Das was man Leben nennt - Lara Licollin

  • Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
    Zoe ist verzweifelt. So verzweifelt, dass sie für sich keine andere Möglichkeit mehr sieht als den Tod. Und ausgerechnet Ben, der nicht gerade als der selbstbewussteste Mensch auf Erden bezeichnet werden kann, begegnet ihr in diesem Moment. Verzweifelt versucht er, Zoes und schließlich auch seinem Leben einen Sinn zu geben. Denn der Tod war noch nie eine Alternative zum Leben. Man muss nämlich einfach nur wissen, wofür es sich wirklich lohnt, zu leben. Ein Roman über die Bedeutung der Liebe mit Gedanken über die heutige Gesellschaft, die zum Nachdenken anregen sollen.


    meine Meinung
    Zoe will sich das Leben nehmen. Ihr Entschluss steht fest und die 19-jährige Studentin weiß auch, wie sie es tun möchte. Von der Brücke will sie springen. Doch daraus wird nichts, denn Ben, ein 39-jähriger Computerfachmann, beobachtet sie zufällig und hält sie vom Sprung ab. Warum tut er das? Was macht sein Leben lebenswert? Und warum sollte Zoe auf ihn hören?


    "Das was man Leben nennt" ist mein erster Roman der jungen Autorin Lara Licollin und lässt mich sehr nachdenklich zurück. Sie nimmt sich dem Themen Suizidwunsch und Depression an und zeigt auf sehr eindringliche Weise, was dies in einem Menschen bewirkt.


    Die Geschichte wird kapitelweise von Ben und Zoe aus der Ich-Perspektive erzählt. Zu Beginn war ich leicht verwirrt, da die Kapitel nicht gesondert gekennzeichnet sind, doch schnell kam ich drauf, dass es hier 2 Erzähler gibt. Während man mit Zoe in tiefer Trauer versinkt, den Lebensmut verloren glaubt und das Leben hasst, erfährt man mit Ben, wie es ist, ein junges Leben zu retten und sich dann selbst in Frage stellen zu müssen. Diese Mischung hat das Buch für mich eindrucksvoll gemacht.


    Lara Licollin zeichnet mit Zoe keine Jugendliche, die nur aus Sucht nach Aufmerksamkeit ihrem Leben vermeintlich ein Ende setzen möchte. Auch hat die Studentin keinerlei romantische Gedanken, wenn sie über ihren Tod nachdenkt. Das fand ich sehr ergreifend und wahrheitsgetreu. Der Wunsch nach Selbstmord ist kein "Hilfeschrei", kein "Hype" oder gar eine Lebenseinstellung. Zoes Verlangen nach dem Tod ist so schmerzlich real, so gefühlstief dargestellt und die Autorin trifft dabei genau jene Gedanken, die keinem fremd sind, der schon mal darüber nachgedacht hat, sein Leben aus eigener Kraft zu beenden.


    Zunächst dachte ich, dass Ben als der typische, lebensfrohe und immer gute Laune habende Gegenpart herhalten muss. Doch das tut er beileibe nicht. Im Gegenteil: der fest im Leben stehende Mann lässt sich durch wenige Gespräche mit der 19-jährigen in seinen Gedankenstrukturen erschüttern, stellt sein eigenes Leben in Frage und beginnt zum ersten Mal ernsthaft darüber nachzudenken, was ihn eigentlich antreibt. Das fand ich sehr gut und außergewöhnlich, denn oft wird in Romanen eine weichgezeichnete und romantisierte Form der Rettung a la "Das Leben ist schön, die Vögel singen, etc" genutzt. Hier nicht! In diesem Roman wird dem Leser schmerzlich vor Augen geführt, was es heißt, mit jemanden zu reden, dessen Todeswunsch feststeht. Ein großes Lob an die Autorin, das ist ihr wahrlich gelungen!


    Das Ende gibt einen Ausblick, wie es mit Ben und Zoe weitergeht. Ja, hier kommen dann doch ein paar Klischees hoch, jedoch empfand ich sie in diesem Moment als passend, da Zoe auch in diesen Fall nicht vergessen hat, wie es ihr mal ging und dass sie ab und an immer noch "Rückfälle" hat.


    Der Stil von Lara Licollin ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise ist gefühlvoll, traurig und sogar tiefgründig. "Das was man Leben nennt" ist kein Unterhaltungsroman, bietet aber einen sehr guten Einblick in die Gedankenwelt von Menschen, die das Leben nicht mehr lebenswert finden.


    Fazit: ein für mich wichtiges Buch, das mich nachdenklich zurücklässt. Ich kann es trotz des schweren Themas empfehlen!