Glorreiche Zeiten - Kate Atkinson

  • Gebundene Ausgabe: 512 Seiten
    Verlag: Droemer HC (2. November 2015)
    ISBN-13: 978-3426281291
    Originaltitel: A God in Ruins
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 19.99
    Preis Kindle E-BooK: Euro 17.99


    Autorin


    Kate Atkinson wurde bereits für ihren ersten Roman "Familienalbum" mit dem renommierten Whitbread Book of the Year Award ausgezeichnet. Mittlerweile stehen ihre Bücher regelmäßig auf den internationalen Bestsellerlisten. Für "Das vergessene Kind", den vierten Band in der Reihe um den Privatermittler Jackson Brodie, erhielt sie den Deutschen Krimi Preis 2012 und für ihren Roman "Die Unvollendete" den Costa Novel Award 2013. Kate Atkinson lebt in Edinburgh und gilt als eine der wichtigsten britischen Autorinnen der Gegenwart.


    Kurzbeschreibung / Klappentext


    "Es war Krieg, und er hatte sich mit dem Tod abgefunden. Dann war der Krieg vorbei, und es kam ein nächster Tag, und noch einer, und noch einer. Er konnte sich niemals daran gewöhnen, dass er plötzlich eine Zukunft hatte …"
    "Glorreiche Zeiten" erzählt die dramatische Geschichte des 20. Jahrhunderts durch die Augen von Teddy Todd – Möchtegernpoet, todesmutiger Bomberpilot, treuer Ehemann, verstörter Vater und später liebender Großvater. Mit größter Meisterschaft und Ironie lässt Kate Atkinson das Leben mehrerer Generationen in stets neuen Facetten aufblitzen – und beweist einmal mehr ihren Rang als eine der herausragenden Autorinnen der Gegenwart.


    Meine Meinung


    Gekauft habe ich mir dieses Buch, weil ich mir von ihm angenehme Lesestunden mit einer generationenübergreifenden Familiengeschichte versprochen habe. Ein Roman mit schmökerqualitäten für die kälter werdenden Tage im Spätherbst. Zugleich mein erstes Buch von Kate Atkinson und ich musste schnell lernen, dass die literarische Begegnung mit ihr anspruchsvolle Lesekost bietet. Anstatt sich in aller Bequemlichkeit butterweich in die Geschichte fallen zu lassen müssen die kleinen grauen Hirnzellen aktiviert werden und arbeiten. Kein passives sich führen lassen von der Autorin durch die Handlung sondern aktives mitdenken ist gefragt, sonst verliert man leicht den Überblick und die Roten Handlungsfäden, die einem durch die verschiedenen Zeitebenen führen, entgleiten einem aus der Hand. Wie dieser vielschichtige Roman beurteilt wird, hängt also zu einem nicht unerheblichen Teil von einem selber ab.


    Dem ersten Erstaunen über den kultivierten Erzählstil folgt mit zunehmender Lesedauer die Begeisterung. Die Handlungsstränge laufen zeitlich nicht linear ab, das wäre ja auch viel zu einfach, sondern es wird willkürlich im Raum- und Zeitgefüge hin und her gesprungen, von der einen Dekade zur nächsten und wieder zurück. Das Leben von Teddy Todd ist dabei Dreh- und Angelpunkt. Die Kindheit in den 1920er Jahren, die Zeit im 2. Weltkrieg bei der Royal Air Force als Bomberpilot auf einer viermotorigen Halifax, später als Familienoberhaupt und Grossvater. Jedes Kapitel setzt ein Puzzleteil an den richtigen Ort bis zum Schluss ein Gesamtbild entsteht. Die Geschichte mäandert immer wieder zu den Menschen die in Teddys Leben treten und ihn über kürzere oder auch lange Zeit begleiten. Kleinere Aus- und Abschweifungen in dem genau 500 Seiten langen Roman sind vorhanden, sind aber für die Tiefenschärfe in der Personenzeichnung von erheblicher Bedeutung und deshalb notwendig.


    Ein klug konstruierter Roman über die wechselnden Herausforderungen die einem das Leben stellt zwischen und in den markanten zeitlichen Epochen des 20. Jahrhunderts. Komplexe Handlungskonstrukte, die einem fordern, werden von einfacheren aber wunderschönen erzählten Passagen abgelöst damit man geistig Luft und Schwung für das nächste Kapitel holen kann. Eine weit gesponnene Familiensaga dank der ich eine ehrgeizige Schriftstellerin für mich entdeckt habe die mit Herz und viel Verstand schreibt. Kate Atkinson, den Namen muss ich merken weil wir uns in Zukunft noch öfters auf literarischen Wegen begegnen werden. Meine Wertung: 9 Eulenpunkte

  • Teddy Todd wurde 1914 in eine ländlich solide Familie hineingeboren. Alles fühlte sich sehr normal, sehr geregelt an, auch wenn seine Mutter ihn vielleicht ein bisschen mehr mochte, als seine Schwestern, seine Tante eine weltfremde Schriftstellerin war und seine Schwestern nicht immer die Erwartungen erfüllten, die an sie gestellt wurden.


    Doch dann kommt der Krieg. Der Erste den Teddy so richtig bewusst miterlebt hat. Wie viele andere junge Briten, muss auch er in den Kampf ziehen. Als Pilot bombardiert er deutsche Städte, kämpft täglich ums Überleben.


    Dies gelingt ihm und zurück in der Heimat entschließt er sich zu der einzigen Tat, die ihn zurück ins Hier und Jetzt holt, ihn erdet und ihm eine gewisse Zuversicht gibt. Er heiratet seine Sandkastenliebe Nancy. Die Familie die er gründen möchte, entwickelt sich zur Reduktion seiner eigenen Herkunftsfamilie. Statt vielen Kindern bekommt er nur eins – seine Tochter Viola, die all die Hoffnungen und Sehnsüchte verstorbener wie lebender Familienmitglieder erfüllen soll.


    Auch Viola wird Mutter. Eine Aufgabe, die ihr nicht immer leicht fällt. Trägt sie doch nicht nur die Last der Ahnen, sondern auch die der Nachkriegsgeneration. Kommunikation fällt ihr schwer. Ständig fühlt sie sich missverstanden. Redet an ihren Kindern ebenso vorbei, wie an ihrem Vater, der mit seinen Enkeln eher auf einer Ebene zu sein scheint, als sie selbst.


    Kate Atkinson ist für mich eine der Autorinnen, die ihren Figuren Leben einhaucht, indem sie diese bis ins kleinste Detail, bis zu jedem Gedankengang und jeder Handlung perfekt durchdenkt. Charaktere werden erstellt, in die freie Wildbahn entlassen und dann von ihr genauestens beobachtet. Und obwohl die Protagonisten sich in einem sehr nachvollziehbaren, schlüssigen Handlungsgerüst bewegen, geht nie die Spannung verloren.


    Ganz im Gegenteil. Für Kate Atkinson ist es ein Leichtes diese auch über einen großen Umfang von über 500 Seiten zu halten, indem sie den Leser mit Illusionen umspielt, die durch Andeutungen entstehen. Sie fordert auf mitzudenken, wirkt einem stupiden runter lesen damit entgegen und sorgt für ihren eigenen Erzählton – eine Mischung aus Ironie, Humor und Dramatik.


    Damit spiegelt ihre Schreibe auch den Inhalt dieses Romans über Generationen und die Schwierigkeiten von Erwartungen und Kommunikation. Die Familie Teddy Todd ist aus der Realität gegriffen, könnte eine von vielen sein, in denen ein Familienmitglied im Krieg gekämpft, die Last dieser Taten weitergetragen und an Folgegenerationen übergeben hat.
    Neben einem eindrucksvollen Familienpsychogramm bewegt sich der Leser durch die Zeit des zweiten Weltkriegs. Begegnet Drama ebenso wie Hoffnung.


    Kate Atkinson ist es zum wiederholten Male gelungen mich mit einem ihrer Romane zu begeistern und gedanklich zu beschäftigen.