Gehe hin, stelle einen Wächter - Harper Lee

  • Hörbuch gelesen von Nina Hoss
    Verlag: der Hörverlag, 2015


    Originaltitel: Go Set A Watchman


    Übersetzung von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel


    Kurzbeschreibung:
    Ein Roman über die turbulenten Ereignisse im Amerika der 1950er-Jahre, der zugleich ein faszinierend neues Licht auf den Klassiker wirft. Bewegend, humorvoll und überwältigend – ein Buch, das seinem Vorgänger in nichts nachsteht.


    Mit ihrer Stimme verleiht Nina Hoss dem literarischen Schatz von Harper Lee funkelnden Glanz.


    Über die Autorin:
    Harper Lee wurde 1926 in Monroeville/Alabama geboren. Sie studierte ab 1945 Jura an der Universität von Alabama, ging aber vor dem Abschluss nach New York und arbeitete bei einer internationalen Luftverkehrsgesellschaft. Für das 1960 veröffentlichte Debüt und ihr bisher einziges Buch "Wer die Nachtigall stört" erhielt sie mehrere Preise u.a. den Pulitzer-Preis. Der Roman zählt zu den bedeutendsten US-amerikanischen Romanen des 20. Jahrhunderts, wurde in 40 Sprachen übersetzt und hat sich international rund 40 Millionen Mal verkauft. "Gehe hin, stelle einen Wächter" wurde von Harper Lee vor ihrem Weltbestseller "Wer die Nachtigall stört" geschrieben. Der Roman galt bisher als verschollen und erscheint nun, fast sechzig Jahre später, weltweit zeitgleich. Harper Lee, 2007 mit der amerikanischen Freiheitsmedaille des Präsidenten ausgezeichnet, lebt heute zurückgezogen in ihrem Heimatort Monroeville/Alabama.


    Über die Sprechern:
    Nina Hoss, 1975 in Stuttgart geboren, erlangte 1996 erste Bekanntheit in der Neuverfilmung von "Das Mädchen Rosemarie" von Bernd Eichinger. 1999 schloss Hoss ihr Schauspielstudium an der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin ab. Neben Engagements am Deutschen Theater und an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin ist sie auch in zahlreichen TV- und Kinoproduktionen zu sehen, u. a. in Doris Dörries "Nackt" und in "Die weiße Massai". 2003 und 2005 erhielt sie den Grimme-Preis in Gold, für "Toter Mann" und "Wolfsburg". Für ihre Hauptrolle im Kinofilm "Yella" wurde Hoss 2008 mit dem Deutschen Filmpreis und dem silbernen Bären auf der Berlinale ausgezeichnet. Im gleichen Jahr spielte sie in "Anonyma – Eine Frau in Berlin" die Hauptrolle. 2012 erschien der Kinofilm "Barbara" von Christian Petzold. 2014 war sie in "Phoenix", "A Most Wanted Man" und der hochgelobten US-Serie "Homeland" zu sehen. Für den Hörverlag ist sie in Anna Enquists "Die Betäubung" und Tania Blixens "Jenseits von Afrika" zu hören.


    Über die Übersetzer:
    Ulrike Wasel geb. 1955 in Bergneustadt. Magisterstudium: Anglistik, Amerikanistik, Romanistik.
    Klaus Timmermann geb. 1955 in Bocholt. Lehramtsstudium Sek. II: Englisch, Französisch.


    Ulrike Wasel und Klaus Timmermann entdeckten noch während des Studiums die Freude am gemeinsamen Übersetzen und beschlossen nach dem Examen, den Sprung in das Leben als Literaturübersetzer zu wagen. Nach ersten nebenberuflichen Anfängen im Bereich der Kriminalliteratur arbeiten wir seit 1991 hauptberuflich als literarische Übersetzer und sind für zahlreiche namhafte Verlage tätig. Nach nunmehr fast fünfundzwanzigjähriger Berufserfahrung blicken wir auf ein breites und buntes Spektrum übersetzter Titel zurück, das sich vom erfolgreichen Bestseller bis zum “Nischensachbuch” erstreckt. 2012 wurden wir gemeinsam mit dem Autor Dave Eggers für unsere Übersetzung seines Roman Zeitoun mit dem internationalen Albatros-Literaturpreis der Günther-Grass-Stiftung Bremen ausgezeichnet.


    Mein Eindruck:
    Obwohl zuerst geschrieben, kann man „Gehe hin, stelle einen Wächter“ als die Fortsetzung von „Wer die Nachtigall stört“ sehen.


