'Nachttankstelle' - 1. Teil, Kapitel 01 - 04

  • Dann mache ich mal den Anfang - da ich heute krank zu Hause sein muss, habe ich schon den ersten Abschnitt gelesen. Der Wortwitz gefällt mir sehr gut und die Sache mit der Wohnungsbesichtigung war super. :lache


    Der Vergleich zwischen Uwe und Herrn Lehmann ist tatsächlich gegeben. Uwe lebt anfangs scheinbar ebenso planlos in den Tag hinein und Ziele mag er sich nur ungern stecken. Bir jetzt wirkt er auf mich wie ein sympathischer Looser, der bei mir allerdings jetzt schon den Drang auslöst, ihn in den Allerwertesten zu treten, damit er mal mit seinem Leben loslegt...

  • Tom schreibt sehr leichtfüßig über Dinge, die mir im Leben schon begegnet sind und ich mich lautstark darüber beschwert hatte. Mit seinem Witz geht das viel besser. Ein Beispiel sind Computer oder Hotlines, wo Leute arbeiten, die davon keine Ahnung haben. Ich muss immer lächeln beim Lesen. Es sind die kleinen Dinge, die mir an dem Buch Spass machen.

  • Ich bin gerade irgendwo im dritten Kapitel. Sehr, sehr positiv aufgefallen ist mir die geniale Beschreibung von Alltagsbeobachtungen. Dinge, die jedem passieren und wo man sich grundsätzlich nichts Besonderes bei denkt. Tom gelingt es nicht nur, diese zu entdecken, sondern sie sprachlich auch noch in anderes Mäntelchen zu stecken, um sie auch mal anders zu betrachten und zu bewerten.


    Verwundert war ich etwas über den Sprachstil. Bei vielen Sätzen hätte ich zwischendurch eigentlich mal einen Punkt erwartet, sie werden aber mit Kommasetzungen zu extralangen Sätzen. Bei Tom bin ich mir sicher, dass das bewusst passiert. Ist das so und wenn ja, warum?


    Ansonsten bin ich gespannt, was diese Tankstelle so noch für uns zu bieten hat.

  • Hallo, xexos.


    Zitat

    Bei Tom bin ich mir sicher, dass das bewusst passiert. Ist das so und wenn ja, warum?


    Ja, es ist absichtlich so. Uwe Fiedler ist kein einfacher, linearer Geist, sondern einer, der gerne auch mal um die Ecke oder treppauf/treppab denkt. Das sollte dadurch zum Ausdruck kommen. Unter anderem. Außerdem fand ich's im Hinblick auf das, was gesagt werden sollte, angemessen.

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, xexos.



    Ja, es ist absichtlich so. Uwe Fiedler ist kein einfacher, linearer Geist, sondern einer, der gerne auch mal um die Ecke oder treppauf/treppab denkt. Das sollte dadurch zum Ausdruck kommen. Unter anderem. Außerdem fand ich's im Hinblick auf das, was gesagt werden sollte, angemessen.


    Ich finde, das gelingt dir mit dem Satzbau ziemlich gut. Der Charakter ist klasse, ein Mensch, den ich zwar sicher mögen würde, der mich aber auch ab und zu in den Wahnsinn treiben könnte. Seine Aufschieberitis ist sicher in Ansätzen vielen Lesern vertraut, auch wenn man es eigentlich ungern zugibt, dass man manchmal erst von irgendwem (oder irgendwas) den von Eskalina angeregten Tritt in den Hintern braucht, um in die Pötte zu kommen. Oder halt zu entscheiden, etwas abzubrechen oder aufzugeben, was häufig ja noch schwerer ist.

  • Naja, Student der Kunstpädagogik - kann man in Berlin doch gar nicht studieren, oder? :gruebel - und Psychologie - was soll dabei schon herauskommen? :lache (Ich entschuldige mich auch gleich bei allen Kunstpädadogen und Psychologen, die ihr Studium in der Regelstudienzeit zum Abschluss gebracht haben :-).)


    Ich mag ihn irgendwie, den Uwe :-). Auch in seiner Beziehung zu Ulrike, das Analysegespräch der beiden, als sie ihre Beziehung für beendet erklärt haben - ich könnte hier fast alle Wörter in Gänsebeinchen setzen -, fand ich super.
    Ein Tritt in den Arsch täte ihm gut, würde aber wahrscheinlich nicht viel helfen. Würde eher wohl dem Tretenden Befriedigung verschaffen.


    Mir gefällt der Schreibstil ausgesprochen gut, viel besser als in "Geisterfahrer".

  • Ich bin schon seit Samstag am lesen und hatte da schon gleich 3 Kapitel durch. :-)


    Toller Schreibstil und wieder eine sehr gute Charakterisierung des Uwe Fiedler.


    Ich mag ihn auch. Und habe über manche seiner Gedanken herzhaft gelacht. Der arme mit seiner chronischen Migräne. Ich bin gespannt, wie`s weitergeht und freu mich auf die nächsten Seiten. :-)

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

  • Auch ich bin jetzt im letzten Kapitel. Uwe gefällt mir. Die Geschichte liest sich gut. Die Leute sind alle gut beschrieben. Langemann soll einer der besseren Tankstellenpächter sein, der bei Seminaren derart bevorzugt wird? :yikes Dann möchte ich nicht die "einfachen" kennen. :lache


    Als alte Neuköllnerin war ich heute gleich bei Mutti und habe gefragt, wo ist denn die Mainzer Straße. :lache Mutti erklärt, dass die die wo immr der Rummel war.
    Ob heute auch noch Rummel in der Mainzer Straße ist? :gruebel

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, xexos.



    Ja, es ist absichtlich so. Uwe Fiedler ist kein einfacher, linearer Geist, sondern einer, der gerne auch mal um die Ecke oder treppauf/treppab denkt. Das sollte dadurch zum Ausdruck kommen. Unter anderem. Außerdem fand ich's im Hinblick auf das, was gesagt werden sollte, angemessen.


    Das ist mir auch aufgefallen. Mehrere Sätze musste ich mehrmals lesen, um sie zu verstehen und mir den Sinn zu erschließen und sicher zu gehen, dass da grammatikalisch alles mit rechten Dingen zugeht ;-) Ein relativ kurzer Beispielsatz auf Seite 81: "Ich erfuhr, dass er Investments organisierte, aber er verriet mir nicht, welche genau und zum jetztigen Zeitpunkt." :pille
    Mein früherer Deutschlehrer hat mir Monstersätze regelmäßig dick rot unterstrichen und daneben stand dann mit Ausrufezeichen versehen: "Schachtelsätze vermeiden" :lache


    Ich habe mir viele Stellen in den ersten vier Kapiteln angemerkt, an denen Wörter und Formulierungen stehen, die für mich typisch Tom sind. Ich kenne bisher fünf seiner Bücher und bei keinem ist mir der Gedanke gekommen, dass der Protagonist irgendetwas mit dem Autor "zu tun" haben könnte. Bei "Nackttankstelle" habe ich sehr oft in Einzelheiten das Gefühl autobiografisches zu lesen.


    Eine der Stellen, die mir besonders gefallen hat oder bei denen ich die Buchseiten voll Speichel geprustet habe:
    52: "Es war wie mit dem Begriff "Fellatio", den ich zuerst als Jugendlicher gehört hatte, wonach ich lange Jahre vermutete, es handle sich um ein italienisches Wort für die Abhäutung von Pelztieren." :lache

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

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  • Hallo, Suzann.


