'Schlaf der Vernunft' - Seiten 377 - Ende

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  • Der Roman ist eigentlich nicht überschwänglich, was bei dem Thema auch nur gut ist. Doch es gibt dennoch hoch emotionale Passagen, insbesondere im Zusammenhang mit Steffen, die passend sind. So gibt er das “Ich verzeihe Ihnen”, was er von Monika Werder (Seite 376) empfangen hat, nach der erschütternden Aussprache tatsächlich an Michael Werder weiter (S.414).
    Aber den Zusammenhang muss man sich bewusst machen, um die Szene nicht als pathetisch zu empfinden, deswegen hatte ich dieses Kapitel zweimal gelesen.

  • Tanja das konntest du. Mir geht die gesamte Geschichte immer noch nach. Und ich empfinde deinen Stil als sehr gelungen, da er nichts beschönigt, aber auch nicht unnötig brutal ist. Die Geschichte wirkt durch ihren...naja....alltäglichen Terror, wenn man das so sagen kann. Etwas, was ich mir so nicht vorstellen kann, auch wenn Paris quasi bei mir um die Ecke liegt.

  • Mir gefällt der differenzierte Umgang mit dem großen Thema Schuld sehr gut. Es sind ja viele auf verschiedene Weise schuldig geworden und keiner ist davon unberührt geblieben.


    Auch das Ende - nicht pathetisch und unglaubwürdige Versöhnung sondern die Hoffnung auf eine positive Veränderung, die Veränderung als Möglichkeit. Das ist schon sehr viel in diesem schwierigen Zusammenhang.

  • Rumpelstilzchen, über das Ende habe ich lange nachgedacht, ehe ich das Buch überhaupt begann, denn wie Du sagst - ich wollte unglaubwürdigen Pathos vermeiden, aber andererseits auch Zynismus. Die Frage "wo will ich mit diesen Figuren hin, und wie kann ich das glaubwürdig erreichen" war bei diesem Buch noch einen Grad wichtiger als sonst.

  • Tanja, hast du den Titel selber gewählt?
    Wenn ja, ist die Doppeldeutigkeit ja sicher gewollt. Denn man kann ja zweierlei dabei verstehen:
    Die Vernunft schläft bei gewissen Themen. Weil die Themen zu sehr emotional besetzt sind.
    Oder aber, die Leute mit Vernunft schlafen zu gewissen Zeiten, rühren sich nicht, weil alles was man tut, falsch ist.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Mir gefällt der differenzierte Umgang mit dem großen Thema Schuld sehr gut. Es sind ja viele auf verschiedene Weise schuldig geworden und keiner ist davon unberührt geblieben.


    Auch das Ende - nicht pathetisch und unglaubwürdige Versöhnung sondern die Hoffnung auf eine positive Veränderung, die Veränderung als Möglichkeit. Das ist schon sehr viel in diesem schwierigen Zusammenhang.


    Das kann ich nur :write
    Es ist dir in meinen Augen wirklich gelungen, Tanja, die Geschichte "rund" abzuschließen. Die differenzierte Sichtweise und gerade die reflektierte Erinnerung der Figuren - jede ganz auf ihre Art (Steffen muss ich hier nochmal hervorheben) - machen das Ende wirklich glaubwürdig.


    Mir Renate habe ich mich quasi versöhnt. Wenn ich erlebt hätte, was sie erlebt hat, wäre ich vielleicht auch so zynisch gegenüber Martina und ihrer Freundschaft und auch gegenüber Angelika. Dieses ambivalente Verhältnis der beiden älteren Frauen, musste sich ja auf die Jüngere übertragen. Ich denke, dass man das Buch beim zweiten Mal mit diesem Wissen auch nochmal ganz anders liest.


    Vielen, vielen Dank für die Begleitung dieser Leserunde und diesen für mich herausragenden Roman über eine sehr interessante Zeit unserer bundesdeutschen (politischen) Geschichte.
    Schade, dass es schon vorbei ist. :-)

  • Saiya, danke fürs Mitlesen. Deine und die enthusiastische Rezension der anderen bedeutet mir sehr viel, gerade bei diesem Buch, das wie seinerzeit "Götterdämmerung" aus dem Themenbereich meiner übrigen Romane etwas ausschert.


    re: Renate, es war mir wichtig, daß man am Ende auch sie versteht. Obwohl verschiedene der Figuren - Martina natürlich, aber auch andere - Verbrechen begangen haben, hat der Roman im Prinzip keine "klassischen" Schurken, außer dem Stasi-Obersten Liebert, und der war vermutlich ein guter Vater, sonst würde sich seiner Tochter nicht so von ihm einspannen lassen. :-)

  • Zitat

    Original von Saiya


    Das kann ich nur :write
    Es ist dir in meinen Augen wirklich gelungen, Tanja, die Geschichte "rund" abzuschließen. Die differenzierte Sichtweise und gerade die reflektierte Erinnerung der Figuren - jede ganz auf ihre Art (Steffen muss ich hier nochmal hervorheben) - machen das Ende wirklich glaubwürdig.



    Das kann ich auch nur unterschreiben.

  • Doch, doch - Naivität ist nicht altersgebunden. ;-)
    Zudem hat er auch gerade das Bedürfnis, sich von seinem Vater oder beiden Eltern abzugrenzen. Zu beweisen, dass er eben nicht mehr das brave Bübchen ist. Da ist der Verstand sicher nicht gerade hellwach, in solchen Phasen. Umso schlimmer, dass es so schlimme Auswirkungen hatte.


    Im Roman wäre es gar zu viel gewesen, aber mich beschäftigt, ob er das wohl jemals seiner Mutter gestehen kann.

  • Außerdem, wenn ich daran denke, was ich alles mit Siebzehnjährigen erlebt habe... (Ich war in dem Alter auch manchmal idiotisch, da will ich mich nicht ausschließen.) Aber natürlich hat der Durchschnitts-Teenager mehr Glück, was die fatalen Folgen betrifft.


    Rumpelstilzchen, im Prinzip steht es jedem Leser frei, sich die Antwort auf solche Fragen selbst auszumalen. (Tod des Autors usw.) Ich hatte es mir beim Schreiben so gedacht, daß er seiner Mutter bis zum Zeitpunkt des Gespräches mit Steffen nicht die Wahrheit gesagt hat. Auch sonst niemandem, also Ehefrau etc.; nachdem er seinen jugendlichen Selbstmordversuch überlebte, fraß er seine Schuldgefühle in sich hinein und versuchte, ein konservativer Musterpolitiker zu werden, sozusagen als Sühne. Nach dem Gespräch mit Steffen ist es etwas anderes: die Katharsis, die das für ihn war, versetzt ihn in die Lage, auch seiner Mutter die Wahrheit zu gestehen.


    Aber das sind, wie gesagt, meine Gedanken, die nicht Leser-verpflichtend sind, weil bei einem Buch nur zählt, was tatsächlich drinsteht.

  • Tolles Buch und tolle Umsetzung dieses Themas, Tanja. Es brachte mich oft zum Nachdenken über richtig und falsch und Schuld und Unschuld.


    Etwas offen blieben meines Erachtens die Beweggründe von Anna Liebert. Die Motivation fließt ja nur in die Gedankengänge von Steffen ein.


    Bei Monika Werder könnte ich annehmen, dass sie über Michaels unwissende Mitwirkung am Attentat zumindest einen Verdacht hatte. Selbstmordversuch, Aussage "Ich verzeihe Ihnen". Das könnte auch dahin gehen, dass sie eine Ahnung hatte und daher wollte, dass Steffen dann Michael ebenso die Schuld nimmt.


    Das Gesprach im Park zwischen Monika, Angelika und Alex hat mir sehr gut gefallen. Sehr gute Gedanken, viel besser als Hass und Gewalt. Alex merkte, dass der Hass auf Monika ihm auch einen Teil der Verantwortung und der Pflicht zum Handeln nahm. Alle Begründungen für sein schlechtes Verhalten brachte ihm der Hass. Ohne Hass muss er auch endlich Verantwortung gegenüber seiner Mutter übernehmen.

  • Xexos, du hast recht re: Anna Liebert, meine Lektorin und ich diskutierten auch über diesen Punkt. Das Problem ist, daß ich ihre Beweggründe - jenseits von Steffens Spekulationen - nur hätte erläutern können, wenn ich einen Abschnitt aus ihrer Perspektive geschrieben hätte. Da alle anderen Szenen aus den Perspektiven von Angelika, Alex, Martina und Steffen verfaßt sind, hätte das für mich einen stilistischen Bruch bedeutet, daher verzichtete ich darauf. Aber es war keine leichte Entscheidung.


    Monika Werder hatte in meiner Vorstellung eine gewisse Ahnung, ohne Details zu wissen. Aber


    Martina heißt allerdings nicht Monika, sondern Martina. :-]