    Um das vorauszuschicken: „Gehe hin, stelle einen Wächter“ ist kein Ersatz für die Nachtigal und es ist auch nicht das bessere Buch. Aber es zeigt eine Zeit und eine amerikanische Situation, wie es auf diese Art selten gemacht wurde.


    Ausgangslage: Die inzwischen erwachsene Scout lebt jetzt in New York, kommt aber einmal im Jahr in ihrem Urlaub zurück in ihre Heimatstadt Maycomb in Alabama, hin zu dem von ihr verehrten Vater Atticus.
    Atticus Finch war ihr immer eine moralische Instanz, ein Leitstern der Toleranz und Anständigkeit.
    Umso überraschter und schockierter ist Jean Louise (wie Scout jetzt genannt wird), als sie herausfindet, dass Atticus die Rassentrennung befürwortet. Es ist Mitte der Fünfziger, das Thema kocht geradezu. Die Konflikte stehen vor dem Ausbrechen. Jean Louise ist erstaunt, dass auch andere ihrer Bekannten in der Rassenfrage rückständige Ansichten haben.


    Es gibt ein paar Rückblicke, Erinnerungen von Jean Louise an Ereignisse aus ihrer Kindheit, zusammen mit ihren Bruder Jem und den gemeinsamen Freund Dil.

    In der Gegenwart gibt es eine neue Figur, Henry Clinton, genannt Hank, ein ehemaliger Schulfreund von Jem und Scout. Henry ist wie Atticus Anwalt und arbeitet mit ihm zusammen. Henry möchte Jean Louise heiraten.


    Mich haben die inneren Zweifel von Jean Louise sehr interessiert. Harter Lee gestaltet die Gedanken ihrer Protagonistin intensiv und Nina Hoss setzt das mit ihrer Stimme adäquat umgesetzt.


    Dieses Buch ist anders als “Wer die Nachtigal stört”, aber die Themen werden hier wie dort detailliert aufgezeigt.


    Das Buch ist bei seiner späten Veröffentlichung aufgrund einiger Punkte stark diskutiert worden, insbesondere wegen der unerwarteten Demontage eines amerikanischen Idols.
    Das zeigt sich schon in den Überschriften der Artikel zum Buch:
    Der Rassist, den wir liebten (Spiegel), Der Sturz des weißen Ritters (Rundschau) etc.


    John Ford hat als Gegenbeispiel einer seiner Figuren in einem Film sagen lassen:When the legend becomes fact, print the legend.

    Der Mythos kann aber nur leben, wenn er überhaupt noch akzeptiert wird und so ist es für die heutige Zeit vielleicht umso mehr angebracht, nicht mehr funktionierende Idole zu entmythologisieren.


    Das Hörbuch hat die angemessene Länge von 7,5 Stunden. Es ist eine ungekürzte Lesung, die ich innerhalb von 3 Tagen gehört habe. Zwischendurch habe ich den alten Film mit Gregory Peck noch einmal gesehen.


    Nina Hoss spricht den Text ruhig und einfühlsam und trägt ihren Teil dazu bei, die Emotionen der Jean Louise nachvollziehbar zu machen.


    Die Buchausgabe hat Buchdoktor hier rezensiert:
    Harper Lee: Gehe hin, stelle einen Wächter

  • "Wer die Nachtigall stört" ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher, aber dieses hier reicht nicht auch nur annähernd heran.


    Die Streifzüge zurück in Jean Louises Kindheit und Jugend konnten ein bisschen des alten Zaubers herauf beschwören, doch das schwülstige Pathos ihrer inneren Nabelschau gepaart mit dieser selbstgerechten Empörung hat mich ziemlich genervt.
    Ein paar Mal stand ich deshalb kurz vor dem Abbrechen, nur die Kindheitserinnerungen, die glücklicherweise einen relativ großen Raum einnehmen, haben mich bei der Stange gehalten bis zu dem halbwegs versöhnlichen Ende.


    Jean Louises Abnabelungsprozess fand ich zu drastisch und zu intensiv dargestellt.


    Es steht mir natürlich nicht zu die Authentizität dieses Buches zu bezweifeln, aber die Vorstellung, dass es komplett aus der Feder der Autorin stammt, die "Wer die Nachtigall stört" geschrieben hat, fällt mir schwer. Ebenso, dass es vor diesem geschrieben worden sein soll.


    Nina Hoss als Sprecherin fand ich ok, "funkelnden Glanz" etwas übertrieben.