend daher, wenn Malys Helene jedoch überrascht, dass es in Wien überhaupt gute Weine gibt.


    Leider - auch das mittelalterliche Wien, das Maly zeigen will, kann nicht wirklich überzeugen. Für Personen, die sich mit dem mittelalterlichen Wien beschäftigt haben, ist dieses Wien leider nur eine Zumutung.


    FAZIT:
    Die Anzahl der Sterne hängt bei mir davon ab, wie gut ein Roman innerhalb des Genres abschneidet, in dem er vermarktet wird.


    Die Geschichte von Helene mit den "ungewöhnlichen, blauen Augen" und ihrem Johann überzeugt als seichter Frauenroman (trotz einer letztlich doch sehr altmodischen Gender-Darstellung) und würde als solcher wohl doch 4-5 Sterne verdienen.


    Da "Der Raub der Stephanskrone" allerdings als historischer Roman vermarktet wird und als solcher nicht einmal ansatzweise überzeugt (zumindest für Menschen, die sich gute Geschichtskenntnisse erarbeitet haben) reicht es nur für 1-2 Sterne, denn der historische Hintergrund und die Darstellung von Wien um 1440 sind nicht wirklich gelungen, und die Umsetzung der Handlung und die Figuren sind zu klischeehaft, um dafür den Ausgleich zu schaffen.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

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  • Wäre Maly aus Deutschland (z. B. München, Nürnberg oder auch Berlin) hätte ich dem Buch doch 2 Sterne gegeben, denn ich habe selbst erlebt, dass es sehr schwierig ist, Fachliteratur über die Fernleihe anzufordern, und ich habe vollstes Verständnis dafür, dass sich nicht jede/r Autor/in eine Recherche vor Ort leisten kann, in diesem Fall eine Reise nach Wien, inklusive längerer Aufenthalt.


    Ausschlaggebend für nur 1 Stern ist, dass Beate Maly in Wien lebt und somit ideale Möglichkeiten für eine gute Recherche für historische Hintergrundinformationen zur Geschichte der Stadt Wien, zur historischen Helene Kottanner und dem historischen "Raub der Stephanskrone" gehabt hätte. So gibt es z. B. zu den "Denkwürdigkeiten der Helene Kottanner", zu ihr als Person und zu ihrer Zeit einige sehr gelungene Diplomarbeiten aus den 1990er-Jahren.
    Ein Exemplar von jeder an einer österreichischen Universität entstandenen Diplomarbeit / Dissertation findet sich gewöhnlich an der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Benutzung von Wiener Bibliotheken (Universitätsbibliotheken, Nationalbibliothek) ist z. B. auch für Externe (Nicht-Studenten, -Lehrkräfte, Universitätslehrkräfte und -angestellte) möglich, die Gebühr für die Jahreskarte ist recht moderat (zudem sie Berufsschriftsteller/innen auch steuerlich geltend machen können), das gilt auch für die Büchereien in Wien.
    In den Büchereien gibt es eine ganze Reihe informative Bücher zur Teilgebieten der Geschichte Wiens, z. B. die Arbeiten von Richard Perger, und mit dem mehrbändigen Stadtlexikon von Felix Czeike (inzwischen Hauptquelle für das WienWiki) und im ersten Band der mehrteiligen Fachbuchserie "Wien. Geschichte einer Stadt". Hrsg. von Ferdinand Opll und Peter Csendes, 2001-2003, 3 Bde. + 1 Sonderbd. wird ein lebhaftes und sehr interessantes, vielfältiges Bild des mittelalterlichen Wiens gezeichnet, das auf modernen wissenschaftlichen Forschungsmethoden aufgebaut ist. Hinzu kommen noch zahlreiche Museen in Wien, neben dem bekannten Wien Museum z. B. 23 Heimatmuseum (in Wien Bezirksmuseen genannt), wahre Fundgruben für Lokalhistoriker/innen.


    Wirklich schade, dass Maly diese Möglichkeiten nicht genützt haben dürfte (oder wenn sie das doch getan hat, schade, dass davon nichts in dem Roman zu finden oder zu spüren ist), es wäre sicher eine Bereicherung für den Buchmarkt gewesen, da der historische Stoff und die Stadt Wien im Spätmittelalter durchaus Originalität gehabt hätten.

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  • Für Leser/innen, die sich für die Stadt Wien im Mittelalter interessieren, und einen Roman lesen wollen, in dem die Stadt für Romanverhältnisse sehr authentisch beschrieben wird, könnten vielleicht die beiden Historischen Romane interessant sein:


    "Das gelbe Hurentuch" (von Anna Fuchs)
    ein Historischer Wien-Roman aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
    mehr dazu unter dem Link


    "Der blaue Liebesknoten" (von Anna Fuchs)
    Fortsetzung von "Das gelbe Hurentuch"
    mehr dazu unter dem Link


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    Eine Warnung allerdings:
    Beide Romane werden zwar als historische Kriminalromane vermarktet, sind aber (obwohl es hier viele Elemente des Kriminalromans vorkommen) keineswegs das, was zurzeit als historischer Kriminalroman am Buchmarkt üblich ist. (Tatsächlich dürfte die Zuordnung zu einem Genre hier sehr schwierig sein, was mir allerdings schon bei vielen guten Büchern aufgefallen ist.)


    Beide Bücher sind zwar sehr gelungene Romane in Bezug auf die Historizität, den Schauplatz Wien und das Lokalkolorit, aber wer sich hier nur einen weiteren historischen Kriminalroman / Whodunit nach dem "Vorbild" von Andrea Schacht / Begine Almut, Petra Schier / Apothekerin Adelina oder Astrid Fritz / Begine bzw. Arztgattin Serafina, um nur ein paar hier bekannte Autorinnen bzw. Autoren zu nennen, erwartet, könnte vielleicht enttäuscht sein. Die Bücher von Anna Fuchs zeigen trotz der Verwendung einiger zurzeit beliebter Figurenkonstellationen und einem Schuss "Hintertreppe" ein ganz anderes Mittelalteralterbild und eine Mittelalterwelt, die so beschaffen ist, dass der typische Whodunit selbst bei Eingrenzung auf das in einem Roman Übliche gar nicht glaubwürdig wäre.

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