Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Rowohlt Berlin, 2015
Kurzbeschreibung:
Fünfzehn Jahre lang hat Nils Liebe nichts von Sanela gehört. Damals waren beide vierzehn, Nils multiplizierte vierstellige Zahlen im Kopf, Sanela kam aus Jugoslawien und hatte im Krieg ihre Eltern verloren. Zwischen den beiden Außenseitern begann eine heftige Freundschaft, vielleicht wäre es sogar mehr geworden. Aber nachdem sie zusammen ausgerissen waren und versucht hatten, in Bosnien das Grab von Sanelas Vater zu finden, eine so vergebliche wie gefährliche Reise, kam das abrupte Ende zwischen Nils und dem wilden Mädchen, das immer aus allem ausbrechen wollte. Nun erhält Nils einen Brief von Sanela, einen Brief wie früher, scheinbar zufällig. Und weiß beim ersten Treffen, wie sehr sie ihm all die Jahre gefehlt hat. Sanela hat einen kleinen Sohn, der Niels-Tito heißt, der wie Nils Liebe die Zahlen liebt und sich sofort mit diesem versteht wie mit keinem sonst. Zu dritt holen sie die Reise nach und werden bald zu so etwas wie einer Familie. Aber Sanela macht es Nils immer noch nicht leicht. Ihr Brief war kein Zufall, denn sie ist sehr krank ... Lena Gorelik erzählt von drei außergewöhnlichen Menschen, von Freundschaft, Liebe und Abschied – und sie zeigt, warum es gut ist, anders zu sein und seinen eigenen Weg zu finden.
Über die Autorin:
Lena Gorelik, 1981 in Leningrad (heute St. Petersburg) geboren, kam 1992 mit ihrer Familie nach Deutschland. Mit ihrem Debütroman «Meine weißen Nächte» (2004) wurde die damals dreiundzwanzigjährige Autorin als Entdeckung gefeiert, «Hochzeit in Jerusalem» (2007) war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Für «Die Listensammlerin» (2013) wurde sie mit dem Buchpreis der Stiftung Ravensburger Verlag ausgezeichnet.
Mein Eindruck:
Dieser Roman ist außergewöhnlich. Lena Gorelik hat einen eigenständigen, ungewöhnlichen Stil.
Die Stärke des Romans zeigt sich darin, wie die Figuren angelegt sind.
Nils und Senela lernen sich als 14jährige in der Schule kennen. Senela ist damals aus dem Kriegsgebiet Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Ihr Vater ist tot.
Nils ist sehr intelligent. Manchmal zu sehr, er erkennt die Schwächen anderer und möchte sich vor Enttäuschungen schützen.
Die beiden werden Freunde, doch Senela ist durch den Krieg zu sehr traumatisiert. Es kommt zur Trennung und erst 15 Jahre später treffen sie sich wieder. Senela hat inzwischen einen kleinen Sohn, dessen Vater bei einem Unfall verstarb. Da sie an einem Gehirntumor erkrankt ist, sucht sie Hilfe bei Nils und ein mögliches Zuhause für ihren Sohn, Niels-Tito.
Mir kommt es so vor, als würde die Figuren auf Distanz zum Leser gehalten. So wird die Geschichte den komplexen Charakteren mehr gerecht. Doch anfangs wirkten sie auf mich auch sehr konstruiert, obwohl das natürlich für viele Romanfiguren gilt.
Es ist ein langsamer Prozess, wie die Autorin und mit ihr der Leser den verborgenen Gefühlen der Figuren nachspürt. Es sind widerspenstige Figuren, nicht immer sympathisch. Besonders die eigentlich emotional impulsive Selena hat gelernt, eigensinnig und manchmal sogar berechnend zu sein.
Nils liebt sie wirklich, doch ohne dass er dafür eine Begründung benötigt. Auch mit dem Kind versteht er sich gut.
Nicht immer erreichte der Roman mich ganz, z.B. bei der Suche nach Nuancen, wo sich Liebe von Verlangen trennt. Aber es sind viele gute Ansätze vorhanden. In entscheidenden Momenten ist die Verletzlichkeit der Figuren zu spüren. Das ist etwas, was gute Literatur leisten kann.