Alle Farben Rot - Laksmi Pamuntjak

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  • Gebundene Ausgabe: 672 Seiten
    Verlag: Ullstein Hardcover, 2015


    Übersetzt von Martina Heinschke


    Kurzbeschreibung:
    Wenige Jahre, bevor in Deutschland und Frankreich Millionen junger Menschen demonstrierten und gegen die enge Welt ihrer Eltern rebellierten, waren die Straßen Indonesiens rot von Blut. Im Jahre 1965 hatte sich der junge General Suharto an die Macht geputscht, seitdem war das Land geteilt in Freund und Feind der neuen Herrschenden, verfolgt wurden alle, die im Verdacht standen, Kommunisten zu sein. Misstrauen und Angst spalteten Dorfgemeinschaften und Familien, viele verloren in gewaltsamen Unruhen ihr Leben, Tausende wurden ohne Prozess in Strafkolonien auf entlegenen Inseln verschleppt. Jahrzehnte später, lange nach Suhartos Sturz im Jahre 1998, sucht eine Frau auf der Gefangeneninsel Buru nach den Spuren des Mannes, den sie in jenen Tagen geliebt und dann verloren hat. In den Wirren einer Straßenschlacht wurden Amba und Bhisma damals auseinandergerissen, und Amba wusste all die Jahre nichts über das Schicksal ihrer großen Liebe. Bis sie eines Tages eine anonyme Mail erhält, aus der hervorgeht, dass Bhisma damals nach Buru verschleppt wurde. Und so macht sich Amba auf, um endlich Antworten auf die Fragen zu finden, die sie schon so lange quälen. Entlang der Linien des indonesischen Nationalepos Mahabharata, jener großen Erzählung von Liebe und Krieg, entfaltet Laksmi Pamuntjak das Panorama einer jungen Nation und ihres bewegten 20. Jahrhunderts zwischen Kolonialzeit und Unabhängigkeit, Diktatur und Demokratie.


    Über die Autorin:
    Laksmi Pamuntjak ist eine renommierte indonesische Essayistin, Lyrikerin und Journalistin. Sie veröffentlichte u. a. zwei Gedichtbände (Ellipsis und The Anagram), den Essay Perang, Langit dan dua perempuan („Krieg, Himmel und zwei Frauen“) über Gewalt und die Ilias und eine Kurzgeschichtensammlung. Sie lebt mit ihrer Familie in Jakarta.


    Über die Übersetzerin:
    Prof. Dr. Martina Heinschke ist Expertin für indonesische Sprache und Literatur und unterrichtet an der Universität Hamburg in der Abteilung für Sprachen und Kulturen Südostasiens.


    Mein Eindruck:
    Indonesien ist dieses Jahr Partnerland auf der Frankfurter Buchmesse und mit Alle Farben Rot begegnet uns ein umfangreicher, komplexer Roman einer indonesischen Autorin.


    Im Prolog wird versucht, die kommende Handlung von Anfang an auf die Ebene einer mythologische Epos zu heben. Das funktionierte bei mir nicht so ganz und so blendete ich das beim Lesen erst einmal aus.


    Es beginnt dramatisch im Jahr 2006, als zwei Frauen verletzt ins Krankenhaus der Insel Buru eingeliefert werden. Die eine ist die Hauptfigur Amba, die andere ihre Angreiferin, die sie mit dem Messer verletzte.
    Es wird klar, dass der Grund für den Angriff weit in der Vergangenheit liegt.


    Bald folgen Rückblicke, die Ambas Kindheit zeigen. Sie wird 1944 geboren und wächst zusammen mit ihren schönen Schwestern auf. Sie ist eher burschikos, dabei nicht weniger selbstbewusst, ehrgeizig und durchsetzungsfähig. Sie ist intelligent, aber auch sensibel.
    Anfang der sechziger Jahre, beginnt sie Englische Literatur zu studieren, verlobt ist sie auch. Doch dann lernt sie den Arzt Bhisma kennen und lieben.
    Währenddessen sind Unruhen im Land: militante Kommunisten, konservative Muslime, unruhiges Militär. 1965 misslingt ein Putschversuch! Und Bhisma verschwindet spurlos.


    Es ist schwer zu sagen, ob die Handlung der Vergangenheit oder der Gegenwart spannender ist. Auf jeden Fall sind sie eng miteinander verbunden.


    Ich finde es geschickt gemacht, wie Lücken in der Handlung durch Briefe, die die Protagonisten sich schreiben, geschlossen werden. Insgesamt umfasst die Handlung mehrere Jahrzehnte bis 2011.


    Alle Farben Rot ist in erster Linie eine Liebesgeschichte, die aber stark von gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen in Indonesien beeinflusst ist.
    Mich konnte das Buch von Seite zu Seite mehr packen und interessieren!

  • Vielen Dank für diese Rezi, Herr Palomar. :wave


    Ich werde mir das Buch besorgen und im diesjährigen Urlaub (passendes Reiseziel: Indonesien) lesen, mich dann hier dazu äußern.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • So, nun habe ich den Roman gelesen und war im Großen und Ganzen ziemlich angetan davon. Ich fand es spannend, die Sicht der Autorin auf die bis heute in ihrer Deutung und Bewertung umstrittenen Vorgänge um den angeblichen Versuch einer Machtübernahme durch die Kommunisten sowie den darauf folgenden Putsch der Generäle unter dem späteren Diktator Suharto kennenzulernen. Geschickt fand ich es, diese für Indonesien bedeutungsvollen Tage einerseits als aktuelle Erzählung und andererseits im Rückblick zu beleuchten.


    Was die Liebesgeschichte betrifft, fand ich gerade die Parallelen zum Mahabharata, dem Jahrtausende alten, obgleich indischen Urspungs tief in der javanischen Kultur verwurzelten Epos, und seine Übertragung in die moderne Welt des zwanzigsten Jahrhunderts originell und gelungen, weil es das Triviale auf eine höhere Ebene hebt.


    Schwierigkeiten hatte ich teilweise mit dem Stil und dem überaus gemächlichen Erzähltempo, wobei ich mir nicht sicher bin, wie weit die Übersetzung dazu beiträgt. Möglicherweise erfordert bzw. bedingt die indonesische Kultur eine wortreiche Umkreisung (inklusive diverser Wiederholungen, die in mir häufiger ein genervtes "Ja doch, ich habe es bereits verstanden" hervorrief) von Entwicklungen und Sachverhalten, für die mir ein einfacher Satz gereicht hätte. Dass z.B. eine Frau ihren Verlobten sitzenlässt, um mit einem anderen durchzubrennen, scheint mir als Europäer möglicherweise alltäglicher als einem Leser oder einer Autorin aus Indonesien und bedarf dementsprechend weitschweifigerer Erklärungen - so meine Mutmaßung.


    Alles in allem hat sich meine Geduld gelohnt und ich würde das Buch jedem ans Herz legen, der sich für Indonesien interessiert und eine schöne, durchaus ungewöhnliche Liebesgeschichte zu schätzen weiß.


    LR harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann