Claus Probst: Spiegelmord
Verlag: FISCHER Taschenbuch 2015. 432 Seiten
ISBN-13: 978-3596030354. 9,99€
Verlagstext
Er war ein Monster. Jetzt ist er tot. Waren seine Opfer auch seine Henker?
Nach dem Mord an einem Mann, der offenbar seine Tochter misshandelt hat, geraten fünf Frauen in den Fokus der Polizei. Sie alle wurden Opfer brutaler Gewalt. Sie alle sind Patientinnen bei Psychotherapeutin Carmen Mingus. Hat Mingus eine der Frauen zur Selbstjustiz motiviert? Oder ist der einstige Gangster Manfred Gold in die Tat verwickelt? Dann stirbt ein weiterer Mann auf grausame Weise. Wird Kommissarin Lena Böll das Verständnis, das sie für die Motive der Taten empfindet, selbst zur Falle?
Der Autor
Claus Probst studierte Medizin in Italien und Heidelberg und durchlief Ausbildungen in tiefenpsychologischer Psychotherapie sowie in Trauma- und Verhaltenstherapie. Er arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut und Kinder- und Jugendpsychiater. Er hat bereits einen Roman und einen Erzählband veröffentlicht. 2012 gewann er den Agatha-Christie-Preis. „Nummer Zwei“ war sein erster Thriller. Claus Probst lebt mit seiner Familie in Mannheim.
Inhalt
Die Kripo Mannheim ermittelt in einem bizarren Todesfall und zieht vom LKA Stuttgart Lena Böll, eine Fallanalystin mit Psychologie-Studium, hinzu. Eine nicht konfliktfreie Konstellation, da Lena ihrem Mannheimer Kollegen Markus Klein dienstrechtlich übergeordnet ist. Kleins Abteilung stellt sich mit einem türkischstämmigen Kollegen und einem Ermittler italienischer Herkunft als multikulturelles Team dar, ein Thema, das der Autor jedoch nicht weiter verfolgt. Der Tote Arthur Wenzel wurde erfroren in einer Kühltruhe aufgefunden und die Ermittler vermuten einen Zusammenhang zwischen der Tat und Wenzels langjähriger Misshandlung seiner Tochter. Ins Visier der Ermittler geraten Karen Wenzels Therapeutin Carmen Mingus und die von ihr geleitete Therapiegruppe für Opfer von Misshandlung. Ein weiterer Todesfall scheint die Theorie von Racheaktionen in Verbindung mit der Therapiegruppe zu bestätigen.
Ermittler Klein in der Zeugenbefragung und auch Therapeutin Mingus als befragte Zeugin platzen gleich zu Beginn höchst unprofessionell mit vertraulichen Informationen heraus. So auffälliges Info-Dropping verdirbt Lesern den Spaß daran, selbst Motive eines möglichen Täters oder Ermittlungsstrategien zu ergründen. Wenn Zusammenhänge übererklärt werden, kann das so wirken, als würde der Autor seine Leser für vergesslich oder begriffsstutzig halten.
Claus Probsts zweiter Kriminalroman hat Misshandlung und Missbrauch in Partnerschaften und Familien zum Thema, verbunden mit einer möglicherweise psychisch belasteten/gestörten Ermittler-Figur. In der Darstellung seiner Figuren kommt der Autor nicht ohne Klischees aus, die seinen Figuren vorschnell ein Etikett aufdrücken und ihnen kaum Möglichkeit zur Entwicklung lassen. Das frühe Festlegen von Figuren auf eine Rolle empfinde ich als Spannungskiller. Lena, rothaarig, umwerfend gutaussehend und mit psychopathischen Zügen, scheint eher zufällig auf der Seite der Staatsmacht geraten zu sein. Frauen gegenüber, mit denen sie auf gleicher Ebene kommuniziert, gibt sie sich bissig. Lena Bölls herausgehobene Stellung geht leider zu Lasten der Nebenfiguren und verhindert eine realistischere Darstellung von Teamarbeit bei Ermittlungen der Kriminalpolizei. Würde Probst tatkräftig in seiner Klischeeschublade aufräumen, könnte ich mich mit LKA-Superstar Lena Böll sicher noch anfreunden.
Probsts Plot, die Auflösung seines Falls und die gebrochenen Figuren gefallen mir gut, auch seine Art von Humor und Ironie. Im Umgang mit Sprache wünsche ich mir von einem Autor mit Probsts beruflichem Hintergrund mehr Feingefühl. Opfer von Misshandlung und sexueller Ausbeutung sollen während einer Therapie ja gerade erreichen, sich selbst nicht mehr als Opfer zu sehen, sondern als Überlebende. Obwohl stilistisch anspruchsvoll, gibt es für Claus Probsts Psychothriller sprachlich noch Luft nach oben, etwa durch Streichen trivialer Adjektive, wenn z. B. in einem großen Raum an einem weißen Tisch ein dünner Mann sitzt. Auch qualvolle Erlebnisse benötigen selten eine Steigerung durch nichtssagende Adjektive.
Fazit
Ein spannender Krimi in der Folge von Missbrauch und sexueller Ausbeutung, der auf Opfer, Täter und Unterstützer blickt.
7 von 10 Punkten
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