Das hier ist kein Tagebuch - Erna Sassen [ab 14 Jahren]

  • Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
    Er tut es widerwillig, aber doch. Tag für Tag zeichnet Boudewijn auf, was mit ihm los (bzw. nicht los) ist, was er fühlt (oder nicht fühlen kann), weil das passiert ist: Seine Mutter hat sich umgebracht. Schreibend, denkend und erinnernd löst er sich allmählich aus der Starre einer tiefen Depression. Und die Wut auf diese 'dumme egoistische Kuh!' weicht echter Trauer.


    meine Meinung
    Boudewijn, genannt Bou, hat keine Mutter mehr. Sie hat sich umgebracht. Und seine Trauer bricht sich erst Jahre später Bahn. So heftig, dass sein Vater ihn zwingt, Tagebuch zu schreiben und sich bestimmte Musik anzuhören. Als letzten Ausweg, bevor es in die Geschlossene geht. Bou ist davon wenig begeistert, aber in die Geschlossene will er auch nicht...


    "Das ist kein Tagebuch" ist die erste Übersetzung des mittlerweile 5 Jahre alten Werkes der Niederländerin Erna Sassen. Die Autorin befasst sich in diesem von außen düster anmutenden Buch mit Depressionen und Trauer bei Jugendlichen und hat diese in meinen Augen sehr gut getroffen.


    Die Geschichte wird von Bou erzählt. Man darf als Leser in sein Tagebuch hineinschlüpfen und sich Tag für Tag mit seinen Gedanken auseinandersetzen. Zu Beginn merkt man sehr stark seinen Unwillen, irgendetwas niederzuschreiben. Doch bald erkennt man auch, dass Bou oft die Kraft fehlt, irgendwas zu tun. Für jemanden, der Depressionen nur vom Hörensagen kennt, mag das schwierig nachzuvollziehen sein. Für mich hat Bou das Innerste eines Depressiven mehr als gut getroffen. Er zeigt in seinen einzelnen Einträgen recht deutlich, wie es ist, wenn man zu nichts Kraft hat, wenn selbst das Essen einen anstrengt und man sich nachts ins Zimmer seiner kleinen Schwester schleichen muss, um keine Angst zu haben.


    Ich habe mich mit Bou sofort verbunden gefühlt. Der Jugendliche zeigt nicht nur eine nachdenkliche, sondern ab und an auch sehr wütende Seite an sich. Gerade wenn es um seine tote Mutter geht, über die er nur selten spricht, wechseln sich Wut und Trauer ab, wobei die Wut klar vorherrscht.


    Der Lichtblick in seinem Leben ist Bous jüngere Schwester Fussel. Fussel ist herzensgut, lebensfroh und in manchen Belangen schon sehr erwachsen. Sie gibt ihrem Bruder den Halt, den er benötigt. Und das zeigt Bou sehr deutlich, wenn er über sie schreibt. Diese Lichtblicke ließen beim Lesen die Hoffnung aufkommen, dass der Jugendliche es allein aus dem Tal der Tränen hinausschafft und sein Leben wieder in die Hand nehmen kann.


    Das Ende ist abrupt. Der Junge öffnet sich gerade wieder für die Außenwelt, da hört das Tagebuch auf. Zwar mit einer positiven Andeutung, doch die Autorin lässt ihre Leser nicht an der endgültigen Wandlung ihres Schützlings teilhaben. Das fand ich schade, auf der anderen Seite aber auch tröstlich, denn so kann ich mir allein ausmalen, wie Bou sein Leben quasi neu anfängt.


    Der Stil von Erna Sassen ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise passt zu einem depressiven Jugendlichen und sie hat die Stimmungsschwankungen sehr gut eingefangen.


    Fazit: um Jugendlichen einen Einblick in die Gedankenwelt depressiver Menschen zu geben, eignet sich das schwarze Büchlein perfekt. Ich kann es voll und ganz empfehlen.