Der Autor: Der Texaner Joe Lansdale zählt heute zu den bedeutendsten und originellsten Stimmen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Seine Empathie und Ehrlichkeit mit seinen Figuren auf der einen Seite, sein Realitätssinn gepaart mit einem zuweilen bösen, schwarzen Humor rücken seine Werke an die Seite eines Twain oder Faulkner.
Das Buch: Weil ein weißer Rassist anstoß daran nimmt das ein farbiger Junge seiner Frau auf den Arsch starrt muss er fliehen, denn der Mob kennt gegenüber der farbigen Bevölkerung keine Gnade.
Er findet Unterschlupf bei einem Farmer, welcher ihm nicht nur Wissenschaft und Literatur näher bringt sondern ihm auch das Schießen beibringt.
Von dort verschlägt es ihn zur Armee und, nachdem die Apachen seine Einheit aufgelöst haben, weiter durch den Wilden Westen bis nach Deadwood.
Doch seine Hoffnung schlussendlich doch ein friedliches Leben führen zu können wird jäh zerstört, und "Deadwood Dick" zieht wieder los. Dieses mal allerdings nicht als Gejagter, sondern als Jäger.
Meine Rezension: Wo soll ich mit meinen Lobpreisungen beginnen? Dieses Meisterwerk vereint all das was die Romane Lansdales groß machen in seiner reinsten Form. Es ist für Lansdale was "Unforgiven" für Eastwood ist, und auch hier ist die Summe aller Teile größer als als Teile zusammen. Dieses Buch ist ein Destillat aus Lansdales besten Arbeiten und es übertrifft sie alle bei weitem.
In den letzten Jahren erschien eine Reihe von "Western" auch in Deutschland, doch im Gegensatz zu den die Zeit eher romantisierenden und idealisierenden Romanen eines Louis L'Amour und anderen, welche ein John-Wayne-Bild der Geschichte zeichneten versuchten diese Autoren ein realistisches Bild der 1860er und70er Jahre zu zeichnen. Ihre Welt ist düster, dreckig, und schlecht. Nicht nur die Menschen, auch die sie umgebende Natur ist faulig und stinkend, die USA der Pionierzeit ein Schmelztiegel verkommener menschlicher Bestien.
Nun, beide Seiten haben sicherlich ein bisschen recht, doch beide Extreme bilden nur einen Teil der Wahrheit ab.
Joe Lansdale schert das wenig. Er versucht erst gar nicht eine Romanbiographie des historischen Nat Love zu schreiben. Er schreibt einen harten Abenteuerroman, welcher die Härten des Lebens im Wilden Westen nicht ausspart, aber dennoch die Tatsache nicht verleugnet das es sich hierbei um einen Unterhaltungsroman handelt, und kein Sachbuch. Natürlich romantisiert er dabei, ohne allerdings die alte "Guter Cowboy - Böser Cowboy"-Sichtweise alter Tage zu übernehmen.
Er lässt seine Hauptfigur selber in der ihr eigenen Sprache erzählen, was der Geschichte einen zusätzliche Authenzität verleiht, da sein Protagonist niemals als Außenstehender Beobachter auftritt, sondern mittendrin ist.
Auch wenn er den Apachen ohne Hass entgegentritt ist er doch entschieden dagegen, sich von ihnen umbringen zu lassen, also erschießt er so viele wie er kann - muss dann allerdings ihre taktische Überlegenheit anerkennen und verduften. Seine Sichtweise ist nicht romantisierend-verklärend sondern pragmatisch.
Doch als Farbiger ist er selbst im Westen - wo eher zählt was ein Mann ist, nicht wo er herkommt und was er vorher so getrieben hat - immer ein Außenseiter, auch hier sind es wenige Aufrechte, die jenseits der Hautfarbe den Mann sehen und beurteilen.
So einer ist "Wild Bill" Hickock, welchem hier ein ebenso würdiges Denkmal gesetzt wird wie dem echten Nat Love.
Doch auch bei der Schilderung Hickocks zeigt sich Lansdales Sinn für Realitäten, er macht aus dem bekannten Revolverhelden kein verklärtes Abziehbild oder sonst eine Klischeedarstellung, er schildert gewissermaßen seine Version, seine Sichtweise auf den bekannten Schützen - durch die Augen seines Helden.
Durch diese Ausnutzung der dichterischen Freiheit kommt der Autor dieser zwiespältigen Figur möglicherweise näher als ein Biograph das vermocht hätte, gerade weil er die Fakten den Bedürfnissen seiner Geschichte anpasst, basierend auf den historischen Tatsachen.
Man mag dieses als Widerspruch ansehen, doch durch den Schleier der Legendenbildung schneidet nur eine der Realität nachempfundene eigene Interpretation der Personen und ihrer Handlungen. Man könnte auch sagen das eine Fiktion nur durch eine realistischere Erfindung der Realität, welche längst hinter Legenden und Geschichten unwiederbringlich verloren ist, wieder Realität wird, das Geschichte selbst durch ihre Nachempfindung wieder real wird - real für uns als Leser.
Lansdales Geschichte wird für uns real, weil seine Erzählung sich wahr, realistisch anfühlt, wir glauben das es sich so abgespielt haben könnte, weil es sich so anfühlt, es klingt wahrer als all die romantisierenden Wildwestgeschichten die wir gelesen oder gesehen haben, da wir Lansdales Erzählung eher glauben schenken können als einem John-Wayne-Film.
Es gibt eine Sache die Lansdales Arbeiten vereint, etwas das übergreifend in seinen Büchern Gültigkeit hat - von den bizarren Horrorgeschichten um sein "Drive in", über seine "Kick-Ass-Buddy-Romane" um Hap und Leonard bis hin zu seinen Thrillern, seien es Sunset Jones oder sein Protagonist aus dem "Feinen Dunklen Riss" und "Blutiges Echo" - es geht immer um den Menschen. Den Menschen und wie er seinesgleichen begegnet, wie er seinen Gegenüber, sei er Freund oder Feind, behandelt und mit ihm umgeht.
Das ist einer der Punkte die Lansdales Werk für mich über die Masse an Genreliteratur hinaushebt - seine Menschlichkeit. Und damit einhergehend die Tatsache das er auch seine "Helden" niemals schont. Sie haben nie den Unversehrbarkeits-Freibrief der unbefleckten guten Hauptfigur, auch sie sind Menschen. Menschen mit Schwächen, mit Fehlern, genau so gut und gerecht oder schlecht und ungerecht wie andere, sie fällen ihre Urteile und begründen ihr Handeln nach dem was und wer sie sind, und nicht weil sie der Autor als die unbefleckten Guten vorgesehen hat.
Selbst dem "Bösen " in diesen Roman kann der Leser mit einem gewissen Verständnis gegenübertreten, auch sein Handeln ist nachvollziehbar und in letzter Konsequenz auch logisch, weil Lansdale hier nicht einfach einen Antagonisten geschaffen hat, damit der Gute jemanden zum bekämpfen hat, auch diese Figur ist bis ins letzte hinein schlüssig. Und gerade darin liegt das Drama dieser Konfrontation - das beide Parteien hier gleichwertig gegenüberstehen, beide verteidigen hier bis zum Letzten das, was sie für richtig halten.
"Paradise Sky" ist der bisher beste Beitrag zur Western-Literatur der neuen Generation, da er weder auf Biegen und Brechen versucht die bisherigen den Western romantisierenden Werke zu widerlegen noch - wie einige andere - versucht, durch eine konsequente Schwarzmalerei den Weste(r)n zu entmystifizieren.
Dieses Buch ist einfach ehrlich, mit seiner Geschichte und den handelnden Personen - und damit mit sich selbst!
Edit: .....ich möchte bitte eine Schreibkraft einstellen!
.... es sind natürlich die 1860 Jahre - der Wilde Westen, nicht Woodstock!