Gebundene Ausgabe: 230 Seiten
Verlag: Unionsverlag
Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee
Kurzbeschreibung:
Der Privatdetektiv Ki-Hyeon bekommt endlich einen Auftrag: Er soll eine Frau beschatten. Der Kunde bleibt anonym, und als er die Frau zu Gesicht bekommt, schreckt er zurück: Es ist seine Mutter. Soll er den Auftrag annehmen? Schicht um Schicht taucht er ein in die Geheimnisse seiner Nächsten. War es wirklich ein Unfall, dass sein Bruder, ein talentierter Fotograf, in der Armee beide Beine verlor? Warum ist das Mädchen verschwunden, das vor dem Unfall des Bruders große Liebe war? Und wer ist der große Unbekannte, der im Leben der Mutter auftaucht, als gehöre er mit zur Familie? Was weiß der Vater, der fast wortlos seine Rolle in diesem beklemmenden Familienverbund spielt? Dieser kunstvoll komponierte, verstörende Roman legt eine dramatische Familiengeschichte frei, in der zum Schluss die Liebe über Schuld, Beklemmung und Schweigen siegt.
Über den Autor:
Lee Sung-U, geboren 1959 in einem kleinen Küstenort in Südkorea, studierte Theologie. Neben seiner Arbeit als Schriftsteller lehrt er Koreanische Literatur an der Universität von Chosun. In seiner Heimat erhielt er zahlreiche Preise, in Frankreich war er für den Prix Femina nominiert.
Über die Übersetzerin:
Ki-Hyang Lee, geboren 1967 in Südkorea, studierte in Seoul, Würzburg und München. Sie ist Übersetzerin aus dem Koreanischen und seit 2011 Verlegerin des Märchenwald Verlags München.
Mein Eindruck:
Bei diesem ungewöhnlichen Roman handelt es sich um ein koreanisches Familiendrama, geschrieben von einem der bedeutendsten zeitgenössischen koreanischen Schriftsteller,
Getragen wird das Buch vollkommen durch die Erzählstimme des Protagonisten Ki-Hyeon, der als Möchtergern-Privatdetektiv seine eigene Familiengeschichte erforscht. Es ist übrigens kein Krimi. Ki-Hyeon ist überwiegend ahnungslos, hinterfragt nicht einmal seinen merkwürdigen Auftrag, seine eigene Mutter auszuspionieren.
Zugleich ist er vollkommen von seiner Schuld gefangen, da er vor einigen Jahren aus Eifersucht seinen Bruder verraten hatte, der daraufhin zum Militär eingezogen wurde und bei einem Einsatz beide Beine verlor. Von diesem Verlust blieb der Bruder auch geistig beschädigt zurück, immer wieder bekommt er Anfälle, bei denen er rasend wird.
Die Handlung ist zur Zeit der Militärdiktatur in Südkorea angelegt. Das wird zwar nicht direkt behandelt, bildet aber deutlich erkennbar einen Hintergrund für die Geschichte.
Ki-Hyeon erzählt die Ereignisse aus Vergangenheit und Gegenwart auf selbstquälerische Art. Auch die anderen Familienmitglieder sind von ihrem inneren Schmerz ganz gefangen und voneinander entfremdet. Es sind kommunikativ gestörte Figuren.
Ko-Hyeon ist kein besonders sympathischer Protagonist, da er voyeuristisch vorgeht. Sowohl seine Mutter, aber noch mehr die Ex-Freundin seines Bruders, in die er immer verliebt war, beobachtet er manisch.
Es ist dem Geschick des Autors, die Emotionen herauszuarbeiten, zu verdanken, dass man als Leser gepackt bleibt und fasziniert weiter liest.
Natürlich ist dem westlichen Leser die koreanische Mentalität ein wenig fremd, da es außerdem viele schwer verständliche symbolische Einschläge gibt. Der Vater, zum Beispiel ,ist in sich selbst zurückgezogen, spricht fast nur zu seinen Bäumen. Der kranke Sohn möchte selbst zum Baum werden etc.
An manchen Passagen hat mich das Buch an Filme von Kim Ki-du (Seom - Die Insel), erinnert.
Wer einen emotional ebenso verstörenden wie faszinierenden Roman lesen möchte, ist bei dem verborgenen Leben der Pflanzen richtig.