Cornelia Haller - Das Herz der Alraune

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
    1492: In Ravensburg ist sie knapp dem Scheiterhaufen entkommen, nun studiert die Hebamme Luzia Gassner, als Mann verkleidet, Medizin an der renommierten Universität von Montpellier. Als ihre Enttarnung droht, flieht sie auf abenteuerlichen Wegen zurück in ihre Heimat am Bodensee. Im neu gegründeten Hospital in Überlingen praktiziert Luzia Frauenheilkunde, Seite an Seite mit ihrem ehemaligen Geliebten, dem Medicus Johannes von der Wehr. Als den beiden eine streng verbotene Schnittentbindung misslingt, muss Luzia - inzwischen selbst schwanger - abermals ihre Heimat verlassen.


    Autorin (Quelle: Verlagsseite)
    Cornelia Haller, 1966 in Immenstaad am Bodensee geboren, lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern noch heute am Bodensee, ihrer Inspirationsquelle für Kurzgeschichten, Gedichte und Romane. Ihre historischen Romane ›Seelenfeuer‹ und ›Das Herz der Alraune‹ erzählen die Geschichte der Luzia Gassner, die als Hebamme in Ravensburg und später als Medica in Überlingen wirkt.


    Allgemeines
    Fortsetzung zu "Seelenfeuer" (2012)
    Erscheinungstermin: 23.10.2015 beim Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv premium), Taschenbuch mit Klappbroschüre, 448 Seiten
    Nichtnummerierte längere Kapitel mit weiterer Gliederung durch Absätze, Nachwort, Bibliografie
    Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
    Handlungsorte und -zeit: Montpellier, Überlingen am Bodensee, 1492 bis 1496


    Zum Inhalt
    Der Roman knüpft an den ersten Band ("Seelenfeuer") lose an, Luzia Gassner hat nach den traumatischen Erlebnissen mit der Katholischen Kirche und ihren selbsternannten Hexenjägern Ravensburg verlassen und - als Jüngling verkleidet, denn Frauen ist das Medizinstudium nur an der Universität Salerno erlaubt - in Montpellier Medizin studiert. Sie erreicht ihr Ziel, Medica zu werden, muss aber aufgrund ihrer "Enttarnung" als Frau die Stadt verlassen. Sie flieht nach Überlingen am Bodensee, wo ihr ehemaliger Verlobter Johannes von der Wehr als Medicus im St.-Gallus-Hospital tätig ist. Durch Vermittlung ihres alten Mentors Pater Wendelin bekommt auch Luzia eine Anstellung an diesem Hospital. Das gemeinsame Wirken des jungen Ärztepaares ist segensreich, führt jedoch auch zu Konflikten mit kleingeistigen Menschen der Umgebung. Dem ebenfalls im Hospital tätigen Bader Achmüller, dessen medizinische Kenntnisse sich im Aderlass und der Applikation von Gänsemist auf offene Wunden erschöpfen, sind die neuen, an der arabischen Medizin orientierten Behandlungsmethoden ein Dorn im Auge. Auch im privaten Bereich sehen sich die beiden jungen Medici Problemen gegenüber, denn die heimtückische Ottilia Allgaier, Tochter des Hauptsponsors des Hospitals, die ein Auge auf Johannes geworfen hat, lässt keine Gelegenheit aus, ihrer verhassten Nebenbuhlerin zu schaden...


    Beurteilung
    "Das Herz der Alraune" setzt die Geschichte um Luzia und Johannes aus "Seelenfeuer" fort, kann aber auch unabhängig davon gelesen werden, da die Kenntnis der vorausgegangenen Ereignisse nicht unbedingt erforderlich ist.
    In einem sehr flüssigen und anschaulichen Erzählstil erweckt die Autorin die Zeit am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance zum Leben, als die Medizin noch vom Aberglauben geprägt ist und sowohl Ärzte als auch Patienten neuen Behandlungsansätzen aus der (damals überlegenen) arabischen Medizin misstrauisch gegenüberstehen. Die Protagonistin orientiert sich bei ihrer Behandlung von Frauenleiden an dem Werk "Passionibus mulierum curandorum" der Trot(ul)a von Salerno. Der Einblick in dieses Werk ist ebenso interessant wie der Eindruck von der zeitgenössischen abendländischen Medizin, deren Möglichkeiten nicht zuletzt durch das kirchliche strenge Verbot von Leichensektionen sehr limitiert sind. Die beiden Protagonisten nehmen bahnbrechende neuartige Eingriffe vor und sind dabei erfolgreicher, als es in einer Zeit, die noch keine Asepsis kennt, glaubwürdig scheint. Nichtsdestotrotz wird am Wirken der beiden jungen Ärzte deutlich, wie sich mit Beginn der Neuzeit Experimentierlust und wissenschaftliche Ansätze zu entfalten beginnen.
    Die meisten Figuren sind in ihrer Charakterdarstellung gründlich und realistisch ausgearbeitet, die Gegenspieler der Protagonisten sind jedoch ein wenig zu eindimensional "böse" geraten. Die Schlechtigkeit und Skrupellosigkeit dieser Figuren sind jedoch dem Spannungsaufbau durchaus förderlich; ihre heimtückischen Umtriebe, bei denen sie nicht davor zurückschrecken, das Leben unbeteiligter Dritter zu opfern, bescheren dem Leser fesselnde Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite. Auch Freunde von Liebesgeschichten kommen auf ihre Kosten, wobei die Liebesgeschichte hier aber eher dezent präsentiert wird.
    In einem Nachwort erläutert die Autorin Hintergründe zu medizin- und zeitgeschichtlichen Fakten der Epoche. Besonders positiv fällt eine Bibliografie mit vielen Titeln zu den Themen Medizingeschichte und Hexenverfolgung auf, die dem interessierten Leser eine reichhaltige Auswahl an Sekundärliteratur bietet.


    Fazit
    Spannende Unterhaltung mit medizingeschichtlichem Schwerpunkt!
    8 Punkte