    Ja, mein Agent sagt das auch: Verzichte auf (so viele, so lange) Schachtelsätze. Zum Glück hat mich die Lektorin machen lassen; es gab nur eine Handvoll dieser Bandwürmer, die sie ein wenig verkürzt hat. Der längste Satz im Buch geht, glaube ich, über eine Dreiviertelseite. ;-)


    Satzbau ist ja nicht nur das Werkzeug, um Wörter sinnhaft aneinanderzureihen. Selbstverständlich kann man so gut wie jede zu vermittelnde Information in Drei- bis Fünf-Wörter-Sätze gießen, aber man erreicht damit etwas anderes, als wenn man Nebensatzkonstruktionen verbindet, Aufzählungen verschachtelt und Parenthesen errichtet. Satzbau gibt der Erzählung ihre Melodie und Geschwindigkeit, und vor allem beim Ich-Erzähler hat dieses Stilmittel viel mit der erzählenden Figur zu tun. Innerhalb der Verschachtelungen kann man Gewichtungen vermitteln, die ganz andere sind, wenn man es aufteilt. Man kann Gedanken quasi zuschauen, auch komplexeren, die selten im Dreier- oder Fünferrhythmus daherkommen.


    Und ich glaube und hoffe, dass es sich trotzdem ganz okay liest.


    Ach so. Zum Autobiografischen: Ich habe mich dieses Mal ganz besonders auf die Figur eingelassen. Aber es ist dennoch nicht meine Geschichte, und nicht alle Anmerkungen, die Uwe Fiedler so vom Stapel lässt, würde ich persönlich unterschreiben. Andererseits, ja, habe ich die Figur auch benutzt, um eine Weltsicht zu vermitteln, die ich teile und die mir wichtig ist, wobei es in erster Linie um etwas geht, das sich stark verkürzt als "Achtsamkeit" bezeichnen lässt.

  • Ich habe die Schachtelsätze genossen.


    Problematisch wurde es nur, als ich meiner Frau hier oder da eine besonders gelungene Formulierung vorlesen wollte und dann bei der konkreten Stellenauswahl feststellen musste, dass der vorzulesende Abschnitt sich über mehrere Seiten erstreckte. :grin

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von Suzann
    Ich habe mir viele Stellen in den ersten vier Kapiteln angemerkt, an denen Wörter und Formulierungen stehen, die für mich typisch Tom sind.


    Wobei mir an dieser Stelle die Bemerkung erlaubt sei, dass das Wort "Euphemismus" nur einmal im gesamten Text auftauchte. :grin


    Ansonsten aber - um mal wieder ernsthaft zu werden - habe ich den Schreibstil des Buches, die wunderbaren Satzkonstruktionen, wirklich genossen. Da schreibt hat jemand, der was vom Schreiben versteht - und das nicht zu wenig.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Die recht langen Sätze sind mir auch aufgefallen. Deine Erklärung, Tom, kann ich gut nachvollziehen. Macht Sinn! In diesem Zusammenhang erlaube ich mir eine Frage: Du wählst gerne mehrsilbige Wörter. Gibt es dafür auch eine "versteckte" Motivation"?


    Die Figuren empfinde ich, mal wieder, wie aus dem Leben geschnitten: Klasse. Der Leser "atmet" die besondere Berliner Atmosphäre ein und fühlt sich wie im Kino.


    Zudem ist mir aufgefallen, dass du "negative" Eigenschaften, z. B. des Eigentümers der Tanke, Uwes Kollegin, Uwes Mutter ganz besonders betonst. Bleiben oder sind diese Menschen wirklich so "schlecht", oder präsentierst du uns im weiteren Verlauf auch ein paar Sonnenseiten?

  • Hallo, Beisswenger.


    Was genau meinst Du mit "mehrsilbige" Wörter? Das gilt doch für die meisten (obwohl - nur eines in diesem Satz, vor dem "obwohl")?


    Zitat

    Bleiben oder sind diese Menschen wirklich so "schlecht", oder präsentierst du uns im weiteren Verlauf auch ein paar Sonnenseiten?


    Warum zur Hölle sollte ich diese Frage beantworten, während Du in der ersten Hälfte des ersten Teils steckst? :grin

  • Sorry, ich kann's mal wieder nicht abwarten.


    À propos "mehrsilbige Wörter": "sagfragte", "Sprachideologisierung", "Konditoreiprodukte", "Kommunikationsendgeräte" ...


    Ist schon mutig, *einsilbig* und "wenigsilbig" zu schreiben, wenn es langsilbig auch geht.


    Wobei ich immer dachte, Korrektoren nerven mit dem "Nicht-mehr-als-fünf-Silben-Diktat". :wave