Wer gab dir, Liebe, die Gewalt von Viola Alvarez

  • Klappentext:
    Seine Geburt ist geheimnisumwittert, seine Kindheit die eines Wunderkindes.
    Er wird der Hofsänger und Dichter des Mittelalters - geschätzt von Fürsten und
    Königen - begehrt von Frauen.
    Man nennt ihn Walther von der Vogelweide.
    Als enfant terrible und auf dem Höhepunkt seines Schaffens nimmt er sich jede
    Freiheit, jeden Rausch. Doch sein Herz ist einsam, Genie und Wahnsinn nah
    beieinander. Seine ganze Liebe gehört einem Mädchen, das er nicht haben kann:
    Anna. In ihr sieht er das Gute, Reine in einer Welt, die ihm feindlich und verlogen
    zu sein scheint. Sie ist der einzige Mensch, dem sich der sensible Dichter öffnen
    kann. Sie begleitet ihn durch seine dunkelsten Nächte - und bis in den Tod.


    Ein großer Roman über einen Mann, dessen Namen jeder schon einmal gehört hat
    und dessen Leben doch weitgehend unbekannt und voller Geheimnisse ist.
    Spannend und mit großem Einfühlungsvermögen in Mensch und Zeit füllt Viola
    Alvarez diese historische Lücke und macht Walther zu einer zerrissenen Persön-
    lichkeit, die zwischen genialem Wahn und der Sehnsucht nach Liebe schwankt.



    Vorwort:
    Dieser Roman erzählt eine Idee des Lebens Walthers von der Vogelweide -
    nicht sein Leben, wie es war. Niemand weiß, wie es war. Da nur ein einziges
    nichtliterarisches Zeugnis von Walthers Leben vorliegt (eine Rechnung über
    einen Mantel), seine Herkunft, exakte Lebensdaten und Wege bislang von der
    Forschung weitgehend ungeklärt blieben, handelt es sich bei allen Episoden
    und Begegnungen mit historischen Persönlichkeiten, auch wenn diese in aller
    Wahrscheinlichkeit tatsächlich stattgefunden haben mögen, um reine Fiktion.
    Walthers Gedanken, Fragen, Verhaltensweisen und Handlungen sind jedoch
    direkt von den Inhalten seiner uns überlieferten Sprüche und Lieder inspiriert.



    Autorin:
    Viola Alvarez, in Lemgo/Westfalen geboren und in Detmold aufgewachsen,
    ging nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Skandinavistik als
    Dramaturgin nach Hamburg. Zusammen mit ihrem Mann schrieb sie ein Buch
    über indianische Heilmethoden. Viola Alvarez lebt heute als freie Autorin in
    der Nähe von Köln und veranstaltet Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung.
    Ihr erster historischer Roman »Das Herz des Königs« erschien im Jahr 2003
    im Gustav Lübbe Verlag.




    Meine Meinung:
    Es fällt mir ein wenig schwer zu diesem Buch meine Meinung zu schreiben,
    denn einerseits ist es ein wunderschöner, lebhafter Mittelalterroman mit
    glaubhaften und sehr menschlichen Figuren.
    Andererseits zeichnet sich die Geschichte aber durch die intensive Begegnung
    mit Walther aus, die sehr berührt.
    Geboren auf einem ärmlichen Hof, ist Walther zunächst nur umgeben von seiner
    gefühlskalten, egoistischen Mutter und dem zwar liebenden, aber überforderten
    Vater. Schon als Kind sehr sensibel und mit einem wachen Verstand ausgestattet,
    zieht sich Walther in sich zurück und lässt niemanden an sich heran. So bleibt er
    dann im Grunde auch sein Leben lang in sich selbst gefangen. Da ist zwar die
    kurze Begegnung mit Anna, der einzigen Frau, der er sich je geöffnet hat und
    die er liebt, aber er kann diese Liebe nicht leben.
    Walther macht sich auf in die Welt, wird zu dem großen Dichter wobei er aber
    benutzt, belogen und betrogen wird. Aufrecht hält ihn seine Liebe zu Anna und
    Freunde, die er aber nicht wirklich wahrnehmen kann.
    Er ist ein Getriebener, Suchender, der erst am Ende Ruhe und Frieden finden kann.


    Kurzum: Dieses Buch kann man nicht einfach mal so zwischendurch "weglesen",
    denn es braucht Zeit zum Atmen und es ist auch sicher nicht jedermanns Geschmack,
    da man sich in die Figuren einfühlen können muss.
    Für mich war es jedoch ganz genau das Richtige und erhält die volle Punktzahl.



    Viele Grüße
    Kalypso

  • Hallo Pelican


    gern geschehen!


    Die Sprache ist der Zeit des Romans angemessen.
    Stilvoll, spannend und eindringlich.
    Das Buch hat durchaus auch komische Elemente,
    nämlich dann, wenn Walther mal wieder auf eine
    der Dumpfbacken des Lebens stößt :-).


    Ich bin so begeistert von dem Buch, dass es gleich
    wieder im SuB gelandet ist, denn ich muss es unbedingt
    noch einmal lesen.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • @ MaryRead, Laila + Pelican:


    Als ich dieses Buch letztes Jahr gelesen und die Rezension geschrieben hatte, war ich sehr beeindruckt von der Sprache und der Eindringlichkeit.
    Normalerweise bin ich eher ziemlich abgebrüht und es ist nicht so leicht, dass ein Buch einen dermaßen starken Eindruck bei mir hinterlässt. Viola Alvarez hat es geschafft und zunächst hatte ich den Gedanken, dass ich das Buch einfach nur zum falschen (oder zum genau richtigen) Zeitpunkt gelesen hatte. Nachdem ich es aber meiner Mutter geliehen hatte und sie von dem Buch auch sehr begeistert war (sie nannte es "schrecklich, aber sehr, sehr schön") wusste ich immerhin, dass dieses Buch nicht nur mich berührt.
    Wie auch immer: Ich werde das Buch sicher noch öfter lesen und falls Interesse an einer Leserunde bestehen sollte, bin ich auf jeden Fall dabei.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Nachdem mir schon "Das Herz des Königs" so unerwartet gut gefallen hatte, hab ich "Wer gab dir, Liebe, die Gewalt" gleich hinterhergeschoben.


    Und ich bin wieder vollauf begeistert! Walther, in seiner eigenen (autistischen?) Gedankenwelt gefangen, ist einer der ungwöhnlichsten Helden, die ich je erleben durfte. Viola Alvarez schreibt einfach ganz wunderbar. Ihre Sprache ist nicht zu modern und der Zeit angepasst, aber auch nicht so bemüht altertümlich. Einfach ein Vergnügen, es zu lesen.


    Die emotionale Wucht des Buches hat mich jedenfalls sehr berührt und es wird mich gedanklich noch eine Weile begleiten.

  • Also ich habe gestern damit angefangen und ich bin schon wieder völligst hin und weg, wie Viola Alvarez schreibt, das ist der totale Hammer! (So spricht der Normalbürger aus Lemgo aber nicht) :grin Und so freu ich mich noch mehr auf die Leserunde im Februar zum dritten Buch!

  • Zitat

    Original von Kalypso
    Kurzum: Dieses Buch kann man nicht einfach mal so zwischendurch "weglesen",
    denn es braucht Zeit zum Atmen und es ist auch sicher nicht jedermanns Geschmack,
    da man sich in die Figuren einfühlen können muss.


    :write Es ist auf jeden Fall ein perfektes Beispiel, dass historische Romane durchaus auch äußerst anspruchsvolle Literatur sein können. (Es soll ja einige Buchhändler geben, die das Gegenteil behaupten... *augenroll*)


    Zitat

    Original von Darcy
    Und ich bin wieder vollauf begeistert! Walther, in seiner eigenen (autistischen?) Gedankenwelt gefangen, ist einer der ungwöhnlichsten Helden, die ich je erleben durfte.


    Ja, Autismus war auch stets mein Gedanke.


    Zitat

    Original von Darcy
    Viola Alvarez schreibt einfach ganz wunderbar. Ihre Sprache ist nicht zu modern und der Zeit angepasst, aber auch nicht so bemüht altertümlich. Einfach ein Vergnügen, es zu lesen.


    :write
    Es war hervorragend geschrieben, ich möchte einmal so schreiben können, wie Viola Alvarez! Es war der Zeit angepasst, aber so, dass man nicht die Lust am Lesen verliert, weil es zu kompliziert ist. Teilweise war es sogar sehr humorvoll, aber niemals langweilig.


    Zitat

    Original von Darcy
    Die emotionale Wucht des Buches hat mich jedenfalls sehr berührt und es wird mich gedanklich noch eine Weile begleiten.


    So ging und geht es mir auch, es ist ein Buch, das man so schnell nicht ganz beiseite legen kann. Ich fand es jedenfalls sehr interessant, mehr über Walther von der Vogelweide zu erfahren, auch wenn es größtenteils ein fiktiver Roman ist, da über WvdV ja leider viel zu wenig bekannt ist.


    Bibi

  • Nachdem ich "das Herz des Königs" förmlich inhaliert habe, musste ich mir dieses unbedingt auch bestellen :-)
    Müsste die nächsten Tage ankommen. Die Nebel des Morgens liegt auch schon auf meinem SUB :-)


    Viola Alvarez Schreibstil bringt irgendwo ganz tief in mir drin so einige Seiten zum klingen :-)

  • Meine Lesewelt erstrahlt gerade wieder in den hellsten Farben. *schwärm*


    Die durchweg positiven Reaktionen in diesem Thread kann ich sämtlich unterschreiben. Ich habe gestern angefangen und die ersten 150 Seiten in einem Rutsch verschlungen.


    Das Buch ist einfach wundervoll:
    Sprachlich geglückt, so dass man teilweise beim Lesen innehält und sich an Schönheit der Sätze erfreut.


    Inhaltlich ist es sehr berührend. Der kleine Walther scheint einfach nicht in dieser Welt zu sein. Er nimmt seine Umgebung ganz anders wahr als andere Kinder. Schön geschildert ist auch die Beziehung Walthers zu seinem Vater, der die Andersartigkeit seines Sohnes zwar nicht versteht, ihm aber trotzdem im Rahmen seiner Möglichkeit die Freiräume bietet, die er braucht.
    Spannend ist auch, dass in diesem Buch die Mutter der schwierigere und forderndere Teil der Elternteile ist und die Beziehung zu Walther problematisch ist.


    Ich freue mich aufs Weiterlesen und natürlich auf die Autorenleserunde. :-)

  • Zitat

    Original von Friderike
    Meine Lesewelt erstrahlt gerade wieder in den hellsten Farben. *schwärm*
    Das Buch ist einfach wundervoll:
    Sprachlich geglückt, so dass man teilweise beim Lesen innehält und sich an Schönheit der Sätze erfreut.


    Freut mich sehr, dass auch dir das Buch so gut gefällt. :-]


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Hallo Kalypso,


    da hast Du wirklich einen tollen Schatz ausgegraben. :-)
    Danke für die schöne Rezi.


    Ich hätte das Buch auch schon allein des Titels wegen gelesen. In der Masse der "Die..."- und ähnlich nichtssagender Titel-Bücher hebt sich dieser positiv ab.


    Weiß jemand, ob der Titel ein Zitat von Walther von der Vogelweide ist?


    Ich hab nur ein paar Dinge von ihm gelesen, und da waren diese Worte nicht dabei.


    Viele Grüße,


    Fride. :wave

  • Zitat

    Original von Friderike
    Weiß jemand, ob der Titel ein Zitat von Walther von der Vogelweide ist?


    Das würde mich auch interessieren. In den Texten, die im Roman abgedruckt sind (dankenswerterweise in Original und moderner Übersetzung, klasse!), kommt es nicht vor, wenn ich mich nicht sehr verguckt habe.


    Mit anderen Worten: Ich hab's jetzt auch gelesen. Und bin ebenfalls sehr angetan.


    Der sich stets sperrig gebende Walther wird mit sehr viel Einfühlungsvermögen geschildert, sodass man seine Handlungen zwar nicht unbedingt gutheißen muss, aber stets nachvollziehen kann. Ich mochte ihn, gerade weil er so unvollkommen ist. Seine Liebe zu Anna, der einen besonderen Frau, hat etwas Märchenhaftes, das sich bis zum Schluss durchzieht (einen ersten Einblick darauf gibt bereits der Prolog, deswegen ist das nicht gespoilert) - zu schön, um wahr zu sein, möchte man denken, aber erstens, wer weiß, ob es solche Gefühle und solche "Handel" nicht wirklich geben kann, zweitens ist es einfach so zart und wunderschön beschrieben, dass es dem Realitätstest für mich nicht standhalten muss ;-), und drittens hat er auch genügend durchgemacht, der Walther, dass ein bisschen märchenhaftes Glück nicht allzu aufgesetzt ist.


    Dietrich, der Spielmann, der Walther begleitet, ist auch etwas ganz Besonderes. Typisch wieder, dass


    Und ja, viele wunderschöne Worte findet die Autorin, ohne dass es kitschig wird. Ich hatte nach all euren Kommentaren die Befürchtung, dass mir das alles zu kompliziert zu lesen sein würde, das hat sich aber überhaupt nicht bestätigt. Es hat sich weggelesen wie Butter.


    Sehr gefallen haben mir auch die Einsprengsel, in denen Walther über sich selbst reflektiert: "Wenn ich ein anderer gewesen wäre". Anfangs scheint es, dass alles besser gewesen wäre, wenn er ein anderer gewesen wäre als der Autist, der niemanden an sich heranlassen kann; später wird deutlich, dass ihm gerade das Anderssein Erfahrungen und Handlungen ermöglicht, die sonst nicht denkbar gewesen wären.


    Und in den eingefügten Originalliedern am Ende der Abschnitte erhält man auf einmal einen Meta-Einblick in die Werkstatt der Autorin: Sie hatte ja nur diese Lieder, und daraus hat sie die Geschichten gestrickt, die Walther erlebt und die man da gerade gelesen hat. Vielleicht mag die Autorin demnächst in der Leserunde ein bisschen mehr darüber erzählen, wie sie von diesen Liedern zu "ihrem" Walther gekommen ist.


    (edit: Erwähnen muss ich unbedingt noch, dass das Buch an vielen Stellen auch sehr humorvoll ist. Ich habe oft innerlich geschmunzelt, und es war durchaus auch ein Lesevergnügen.)


    Eines muss ich gestehen: Denjenigen, die den Eindruck haben, dass Viola Alvarez nur für sie schreibt, kann ich mich nicht anschließen. Eher hatte ich manchmal das Gefühl, in eine mir verbotene Welt hineinzuschauen, ich war ein bisschen die Außenstehende in einem Buch, das für "andere" geschrieben sein mochte. Den Einblick in diese Welt habe ich aber sehr genossen und zu schätzen gewusst.


    Kalypso - danke, dass du diese Autorin für uns entdeckt hast! Ich bin ja bei historischen Romanen aus verschiedenen Gründen sehr vorsichtig, aber hier hat es sich gelohnt, mich von den positiven Stimmen überreden zu lassen. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Zitat

    Original von MaryRead
    Mit anderen Worten: Ich hab's jetzt auch gelesen. Und bin ebenfalls sehr angetan.


    :-] Das freut mich ganz besonders, wo du doch sooo lange darum herum geschlichen bist.



    Zitat

    Original von MaryRead
    Kalypso - danke, dass du diese Autorin für uns entdeckt hast!


    Wie inzwischen allgemein bekannt, schreibt Alvarez ja nur für mich ;-), aber ich teile ja gerne.


    Es freut mich wirklich sehr, dass diese außergewöhnlichen Bücher mehr und mehr Beachtung finden, denn sie haben es wirklich mehr als verdient. (Und nein, ich bin nicht verwandt oder befreundet mit der Autorin)


    Viele Grüße
    Kalypso