Die Jakobsleiter - Maarten´t Hart

  • Originaltitel: De jacobsladder


    Kurzbeschreibung laut Amazon:
    Mit dem Rad ist Adriaan Vroklage zur Insel Rozenburg gefahren. Ein sonniger, warmer, ja paradiesischer Tag mit seiner Cousine Klaske liegt hinter ihm. Erst als er nach Hause zurückkehrt, erfährt er, daß seine Eltern ihn seit Stunden für tot gehalten haben: Aus dem Hafenbecken, wo die Fähre für die Insel anlegt, hatte man am Nachmittag die durch Schiffsschrauben zerstückelte Leiche eines Jungen geborgen, und irgendwer hatte Adriaan kurz zuvor am Hafen gesehen. Seit diesem Erlebnis ist Adriaan der festen Überzeugung, zu Unrecht zu leben. Er glaubt Buße tun zu müssen und nimmt sich vor, die ungewöhnlich zurückgezogen lebende Familie des toten Jungen kennenzulernen.


    Über den Autor:
    Maarten´t Hart, geb. 1944 in Maassluis (bei Rotterdam), arbeitete als Unidozent für Biologie, lebt nun seit 1987 als freier Autor und Kritiker in Warmond (bei Leiden).


    Meine Meinung:
    Die Jakobsleiter von Maarten´t Hart ist ein Roman rund um Schuld und Sühne. Adriaan glaubt Buße tun zu müssen für ein Ereignis, das er nicht hätte beeinflussen können. Und das zieht sich durch sein Leben. Auch behandelt die Erzählung das Thema Religion stark - Spaltungen in der Kirche, religiöser Wahn, etc. Ich fand das Buch sehr interessant. Das Ende des 1. Teils (eine Abhandlung über Religionsgemeinschaften, die sich gespalten haben, und die Hl. Schrift) war etwas langatmig und theoretisch gehalten, sonst war es aber durchwegs "spannend" (von der Thematik) und sprachlich sehr gut zu lesen.

  • Die Jakobsleiter ist eines meiner liebsten Bücher von `t Hart. Das Buch ist vergleichbar mit "Das Wüten der ganzen Welt" oder "Die Netzflickerin", denn auch hier erzählt `t Hart das Leben eines jungen Mannes von Kindheit an. Und der Mann ist wirklich ein fabelhafter Erzähler! Die Passagen über die Kirchenteilungen empfand ich dadurch auch nicht als langatmig (teilweise sogar recht amüsant).
    Ich konnte mich auch wunderbar in den Jungen hineinversetzen. Manchmal sprach er mir wirklich aus dem Herzen: "Wie merkwürdig, dass die Menschen einander nie Einsamkeit gönnen!"

    Illusionen werden aus Gedanken über das Leben geboren, aber sie sterben nicht am Denken, sondern am Leben.
    Lou Salome

  • Hallo!


    Wieder ein ganz wunderbares Buch von Maarten’t Hart. Er versteht es ganz wunderbar, das Leben des so schwer geprüften Jungen ganz subtil zu beschreiben. Seine Versuche, Anschluss in der Familie des Verunglückten zu suchen, seine eigene Unzulänglichkeit, sein Gefühl, er habe keine Berechtigung in diesem Leben. An einer Textstelle beschreibt er es so „niemand versteht es, außer Jacob Migrodde, denn der glaubt auch, dass die ganze Welt verrückt ist. Er würde am liebsten Präsident der Vereinigten Staaten werden, um dann morgen in der Früh seelenruhig zum roten Knopf für die Atombombe zu gehen und zu sagen: „Meine Damen und Herren, es ist aus und vorbei, wir frühstücken heute im Himmel.“


    Die Handlung selber steht eher im Hintergrund. Vorwiegend geht der Autor auf Naturbeschreibungen, Gefühle, Leute ein. Zentraler Mittelpunkt ist der „Zustand“ der Kirche in den Niederlanden. Es gibt hier nicht weniger als 18 protestantische Kirchengemeinschaften, die sich nur durch ganz geringfügige Rituale unterscheiden. Maarten’t Hart teilt Seitenhiebe aus, zieht so manches ins Lächerliche, und gibt zu Bedenken, dass ein strenges, biblisches Elternhaus keineswegs dafür schützt, dass die Kinder auf die schiefe Bahn geraten.


    Meiner Meinung nach schildert er diese kirchlichen Auseinandersetzungen zu intensiv – bei mir artete es ebenfalls in Langeweile aus – der einzige Wermutstropfen bei diesem Buch. Dafür machen die letzten 30 Seiten des Buches das alles wieder wett. Eine unerwartete Wendung und ein wunderschöner Abschluss!!



    Eine Textstelle hat mir ebenfalls gut gefallen. Adriaans Großvater ist für den Jungen eine sehr zentrale Figur, eine Bezugsperson. Mit ihm kann er auch über seine Ängste und Sorgen reden. Sein Großvater hat für meine Begriffe einen sehr guten "Hausverstand". Beim folgenden Dialog geht es darum, ob der Großvater gläubig ist. Die Antwort des Großvaters: "Ach mein Junge, immer dieser grenzenlose Egoismus des protestantischen Christentums. Diese ständige Sorge um das eigene Seelenheil! Angenommen, du kommst in den Himmel und stellst dort fest, dass die paar Menschen, die du von Herzen liebst, in der Hölle gelandet sind. Was dann? Könntest du dann im Himmel auch nur einen Moment glücklich sein?"


    Herzliche Grüße!!