'Naokos Lächeln' - Seiten 001 - 072

  • So, dann mach ich mal den Anfang. :-]


    "Naokos Lächeln" ist mein erstes Buch von Murakami und bisher gefällt mir sein Schreibstil sehr gut. Ich weiß gar nicht, warum es so lange gedauert hat, bis ich zu einem seiner Bücher gegriffen habe. Vielleicht hat mich sein Ruf des ewigen Literaturnobelpreisträgers eingeschüchtert.


    Das Buch fängt auf jeden Fall langsam und leise an. Wir lernen Toru und Naoko etwas kennen, wobei mir beide noch sehr undurchsichtig erscheinen. Toru kommt bei mir ziemlich planlos und ohne Ambitionen an. Ein Student der Theaterwissenschaft, das er nur studiert, weil ihm nichts besseres einfällt. Naoko scheint sehr zurückhaltend zu sein. Bei ihr habe ich das Gefühl, dass sie auf eine Depression zusteuert ... wenn sie die noch nicht hat. Auch von der "Seelenverwandtschaft", wie sie in der Inhaltsangabe erwähnt wurde, kann ich nichts spüren. Aber im ersten Abschnitt kann man eigentlich auch noch keine Tiefe der Protagonisten erwarten, von daher bleibe ich weiterhin gespannt.


    Nagasawa und der Sturmbannführer haben jedoch schon Eindruck bei mir hinterlassen. Die zwei können unterschiedlicher kaum sein, dennoch spielen beide eine Rolle in Torus Leben.


    Inteessant finde ich das Leben der 60-iger Jahre in Japan. Ich hätte mir alles viel konservativer vorgestellt, aber die jungen Leute gehen ganz unkonventionell mit der Sexualität um.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Bei mir stellt sich beim Lesen ein heftiges Gefühl von Einsamkeit und Traurigkeit ein. Diese beiden jungen Menschen, die offenbar gar keine Zukunftspläne haben und eigentlich keinerlei Bindungen zu irgendjemand machen mich betroffen.


    Genau so ging es mir auch. Ich habe sogar kurz überlegt, ob ich das Buch erstmal wieder beiseite legen muss, weil ich nicht weiß, ob das im Moment in meine Stimmung passt. :-(
    Ich werde trotzdem erstmal weiter lesen.

  • Zitat

    Original von -Christine-
    ...
    Das Buch fängt auf jeden Fall langsam und leise an. Wir lernen Toru und Naoko etwas kennen, wobei mir beide noch sehr undurchsichtig erscheinen. Toru kommt bei mir ziemlich planlos und ohne Ambitionen an. Ein Student der Theaterwissenschaft, das er nur studiert, weil ihm nichts besseres einfällt. Naoko scheint sehr zurückhaltend zu sein. Bei ihr habe ich das Gefühl, dass sie auf eine Depression zusteuert ... wenn sie die noch nicht hat. Auch von der "Seelenverwandtschaft", wie sie in der Inhaltsangabe erwähnt wurde, kann ich nichts spüren. Aber im ersten Abschnitt kann man eigentlich auch noch keine Tiefe der Protagonisten erwarten, von daher bleibe ich weiterhin gespannt.


    Bis jetzt ist es auch für mich ein stilles Buch.
    Ich gebe dir Recht: so richtig zu fassen bekommt man die Figuren jetzt am Anfang noch nicht. Ich habe das Gefühl, dass z.B. Naoko einem schon wieder entschwindet, wenn man glaubt, gerade etwas über sie erfahren zu haben.
    Toru ist ein Träumer, den das Leben noch nicht eingeholt hat, jedenfalls zu der Zeit, von der wir eben erfahren.


    Zitat

    Nagasawa und der Sturmbannführer haben jedoch schon Eindruck bei mir hinterlassen. Die zwei können unterschiedlicher kaum sein, dennoch spielen beide eine Rolle in Torus Leben.
    ...


    Ich muss ehrlich zugeben, dass ich wenig über Japan und Japaner weiß, über ihre Mentalität. Wenn dann solche Figuren auftauchen, dann finde ich das spannend und unerwartet.

  • Die Sprache ist so wunderschön. Ich bin immer wieder fasziniert, wie es Murakami gelingt, Sätze ganz normal zu beginnen und dann unerwartet enden zu lassen.


    Diese Traurigkeit emfinde ich auch. Ich bin sehr gespannt, ob sie sich im Verlauf der Geschichte noch legt.


    1987 durfte man im Flugzeug noch rauchen :grin

  • Ich bin noch nicht fertig mit diesen Abschnitt und stecke noch am Anfang von Kapitel 2. Ich werde wohl eine Weile für dieses Buch brauchen.
    Ich war ja skeptisch, was das Buch angeht, nachdem ich Murakamis 1Q84 ja abgebrochen habe und auch nicht vorhabe, es jemals wieder anzufangen. Ich bin bis jetzt positiv überrascht worden. Mir gefällt hier besonders der fast schon poetische, stille, ein wenig wehmütige Schreibstil. Ich bin sehr gespannt, ob das so bleibt.

  • Ich habe schon einige Bücher von Haruki Murakami gelesen, die mir alles sehr gut gefallen haben. Ich mag die Geschichten die er erzählt. Es ist immer etwas über das ich noch längere Zeit nachdenken muss. Auch seinen Schreibstil mag ich sehr. Ich finde, seine Sprache ist meistens recht einfach gehalten, aber sehr angenehm zu lesen.


    Ich empfinde den Anfang dieses Buches auch als recht traurig und melancholisch. Trotzdem lese ich es wirklich sehr gerne. Ich denke, dass wird wieder ein Buch, welches ich lieben werde. :-]


    Es ist ja auch kein Wunder, dass sowohl Naoko als auch Toru von dem Selbstmord ihres Freundes geschockt und gezeichnet sind. Naoko ist wohl wirklich psychisch sehr angeschlagen und depressiv. Sie hat den Tod ihres ersten Freundes noch gar nicht überwunden.
    Und ich kann Toru auch verstehen, dass er nach seinem Schulabschluss einfach nur weg will und Abstand gewinnen zu seiner Heimatstadt und dem schlimmen Erlebnis. Er sucht sich Theaterwissenschaften als Studienfach einfach als Flucht aus, um nach Tokio und weg von seiner Heimat zu kommen.
    Ich bin mal gespannt, wie und ob die zwei sich noch weiterentwickeln werden.

  • Das Bedürfnis nach etwas Neuem und nach Abstand kann ich verstehen.
    Am Ende des zweiten Kapitels (S.38) sagt Toru, "Den mit grünem Filz bespannten Billardtisch,.... - all das musste ich aus meinem Kopf verbannen."
    Gleichzeitig wird ihm klar: "offenbar war der Tod nicht die Antithese des Lebens, sondern ein integraler Bestandteil meiner Existenz."


    Was er dann aber damit anfängt, das finde ich schon eigenartig. Diese Distanzierung von allem - von seinem Studium, den anderen Studenten. Auch die beginnende "Beziehung" zu Naoko ist erst einmal eine Art Distanzierung. Sie gehen stundenlang hintereinander her ohne mehr als ein paar Worte miteinander zu sprechen.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Das Bedürfnis nach etwas Neuem und nach Abstand kann ich verstehen.
    Am Ende des zweiten Kapitels (S.38) sagt Toru, "Den mit grünem Filz bespannten Billardtisch,.... - all das musste ich aus meinem Kopf verbannen."
    Gleichzeitig wird ihm klar: "offenbar war der Tod nicht die Antithese des Lebens, sondern ein integraler Bestandteil meiner Existenz."


    Was er dann aber damit anfängt, das finde ich schon eigenartig. Diese Distanzierung von allem - von seinem Studium, den anderen Studenten. Auch die beginnende "Beziehung" zu Naoko ist erst einmal eine Art Distanzierung. Sie gehen stundenlang hintereinander her ohne mehr als ein paar Worte miteinander zu sprechen.


    Ich finde das überhaupt nicht eigenartig. Ich glaube (und weiß leider), dass der Tod eines Freundes in so jungen Jahren die eigene Welt vollkommen erschüttern kann. Zumal alle drei ja aus einem sehr behüteten Umfeld zu stammen scheinen. Der Selbstmord, der scheinbar aus heiterem Himmel begangen wurde, tut da sicher sein übriges. Die erste Begegnung mit dem Tod und mit der Endlichkeit des eigenen Lebens, die Erkenntnis, dass man wenig bis gar keinen Einfluss darauf hat, kann gestandene Erwachsene psychisch aus der Bahn werfen, pubertierende Teenager umso heftiger. Ich finde, dass Murakami dies großartig und auf sehr authentische Weise beschreibt. Er vermittelt mir wirklich den Eindruck, als würde er als Erwachsener seine jungen Jahre und die schlimmen Erlebnisse nicht nur rückblickend schildern, sondern auch auf relativ nüchterne, aber auch wehmütige Weise reflektieren. Was beides wohl den Jahren und Erfahrungen die dazwischen liegen, geschuldet ist.


    Auch für die seltsame Beziehung, die er und Naoko führen, habe ich Verständnis und beide tun mir unendlich leid. Beiden wurde die wichtigste Bezugsperson außerhalb der Familie genommen, in einem Alter, wo diese Freundschaften eine große Bedeutung haben, und so klammern sie sich aneinander.
    Vielleicht wäre es für beide leichter gewesen, wenn sie darüber hätten reden oder gemeinsam trauern können. So schweigen sie das Thema tot. Bei Naoko habe ich aber das Gefühl, dass sie viel größere Schwierigkeiten hat. Sie scheint krank zu sein und vielleicht doch mehr über die Gründe des Selbstmordes zu wissen. Er selbst wirkt auf mich stabiler, was vielleicht daran liegt, dass er ein sehr bodenständiger Mensch zu sein scheint. Er fällt sicher wieder auf die Füße, auch wenn ihn dieser "Absturz" sicher für den Rest seines Lebens gezeichnet hat.


    Ich bin gerade sehr froh, dass JaneDoe und Regenfisch mich dazu ermutigt haben, es noch einmal mit Murakami zu versuchen.

  • Clare, ich habe mal für ein japanisches Unternehmen gearbeitet, kenne deshalb nur das Verhältnis der Japaner zu Europäern. Es war immer sehr freundlich, gleichzeitig aber zurückhaltend. Ich weiß zwar nicht, ob Japaner unter sich offener sind, kann es mir nur schwer vorstellen. Auf der anderen Seite glaube ich aber nicht, dass Murakami uns ein falsches Bild vermitteln will. Interessant wäre es, mehr darüber von jemanden zu erfahren, der sich da besser auskennt.


    Kennt ihr das Buch "Sie nannten ihn Krawatte" von Milena Michiko Flasar? Sie behandelt auch das Thema Einsamkeit jugendlicher Japaner, dass sie unheimlich unter Druck stehen und sich so schwer ihrem Umfeld, also ihren Eltern und ihren Freunden, anvertrauen können. Ich meine in dem Zusammenhang mal gelesen zu haben, dass die Selbstmordrate japanischer Jugendlicher sehr hoch ist.

  • Das Buch kenne ich nicht, aber von der Studie habe ich gehört. Es wäre in dem Fall interessant zu erfahren, ob das auch für die 60er/70er Jahre gilt.
    Ohne eine Ahnung von Japan zu haben, habe ich das Gefühl, dass Murakami uns ein authentisches Bild des "Uni-Lebens" zur damaligen Zeit zu vermitteln versucht.

  • Zitat

    Original von -Christine-
    Clare, ich habe mal für ein japanisches Unternehmen gearbeitet, kenne deshalb nur das Verhältnis der Japaner zu Europäern. Es war immer sehr freundlich, gleichzeitig aber zurückhaltend. Ich weiß zwar nicht, ob Japaner unter sich offener sind, kann es mir nur schwer vorstellen. Auf der anderen Seite glaube ich aber nicht, dass Murakami uns ein falsches Bild vermitteln will. Interessant wäre es, mehr darüber von jemanden zu erfahren, der sich da besser auskennt.


    Kennt ihr das Buch "Sie nannten ihn Krawatte" von Milena Michiko Flasar? Sie behandelt auch das Thema Einsamkeit jugendlicher Japaner, dass sie unheimlich unter Druck stehen und sich so schwer ihrem Umfeld, also ihren Eltern und ihren Freunden, anvertrauen können. Ich meine in dem Zusammenhang mal gelesen zu haben, dass die Selbstmordrate japanischer Jugendlicher sehr hoch ist.


    Ich kenne das Buch, und es hat mich sehr beeindruckt. Deshalb wollte ich auch noch mehr japanische Bücher lesen. Die Art zu leben und zu denken ist so viel anderes als unsere. Ein Kind hat eine völlig andere Stellung in einer Familie, die Erwartungen der Eltern sind auch viel höher, sicher auch der Druck, der auf den Kindern lastet, die Eltern, die Familie auch ja nicht zu enttäuschen. Das muss eine enorme Belastung sein.

  • Mir gefällt das Buch sehr. Es ist mein erstes Buch von Murakami und es ist eine Entdeckung.


    Zitat

    Original von -Christine-
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    "Naokos Lächeln" ist mein erstes Buch von Murakami und bisher gefällt mir sein Schreibstil sehr gut. Ich weiß gar nicht, warum es so lange gedauert hat, bis ich zu einem seiner Bücher gegriffen habe. Vielleicht hat mich sein Ruf des ewigen Literaturnobelpreisträgers eingeschüchtert. ...


    Da kann ich mich nur anschließen. Meine Vorstellung war, dass Murakami sperrig schreibt. Wahrscheinlich, weil die Titel nicht gerade gefällig sind. Ich bin sehr positiv überrascht und freue mich sehr, dass ich ihn gemeinsam mit euch entdecke.


    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Bei mir stellt sich beim Lesen ein heftiges Gefühl von Einsamkeit und Traurigkeit ein. Diese beiden jungen Menschen, die offenbar gar keine Zukunftspläne haben und eigentlich keinerlei Bindungen zu irgendjemand machen mich betroffen.


    Bei mir stellt sich eher ein Beobachtungsgefühl ein. Murakami hält mich eher auf Distanz. Ich hatte beim Lesen der ersten Seiten ein Gefühl, als stochere ich im Nebel. Jetzt lichtet sich der Schleier etwas.


    Zitat

    Original von Saiya
    ...


    Ich finde das überhaupt nicht eigenartig. Ich glaube (und weiß leider), dass der Tod eines Freundes in so jungen Jahren die eigene Welt vollkommen erschüttern kann. Zumal alle drei ja aus einem sehr behüteten Umfeld zu stammen scheinen. Der Selbstmord, der scheinbar aus heiterem Himmel begangen wurde, tut da sicher sein übriges. Die erste Begegnung mit dem Tod und mit der Endlichkeit des eigenen Lebens, die Erkenntnis, dass man wenig bis gar keinen Einfluss darauf hat, kann gestandene Erwachsene psychisch aus der Bahn werfen, pubertierende Teenager umso heftiger. Ich finde, dass Murakami dies großartig und auf sehr authentische Weise beschreibt. Er vermittelt mir wirklich den Eindruck, als würde er als Erwachsener seine jungen Jahre und die schlimmen Erlebnisse nicht nur rückblickend schildern, sondern auch auf relativ nüchterne, aber auch wehmütige Weise reflektieren. Was beides wohl den Jahren und Erfahrungen die dazwischen liegen, geschuldet ist.
    ...


    Das finde ich auch. Das hast du sehr gut beschrieben, Saiya. Bei uns im weitläufigen Bekanntenkreis hat sich kürzlich ein junger Mann umgebracht. Das ist einfach unbegreiflich, besonders für die Partnerin und die Freunde, gepaart mit starken Schuldgefühlen der Zurückgebliebenen. Besonders gut beschreibt er, wie Kizuki in den Kopfen der Freunde rimgeistert, aber besonders Naoko wagt nicht, darüber zu sprechen.
    Bei ihr habe ich beim Lesen das Gefühl, dass sie nicht möchte, dass jemand in ihre Gefühlswelt vordringt.


    Zitat

    Original von Saiya
    ...
    Ich bin gerade sehr froh, dass JaneDoe und Regenfisch mich dazu ermutigt haben, es noch einmal mit Murakami zu versuchen.


    :-] :kiss

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin