'Das Buch, in dem die Welt verschwand' - Seiten 105 - 206

  • magali, hau mir bitte auf die Finger, wenn ich Mist erzähle! :wave


    Ich finde diesen Roman ungemein inspirierend. Die Handlung beleuchtet den Hintergrund so schön, daß die Bruchstücke, die ich im Laufe der -- oweia! inzwischen sind 's Jahrzehnte! -- gesammelt habe, sich wieder einmal neu zusammenfügen. als hätte Wolfram das Kaleidoskop vor meinem inneren Auge ein gutes Stück gedreht. Und schon sieht man alles neu unter anderen Aspekten. Toll! So muß für mich ein historischer Roman sein. :anbet

  • Zitat

    Original von magali
    Vielleicht beruhigt es die Gemüter, wenn ich euch versichere, daß realiter eine Frau im Raum dabei gewesen wäre, während Nicolai Magdalena untersuchte.
    Auch später im Spital hätte Nicolai nicht alleine mit ihr sprechen können.


    Hier jedoch handelt es sich um einen ROMAN!
    Die ganze Szene ist auf verschiedenen Ebenen mit dem Grundthema der Geschichte verknüpft. Deswegen ist sie aufgebaut, wie sie aufgebaut ist.


    Meine Meinung: ich fand es stimmig. Mir hat die Szene gefallen. Und ich lese halt gern von 'Menschen' und nicht gern von Rittern in strahlender Rüstung.



    Da kann ich mich dir nur anschließen, ich fand die Szene auch irgendwie zum Roman passend beschrieben.
    Und mir ging es keineswegs so, dass sich meine Meinung zu Nicolai dadurch geändert hätte. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich schon vorher weder besondere Sympathie noch Antipathie für ihn empfunden hätte.


    Was kann ich sonst noch zu diesem Abschnitt des Buches sagen?


    Bei mir stellt sich vor allem die Frage, wer diese geheimnisvolle Frau ist und was es mit ihren gefärbten Haaren auf sich hat.
    Und dann das Rätsel um die Postkutschenüberfälle, worum geht es, was ist die Verbindung zur Haupthandlung.


    Insgesamt finde ich das Buch weiterhin sehr gut geschrieben, auch wenn ich stellenweise Probleme mit den alten Worten und Beschreibungen habe, da ich normalerweise keine historischen Romane lese und zu allem Überfluss auch noch Latein hasse ;-)

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Ich weiß nicht, ob ich mich hier einmischen darf, aber die Diskussion finde ich sehr interessant.


    Um Einmischung, besonders der Autoren wird herzlichst gebeten. Das ist das Salz in der Suppe.


    Zitat

    Original von magali
    dyke
    Duodez? Hattest Du noch keins in der Hand? Waren in etwa die damaligen Taschenbücher, die sind wirklich so klein, daß man sie bequem in die Taschen des Rocks (Männerkleidung!) schieben konnte.


    Wahrscheinlich tummelt sich hie und da eins bei mir. Nur den Begriff kannte ich nicht


    Zitat

    Original von magali
    dyke
    Miscellaneen sind die Vermischten Nachrichten.


    So war mir der Begriff geläufig, aber nach dem ich damit gegooled habe, machte sich Unsicherheit bereit, aber Dank unsere wandelnden KonservationslexikonATIN


    Zitat

    Original von Iris


    Hihihi.. die frz. Variante! Eigentlich Miscellanea, später Miszellen. Das ist eine gemeinsame Ausgabe meist sehr kurzer wissenschaftlicher Abhandlungen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten, die meist aus Kostengründen zusammengebunden wurden. Heute gibt es Miszellen als Ausgabe kleiner Schriften eines Wissenschaftlers oder als Sammelpublikation z.B. von Tagungsberichten.


    macht’s für mich wieder Sinn.


    Zitat

    Original von Wolfram
    Zitat:
    Von „Notgeilheit" sehe ich keine Spur. Er versteht sich ja selbst nicht und kann es nur als „Heilige Lust" sehen, auch wenn andererseits Lust nicht heilig sein kann.
    Zitat Ende.


    Hier muss ich -im Namen von Magdalena- widersprechen. Selbstverständlich kann Lust etwas Heiliges sein bzw. zum Kontakt damit führen. In allen frühen Kulturen ist sinnliche Extase immer Teil religiöser Riten. Viele religiöse Riten waren früher sinnlicher-sexueller Natur und fast alle entgrenzenden Praktiken, die heute verboten oder verpönt sind (Drogen, Gruppensex) waren Jahrtausende lang fester Bestandteil von kultischen Handlungen.


    Danke für die Info, aber zu diesem Zeitpunkt geht es noch (?) nicht um Magdalena, sondern nur um Nicolai RöschLAUB.
    Und um seine Auseinandersetzung mit den Gefühlen, die das Mädchen in ihm geweckt haben, die in ihn „übermannt" haben.


    Zitat (HC Seite 140/141):
    Er suchte nach Worten für dieses seltsame Gefühl und kam schließlich auf die seltsame Formulierung einer heiligen Lust, die dieses Mädchen in ihm entfacht hatte. Aber wie sollte Lust heilig sein??
    Zitat-Ende


    Paßt für mich wunderbar in die damalige (und nicht nur dort) christlich-abendländisch vorgegebene Denkweise, in der sexuelle Lust nicht heilig sein darf.


    Und da ich wohl neben dem Autor eines der zwei männliche Wesen in der Runde bin, dieses Gefühl „Die und keine andere" von jetzt auf gleich gibt es wirklich (zumindest bei Männern - über Frauen sollen die selbst reden), so geschehen am Sylvesterabend 1990 - ein dreiviertel Jahr später zogen wir zusammen und sind seit fast 7 Jahren verheiratet..


    Herzlichen Dank an alle, die mir helfen meinen Stand an "nutzlosem Wissen" :lache zu steigern. :kiss
    Man weiß ja schließlich nie, wann man es geistvoll einsetzen kann. :grin


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Original von dyke
    Zitat (HC Seite 140/141):
    Er suchte nach Worten für dieses seltsame Gefühl und kam schließlich auf die seltsame Formulierung einer heiligen Lust, die dieses Mädchen in ihm entfacht hatte. Aber wie sollte Lust heilig sein??
    Zitat-Ende


    Paßt für mich wunderbar in die damalige (und nicht nur dort) christlich-abendländisch vorgegebene Denkweise, in der sexuelle Lust nicht heilig sein darf.


    <räusper>
    Damalige, ja okay -- die "christlich-abendländisch vorgegebene Denkweise" ist eine häßliche Kopfgeburt. In wirklichkeit gibt es das nicht als monolithischen, die Zeiten überdauernden Klotz, sondern es handelt sich um eine wundervoll vielfältige Struktur, die einige Grundprinzipien vereint, zu denen allerdings die immer wieder herangezogene Prüderie nicht zählt. :-)


    Es gab und gibt in diesen Traditionen ebenso rigide, finstere Typen wie Descartes, hingebungsvolle Helferinnen wie Mutter Theresa, Frauenverächter wie Tertullian, liebevolle Fürstinnen wie Isabell von Portugal, Systematiker wie Thomas von Aquin, Systemkritikerinnen wie Christine de Pisan, Reformer wie Melanchthon, Lebenshilfespender wie Drewermann, Gottbegeisterte wie Teresa di Avila, Menschenfreunde wie Franziskus von Assisi, ...
    Das Spektrum, das keine Aufzählung auch nur annähernd abdecken kann, hat es einfach nicht verdient, auf eine Phrase reduziert zu werden, die nichts anderem gerecht wird als der Verfestigung bestehender Vorurteile. :-)


    Zitat

    Und da ich wohl neben dem Autor eines der zwei männliche Wesen in der Runde bin, dieses Gefühl „Die und keine andere" von jetzt auf gleich gibt es wirklich (zumindest bei Männern - über Frauen sollen die selbst reden), so geschehen am Sylvesterabend 1990 - ein dreiviertel Jahr später zogen wir zusammen und sind seit fast 7 Jahren verheiratet..


    Ich zumindest kann da mitreden, allerdings betraf es einen "Der". Es geschah im Sommer 1983. Und das Gefühl ist immer noch da. :-)

  • Ich hab den Teil jetzt auch verschlungen und bin begeistert. Der grausame Mord, Magdalena ist nun mit dabei, Geheimbünde, alles sehr interessante "Zutaten".


    Zum sexuellen Übergriff: Ich fand, daß das gut in den Roman gepaßt hat, in sich stimmig war. Trotzdem hab ich mir beim Lesen schwer getan *Nackenhaare aufstell*. Aber es stimmt, es zeigt Nicolai eben nicht nur als Täter, sondern zeigt auch auf, wie überfordert er mit der ganzen Situation auch ist.


    Was die Überfälle auf die Postkutschen betrifft, bin ich schon sehr gespannt, was es damit auf sich hat und wo es Zusammenhänge zu Alldorf gibt.

  • in letzter Zeit scheinen mich templer/illuminaten/freimaurer regelrecht zu verfolgen. In fast allen Büchern die ich lese tauchen sie auf einmal auf.


    bis jetzt hatten sie zwar noch keine auftritte, aber ich denk, die werden schon nocheinmal vorkommen. ich bin schon gespannt


    was mich auch noch sehr erfreut hat, waren die lateinischen Sätze zwischendurch. konnte ich mich wiedereinmal ein bisschen im übersetzen üben, damit nicht alles so schnell verloren geht.


    bei den krankheitsgeschichten ist mir dann noch was komisches eingefallen: ich kenne eine Person, die immer wenn sie von einer Krankheit hört, diese auch sofort hat und immer alle anderen "überbieten" will, nach dem Motto "bei mir war es viel schlimmer". Die würde bei dem Buch viele Schmerzen erleiden müssen :lach


    di Tassi find ich sehr interessant. Bin schon gespannt wie es weitergehen wird.


    Deshalb werd ich mich wieder auf den Balkon begeben und weiterlesen
    *hoffentlich ist der Nachbar endlich mit rasenmähen fertig*

  • so bin nun auch in diesem Teil....


    und muß sagen bin schwer angenervt, trotz pfleglicher Behandlung ist mein Buch eben auseinander gefallen... habe nun einen Umschlag und zwei Teile mit Buchseiten, so wie 7 einzelne Buchseiten. Sowas darf auch bei nem Gratisbuch eigentlich nicht passieren und stört den Lesespaß ungemein :fetch

  • Ok, noch eine praktische Frage zu dem Teil....


    als man Selligs Leiche findet, da hängen die Augäpfel aufgespießt auf ein Messer an einem Baum....


    hm... also ich hab ja schon ein paar Augäpfel auch außerhalb ihrer normalen Aufenthaltsorte gesehen, ich wage zu bezweifeln, daß man in der Lage ist die aufzuspießen ohne daß man stundenlang mit Fummeln beschäftigt ist.... aber da laß ich mich natürlich gerne eines besseren belehren.....vielleicht hab ich das auch falsch verstanden :wow

  • Jetzt kommt richtig Spannung in das Ganze und es ist noch nicht abzusehen, wie sich das Ganze weiterentwickelt.


    Dass Di Tassi dem Röschlein nicht gleich 100% vertraut finde ich eigentlich normal; alles andere wäre eine Fehlbestetzung seines Posten.


    Was mir auch gut gefallen hat war die Szene wo die Leiche von Selling gefunden wird. Die Art wie Di Tassi Röschlein immer wieder auf das vorbereiten will, das er gleich zu sehen bekommen wird. Das hat wirklich Spannung erzeugt!
    Gleichzeitig bin ich aber dankbar, das dieses Spannung erzeugen nicht die Regel ist. Manche Romane nerven mir dieser künstlichen SPannungsmache ungemein. Das ist hier nicht der Fall.

  • @ Babyjane,


    jau, die Frage hab ich mir auch gestellt, wie das mit den Augen denn wohl praktisch ging??? Und es hat mich ein klein wenig irritiert. Waere das Buch jetzt ein reiner Unterhaltungsthriller waere es egal (hey, bei James Bond muss ja auch nicht alles in Echt klappen koennen), aber irgendwie hat der Autor mit der ganzen sehr detaillierten historischen Rahmenhandlung doch beim Leser einen anderen Anspruch an Authenzitaet gesetzt. Na ja, hab mich dann eben auch getroestet mit dem Gedanken, dass ich in dieser Frage zu wenig praktische Erfahrung hab :lache


    Zur Schluesselszene mit dem "sexuellen Uebergriff", was ich jetzt mal mit Absicht in Anfuehrungszeichen setze, denn die grosse Diskussion ist ja WAS es denn nun eigentlich ist.


    Beim ersten Lesen fuehlte ich mich auch auesserst unwohl und angewidert. Schlicht, weil ich mit meiner Mentalitaet des 21. Jhd. dran gegangen bin und eine solche Tat von einem Arzt begangen als sexuellen Missbrauch und extremen Vertrauensbruch sah. Die Diskussion hier fand ich sehr aufschlussreich und hab meine Meinung jetzt doch wieder revidiert und kann es durchaus anders sehen: zum einen mit einem Blickwinkel des 18. Jhd. und vor allem mit dem Blickwinkel des Autors, der Sex benutzt um dadurch bildlich etwas anderes auszudruecken. Wie Wolfram eben sagt die Problematik von Sextrieb und Machttrieb.


    Ich glaub ein Autor geht heutzutage doch ein grosses Risiko ein, wenn er Sex nicht nur im vordergruendigen sichtbaren Sinne benutzt sondern auch eher metaphorisch eine andere Aussage damit treffen will. Liegt es daran, dass in unserer Gesellschaft Sex und Sexiness so dominiert (Werbung, Sensibilisierung um Missbrauch ...), dass der Leser es schwer hat mehr als die offensichtliche Sache zu sehen?


    Ich hab in den letzten Monaten mehrfach in amerikanischen und kanadischen Buecherforen Diskussionen um "The Reader" (Der Vorleser) von Bernhard Schlink verfolgt. Die Diskussion hier find ich in vieler Hinsicht sehr aehnlich. Nordamerikaner haben ein sehr grosses Problem die Beziehung zwischen dem Jungen und der 40jaehrigen Frau nicht in der offfensichtlichen Version als sexuellen Missbrauch eines Minderjaehrigen zu sehen. Man muss sich nur mal online die Leserunde bei Opra mit Autor dazu anschauen um zu sehen wie diese Frage das ganze Buch dominiert! [eine Diskussionsweise, die Schlink mit diesem Buch ueberall in Nordamerika erlebt hat, jedoch ueberhaupt nicht in Europa] Wenn ich in solchen Foren anmerke, dass Schlink diese Beziehung bildlich sehen moechte, z.B. dass sie fuer den Generationskonflikt im Nachkriegsdeutschland steht, oder dass man die "Verfuehrung" des Jungen als Verfuehrung des deutschen Volkes durch die Nazis betrachten koennte - das wird dann mit grossen Staunen quittiert und die Leser haben grosse Probleme von dem Missbrauchsblickwinkel weg zu kommen.


    Sehr interessant, denn wenn man ganz ehrlich ist, benutzen wir ja auch im "Alltag" oft Sex zu unterschiedlichen Zwecke. Dann stehen hinter unserem sexuellem Verhalten doch auch oft Fragen von Macht, Powerstruggles (sorry, da faellt mir jetzt nicht das richtige deutsche Wort ein) zwischen Ehepartner etc.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Hi, Beatrix,
    Ich bin auch der Ansicht, daß die Sexualisierung, die sich stark ausgebreitet hat, zugleich eine Einebnung zur Folge hat. Eine Verengung des Blickwinkels bei LeserInnen wie AutorInnen.
    Deine Information, wie die Diskussion über Schlinks Roman in US-Amerikanischen und kanadischen Foren läuft, ist hochinteressant - und beunruhigend.
    Ich finde es nicht gut, daß überall nur noch sexueller Mißbrauch gesehen wird, wenn von Beziehungen zwischen Älteren und Jüngeren die Rede ist.
    Und ich kann nur wiederholen, daß ich hier die Szene Magdalena. Nicolai gut gelungen fand, weil sie Verführung und Abhängigkeit auf verschiedenen Ebene darstellt.
    Meiner Ansicht nach ist das auch realistischer. Sexualtität ist eben nicht bloß der nackte Busen, sonder eine ziemlich komplexe Sache. Durch die allgemein vorherrschende Verflachung wird sie nicht einfacher.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von cmoi


    wäre an den Adressen der englischen Bücherforen interessiert. Bin da über Google nicht wirklich fündig geworden..


    Mein regelmaessiges Forum ist bei Chateleine, eine Zeitschrift aehnlich wie Freundin/Brigitte. Nicht sooo viel los im Book Club aber ich schau regelmaessig rein zusammen mit den anderen Foren dort. Die Diskussion um "The Reader" findest du dort zum einen ziemlich weit oben am June 14 und ziemlich weit unten March 31


    http://community.chatelaine.com/fserver-jsp/2/


    Mehr was wie die Buechereule waere das hier:


    http://www.thebookforum.com/

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich